Jan Hartwig muss man wohl nicht mehr vorstellen. Mehrere Restaurantführer, darunter auch „Der große Restaurant & Hotel-Guide“ hatten ihn in den letzten Jahren bereits unabhängig voneinander zum „Koch des Jahres“ gekürt.
Wer einmal im Münchner „Atelier“ ein Menü von Jan Hartwig genießen durfte, wird die unglaubliche Kreativität und Präzision seiner Gerichte lange im Gedächtnis behalten haben. Dem Erstaunen, vielleicht sogar dem Entsetzen, dass Hartwig dem „Atelier“ den Rücken kehren wollte, folgte die Freude darüber, dass er dies nur tat um sich mit eigenem Restaurant und auf eigenes Risiko seinen Wunsch nach Selbstständigkeit zu erfüllen.
Nun ist er also da, im Restaurant JAN, noch immer in München. Für die Namensfindung des Restaurants wird man nicht unbedingt eine Findungskommission gebraucht haben. Gut so, dass er seinen Einfallsreichtum und seine schöpferische Kraft der Gestaltung seiner Menüs vorbehalten hat. Davon zeugt auch die Tatsache, dass das Restaurant als ersten großen Erfolg nach recht kurzer Zeit drei Michelinsterne verliehen bekam. Für viele Gourmets und Kenner der Szene, wenig überraschend.
Wenig überraschend ist daher auch unser Wunsch, München aufzusuchen und im JAN zu speisen.
Voller Vorfreude betreten wir das Restaurant und werden durch etwas Unerwartetes in Erstaunen gesetzt, kurz gesagt: wir sind baff.
Über dem Eingang zur Küche prangt in Großbuchstaben:
Was ist damit gemeint? Die Liebe zur Kochkunst? Der Begriff entstammt wohl einer Idee des mit Jan Hartwig befreundeten Künstlers Stefan Strumbel. So kann ich das Thema mit Bezug auf die künstlerische Freiheit getrost beiseite legen, ohne mir den Kopf darüber zerbrechen zu müssen wie ich dies interpretieren soll.
Das Ambiente des Restaurants ist zurückhaltend, eher von angenehmer Schlichtheit geprägt. Die geköhlten Eichentische zeigen ihre Wuchsstruktur.
Die Designsprache ist insgesamt minimalistisch und klar. Manche erinnert dies an japanische Sushibars, ich wähne mich eher in einem vollbesetzten, lebhaften französischen Bistro.
Jan Hartwig hielt ich schon immer für einen der Großen im Lande. In die Riege der sogenannten Dreisterner reiht er sich, meiner Meinung nach, nicht nur ein, sondern stellt darin einen klaren Fixpunkt dar.
Deshalb möchte ich keinesfalls Teller für Teller sezieren und synonyme Redewendungen für Geschmacksempfindungen suchen um abwechslungs-und einfallsreicher zu erscheinen. Den inflationär gebrauchten Begriff „lecker“ werden Sie ohnehin bei mir nicht finden.
Und schon geht es los.
Foie Gras au Chantilly, Krokant, Kaper, Pekanuss, Finger Limes & geräucherter Ahornsirup
Karotte, Umami Baiser, kandierte Kombu, Pecorino & knusprige Hendlhaut
Buchweizen Crustate, Saiblingstatar, Kamebishi Sojasauce, Myoga & Wasabi
Es ist immer wieder eine Freude zu sehen, wie gute Köche in die Miniaturen eine Fülle von Geschmacksrichtungen pressen. Dabei wirkt alles so leicht und harmonisch.
Der Blick in die Küche und die Teilnahme am Werden der Speisen ist ja nun keine Seltenheit mehr, jedoch immer wieder faszinierend. Das Hantieren mit Pinzetten, die Handhabung mit Quetschflaschen, all dies wird uns den ganzen Abend begleiten und zwischendurch Gegenstand unseres Tischgespräches sein. Bei offenen Küchen haben wir schon erlebt, dass die Crew wie ein Ballett anmutet, durchchoreographiert, voller Konzentration und Ausdruck.
Auch bei Jan Hartwig geht es ruhig und leise zu. Trotz aller Leichtigkeit und maximaler Eingespieltheit bleibt es harte Arbeit.
Gratinierte Auster, Frühlingslauch, Sauce Hollandaise & Gruyère
Der Geschmack der Auster wird stark von den spezifischen Gegebenheiten ihrer Herkunftsregion beeinflusst. Irish Mòr, eine Auster aus dem eiskalten Wasser der irischen Steilküste, ist ein hochwertiges Produkt.
Jan Hartwig lässt diese gratiniert servieren, wobei der schmackhafte Käse und die weiteren Komponenten einen rundum gelungenen Aromenmix ergeben, der letztlich die Auster nicht erstickt sondern das typische Austernerlebnis nur einhüllt.
N25 Kaluga Kaviar „Selektion JAN“ Pilzflan, Crème fraîche von Bordier & Bucheckern
Patée, Kaninchen, Schwein, Zupfsalat
Schliersee Saibling, Combava, gebrannter Rahm & Dashi Beurre blanc
„Sous-vide ist nicht kochen“ habe ich kürzlich in einer TV-Kochshow gehört. Da können Sie mal sehen, wie weit Meinungsfreiheit bei uns geschützt ist.
Der Fisch ist sous vide gegart, kalt aufgeschnitten und hat ein erfreulich festes Fleisch. Leichte Schärfenoten geben dem Gericht den gewissen Kick.
Brot hausgebacken, Rohmilchbutter aus der Normandie, Frischkäse mit Sobrassada & Paprika
Atlantik Scholle Erbsen, Büsumer Krabben, Rindermark und geräuchertes Muschelfumet
Erneut eine große Bandbreite aromatischer Eindrücke.
Gedämpfter Wan Tan Foie Gras, schwarzer Trüffel, Vin Jaune & Entenessenz
Die Farbe kommt von Rote Bete. Das Gericht ist bei einer Reihe von Zutaten erstaunlich ausgewogen im Geschmack.
Rehrücken vom Gutshof Polting Spargel, Morcheln, Wacholder, Bärlauch, Parmesan (o.Abb.)
Ich befürchte, dass die Zahl allmählich Legion wird, soviel habe ich schon gefühlt an den Rücken der kleinsten heimischen Hirschart herumgeknappert.
Hartwig schickt den Rehrücken mit ausreichend Begleitung ins Rennen, ohne dabei zu übertreiben. Der Parmesanschaum ragt hierbei heraus, die Morcheln bleiben etwas zurück. Die einzelnen Komponenten stehen sich aber nicht im Weg.
„Ureiche“ von Jamei Laibspeis aus Kempten Bittersalate & geröstete Zwiebel (o.Abb.)
Der Käsegang gehört zu meinen bevorzugt abgewählten Gerichten eines Menüs, da bei mir nach dem Fleischgang regelmäßig zwischen der abgerufenen und angebotenen Menge an Nahrungsmitteln Einklang herrscht. Außerdem muten mich die teilweise überladenen Käsewagen mittlerweile etwas „vintage“ an.
Daher freue ich mich sehr wenn, wie in diesem Falle, die Küche mit einem kreativen Käsegang aufwartet. Die „Ureiche“ ist ein 24 Monate gereifter Bergkäse, der fein gehobelt mit Cassispulver bestreut wird.
Mit deutlichen Bitternoten versehen findet das Gericht seine Fans, auch wenn die Optik des Gerichts die Geschmacksfülle zu verstecken weiß.
Rhabarber & Sauerampfer Opalys, Joghurt & roter Oxalis
Sauerampfereis
PETIT FOURS
Cassis, Vanille, Chantilly & Eisenkraut
Paris-Brest
Geeistes Erdnuss- Salzkaramell Sandwich
Madeleines mit Mohn
Pralinen
Bei den Petit Fours möchte ich gerne Paris-Brest herausgreifen, welches als Miniatur vor uns liegt.
2015 habe ich es als ein Signature Dish der Pâtissière Christelle Brua aus dem Pariser Le Pré Catelan in fast wuchtiger Größe schätzen gelernt.
Chris Brua, eine überaus erfolgreiche und hochdekorierte Pâtissière, kam von Jean-Georges Klein 2003 zu Frédéric Anton.
Das High-End-Gebäck wurde als Referenz zu einer Fahrradtour zwischen Paris und Brest etwa 1910 kreiert. Die Form des Kuchens soll an ein Rad erinnern.
So klein das Rädchen im JAN auch letztlich war, war es doch köstlich.
Service
Die Damen der Servicebrigade agieren mit professioneller Lässigkeit, überaus freundlich und kompetent. Damit unterscheiden sie sich wohltuend von oftmals erlebtem, geschäftstüchtig gedrilltem Service. Dies gilt auch für die Mitglieder der Küchencrew, die ebenfalls an den Tischen aushelfen.
FAZIT
Hartwig kommt in seinem Menü gänzlich ohne luxuriöse Beliebigkeiten und geometrische Arrangements aus. Auch die Ringe aus dem „Atelier“ sind verschwunden. Alles ist unbeschwert leicht und geschmackvoll.
Es verbietet sich bei einem Küchenchef von solch großartigem Format Produktqualität, technische Akkuratesse, stimmige Temperaturen, Texturen und Aromenkombinationen zu attestieren, sind diese doch ohnehin die Grundlagen seiner Küche.
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Bernhard Steinmann im Restaurant Jan, München
Zusammenfassung
Hartwig kommt in seinem Menü gänzlich ohne luxuriöse Beliebigkeiten und geometrische Arrangements aus. Auch die Ringe aus dem „Atelier“ sind verschwunden. Alles ist unbeschwert leicht und geschmackvoll.