Beim Import von Geflügelfleisch gibt es schwere
Mängel beim Schutz der Verbraucher vor gesundheitlichen Gefahren.
Dies hat die SECURVITA Krankenkasse, die sich für den vorbeugenden
Schutz der Verbraucher engagiert, bei einer Untersuchung von
Geflügelimporten aus Brasilien festgestellt. „Vor allem bei
verarbeiteten Fleischprodukten wie Hähnchennuggets oder Chicken Wings
sind die Lebensmittelkontrollen unzureichend, sowohl im
Herstellerland wie auch beim Import nach Europa“, sagte ein
SECURVITA-Sprecher in Hamburg.
Geflügel gilt als gesund und fettarm und wird in Deutschland immer
beliebter, berichtet die Krankenkasse.
Rund 18 Kilo Geflügel isst jeder Deutsche im
Jahr. Insgesamt sind das rund 1,5 Millionen Tonnen, Tendenz steigend.
Die Hälfte davon wird importiert. Der Bio-Anteil ist gering, das
meiste stammt aus Massentierhaltung. Die billigen Brustfilets,
Nuggets und Chicken Wings in den Tiefkühltruhen von Supermärkten und
Discountern haben jedoch eine Vorgeschichte, die vielen Verbrauchern
schwer im Magen liegen dürfte – wenn sie allgemein bekannt wäre.
Mehr als 120.000 Tonnen Geflügel wurden 2005 aus Brasilien nach
Deutschland importiert (Vorjahr: 95.000 Tonnen). Brasilien ist nach
China und den USA der drittgrößte Geflügelfleischproduzent der Welt.
Die Produktion verzeichnet ein rasantes Wachstum. Hühnerbrustfilets
werden in Brasilien etwa 80 Prozent billiger hergestellt als in
Europa.
In importiertem Geflügelfleisch aus Brasilien wurden jedoch in den
letzten Jahren die Antibiotika Nitrofuran und Chloramphenicol
gefunden. Sie sind in der EU für die Tiermast verboten. Das
Bundesinstitut für Risikobewertung bezeichnet die Stoffe als
„karzinogen wirksam“, d.h. möglicherweise krebserregend. Weil die
verbotenen Stoffe in importiertem Geflügelfleisch so häufig
auftraten, wurden auf Anordnung der EU eine Zeitlang alle Sendungen
von brasilianischem Geflügelfleisch untersucht. Ende 2004 hat die
EU-Kommission die Pflicht zur Untersuchung wieder aufgehoben. Jetzt
untersucht das Hamburg Hygiene-Institut nur noch einzelne
Stichproben. Aus über 100.000 Tonnen Importgeflügel aus Brasilien und
Argentinien waren das in den vergangenen 18 Monaten insgesamt nur
rund 40 Proben. Diese wenigen Stichproben ergaben keine Rückstände
der genannten Stoffe. Das gibt allerdings keine Sicherheit. Wird die
Zugabe von Antibiotika rechtzeitig vor der Schlachtung abgesetzt,
fällt sie in der Probe nicht mehr auf.
Man geht davon aus, dass 95% der brasilianischen Hähnchenmäster
Antibiotika einsetzen, damit die Tiere schneller wachsen.
„Antibiotika haben als Leistungsförderer in der Tiermast nichts zu
suchen“, erklärt Prof. Reinhard Kurth, Präsident des Robert
Koch-Instituts (RKI) in Berlin. Antibiotika-Resistenzen können auf
den Menschen übertragen werden. „Krankheitserreger, die der
Antibiotikabehandlung widerstehen, können vor allem für Patienten mit
geschwächter Immunabwehr lebensgefährlich werden.“
Die Qualitätskontrollen für Hähnchenfleisch in Brasilien sind nach
Meinung von Fachleuten undurchsichtig. „Ein durchgängiges staatliches
Prüfungs- und Kontrollsystem scheint nicht zu bestehen“, resümiert
Dr. Nicole Mau, Lebensmittelexpertin an der Justus-Liebig-Universität
in Gießen. Sie war im Rahmen einer Studie für den Bundesverband der
Verbraucherzentralen in Brasilien, um die Lebensmittelsicherheit,
Produktions- und Verarbeitungsbedingungen zu untersuchen.
Als Konsequenz daraus fordert die SECURVITA eine Verbesserung des
Verbraucherinformationsgesetzes: „Die Gesundheit muss beim
Verbraucherschutz Vorrang haben!“ Gemeinsam mit 18 namhaften
Organisationen (darunter Bioland, BUND, Demeter, Greenpeace, GLS
Gemeinschaftsbank, Deutscher Tierschutzbund, Transparency
International, WWF und foodwatch) fordert SECURVITA, mehr Transparenz
zu schaffen und die Verbraucher besser zu schützen.