Lebensmittelsicherheit war 2006 eines der heißesten Themen des Jahres, Gammelfleisch und genmanipulierter Reis sind nur zwei Beispiele. Wie es nun genau um die Lebensmittelsicherheit und mögliche Kontrollmechanismen bestellt ist und welche Trends sich in der Lebensmittelbranche abzeichnen, hat die internationale und unabhängige Zertifizierungsgesellschaft DNV (Det Norske Veritas) im Sommer 2006 unter die Lupe genommen. DNV hat dazu rund 1.300 Praktiker aus der Lebensmittelindustrie befragt. Vor dem Hintergrund immer wieder auftretender Skandale, globaler Supply Chains in der Herstellung von Lebensmitteln, sich weltweit erstreckender Handelsnetzwerke und strenger nationaler und internationaler gesetzlicher Rahmenrichtlinien befindet sich die Branche in einem Umbruch. Verantwortlichkeiten verlagern sich und ein härterer Wettbewerb beeinflusst das Marktgeschehen maßgeblich.
Gesetzliche Regelungen sind Richtschnur
Die Grundlage für Lebensmittelsicherheit und Hygiene bilden nach wie vor gesetzliche Vorgaben, wie beispielsweise die EU/Verordnung 178/2002. So orientieren 65,87 Prozent der befragten Unternehmen ihre Prozesse primär an der praktischen Umsetzung dieser Vorgaben. Jedoch empfinden 77 Prozent der Befragten diese Restriktionen als zu tiefgehend und wirtschaftlich nur noch schwer zu realisieren. Zudem bemängeln die Praktiker die Richtlinien aus der Politik als zu plakativ und ohne konkrete Handlungsanweisungen und vermissen konkrete Unterstützung.
Handel nimmt Hersteller in die Pflicht
Darüber hinaus setzen Handel und Markenhersteller eigene, immer höhere Maßstäbe für Qualität und Kontrollen und erhöhen damit die Anforderungen an die Lieferanten. Sie setzten die haftungsrechtlichen Anforderungen um, indem sie die Hersteller zu Zertifizierungen verpflichten. Neben speziell entwickelten Standards wie dem International Food Standard (IFS) oder dem Amerikanischen FPA-Standard müssen auch Audits nach Produktzertifizierungsstandards durchgeführt werden. Der Druck, dem die Branche dadurch ausgesetzt ist, macht sich in den Ergebnissen bemerkbar: 84,83 Prozent der Befragten gaben an, ohne die geforderten Systeme nicht mehr liefer- und damit wettbewerbsfähig zu sein. Doch bewerten die Befragten die Entwicklung durchaus positiv: 79 Prozent stimmen der Aussage zu, dass sich die Produktsicherheit für den Verbraucher durch die Zertifizierungen verbessert hat.
Mangelnde Transparenz im Zertifizierungsdschungel
Kritisch steht die Lebensmittelindustrie jedoch der derzeitigen Struktur des Zertifizierungsdschungels gegenüber. 84,43 Prozent der Befragten halten die vielen Zertifizierungen und Standards für unübersichtlich und wünschen sich Einigkeit, Harmonisierung der Anforderungen und gegenseitige Anerkennung.
Nur wer sicher produziert, kann am Markt bestehen
Einig sind sich die befragten Unternehmen auch darüber, dass Sicherheit neben Qualität das entscheidende Kriterium für unternehmerischen Erfolg ist. Knapp 80 Prozent beantwortete daher die Frage, ob sichere Lebensmittel unter dem starken Preisdruck noch zu produzieren seien, eindeutig mit Ja. Vor allem die weiterverarbeitende Industrie sieht in der Sicherheit der Produkte das entscheidende Verkaufskriterium. Nichtsdestotrotz bleibt die Lage angespannt: Denn immerhin ein Fünftel der Befragten gibt an, dass sichere Lebensmittel unter dem starken Preisdruck immer schwerer zu produzieren sind.
Effiziente Prozesse und Qualitätsmanagementsysteme können Abhilfe leisten
Besonders Unternehmen, die Qualitätsmanagementsysteme wie die ISO 9001:2000 oder EN ISO 22000 implementiert haben, können profitieren, wenn sie ihre Prozesse schlank und effizient gestalten. Effektives und effizientes Management versetzt sie in die Lage, neue Anforderungen schnell umzusetzen und sich damit einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. 42,51 Prozent der Befragten wenden diese Tools bereits erfolgreich an. Generell sehen 81,43 Prozent der Praktiker in Food Safety Managementsystemen und Produktzertifizierungen ein probates Mittel zur Risikobeherrschung und -minimierung. Nur 16 Prozent verfügen über gar keine Zertifizierung.
„Im Interesse der Hersteller brauchen wir langfristig Einigkeit und die gegenseitige Anerkennung der verschiedenen Standards. Deswegen sollten sich Politik, Handel und Hersteller an einen Tisch setzen“, so Dr. Andrea Niemann-Haberhausen, Manager Food Services bei DNV. „Unabhängige Zertifizierer wie DNV können bis dahin einen wertvollen Beitrag leisten. Sie bilden das Bindeglied zwischen Standardhalter und Produzenten und tragen durch unabhängige und objektive Bewertung zur Vertrauensbildung bei.“
Teilnehmer aus der Praxis
Zu den Befragten zählten Qualitäts- und Hygienebeauftragte sowie Laborleiter, die somit unmittelbar mit der Qualitätssicherung ihrer Produkte betraut sind. Die Teilnehmer setzen sich aus Vertretern der Schlacht- und Fleischverarbeitenden Industrie, der Süßwaren-, Milch-, Backwaren-, Getränke-, Fischverarbeitungs- und Verpackungsindustrie sowie Hersteller von Ingredientien und Nahrungsmittelergänzungsmitteln zusammen.