Bernhard Steinmann interviewt Johannes Christian Thiery

Die Coronakrise und die damit einhergehenden Einschränkungen beschäftigen uns nun schon einige Monate. Auch in unserem Nachbarland Österreich ist die Lage kritisch. Einen sachkundigen Gesprächspartner aus der österreichischen Hotellerie fand ich in Johannes Christian Thiery, der gemeinsam mit seiner Schwester das Hotel Schloss Dürnstein in Niederösterreich leitet.

Darüber hinaus ist er neuer Delegierter bei Relais & Châteaux Österreich.

Das traditionsreiche Hotel Schloss Dürnstein ist bereits seit 1978 Mitglied von Relais & Châteaux. Thiery ist im Familienbetrieb aufgewachsen und entschied sich nach einem Technischen Studium für die Rückkehr zu seinen Wurzeln. 

Kürzlich hatte ich die Gelegenheit mit Freuden wahrgenommen, mit Johannes Christian Thiery das nachfolgende telefonische Interview zu führen:

Johannes Christian Thiery (© Hotel Schloss Dürnstein)

Bernhard Steinmann  (B.St.): Wir führen das Gespräch in einer schwierigen Zeit. Bevor wir zur Tagesaktualität kommen, würde ich Sie gerne bitten kurz Ihren beruflichen Werdegang zu skizzieren.

Johannes Christian Thiery (J.C.T.): Man kann sagen, dass ich im Hotel aufgewachsen bin. Den Betrieb, den meine Eltern zum Hotel gemacht haben, hat mein Großvater bereits erworben. Ebenso bin ich mit Relais & Châteaux aufgewachsen, schließlich ist das Hotel Schloss Dürnstein bereits seit 1978 Mitglied dieser Hotelvereinigung. Daneben habe ich das Interesse an der Technik nie verloren. Ich habe in Wien an der TU Informatik studiert und nebenbei im Hotel gearbeitet.

B.St.: Ich habe auch erfahren, dass Sie Lizenzen für Fluss- und Hochseeboote, Bagger und sogar für einen Kran haben. Anscheinend lieben Sie das Abenteuer?

J.C.T.: (Lacht) Ja, ich stehe gerade neben einem Kran. Bauen ist mein zweites Hobby. Derzeit bauen wir das Haus meiner Schwester um. Ich bin so eine Art Hobbybaumeister.

Daneben betreibe ich seit 15 Jahren die Motorbootfähre Dürnstein-Rossatz über die Donau. Das habe ich übernommen, als der Vorbesitzer aufhörte und sich kein Nachfolger fand. Rundfahrten und Ausflugsfahrten mit insgesamt vier Booten gehören ebenfalls zum wichtigen Teil touristischer Attraktionen in der Region.

B.St.: Sie leiten das Hotel Schloss Dürnstein gemeinsam mit Ihrer Schwester. Auch Ihre Eltern sind noch im Hotel aktiv. Ein Modell, das wir auch in Deutschland kennen, beispielsweise in der legendären Traube Tonbach in Baiersbronn. Wie nahe sind Sie tatsächlich noch am Gast, wenn man Ihre vielen Aufgaben betrachtet?

J.C.T.: Ich verbringe sehr viel Zeit im Hotel, wie meine Schwester auch.  Sie ist hauptsächlich an der Rezeption und mit der Buchhaltung beschäftigt. Zwar haben wir 50 Mitarbeiter, machen aber auch sehr gerne und sehr viel selbst. Beispielsweise bin ich oft im Restaurant. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht serviere oder als Sommelier tätig bin. Wir würden uns schon als ein Familienbetrieb in bereits dritter Generation bezeichnen.

B.St.: Sie führen daneben die Delegation Österreich von Relais & Châteaux an. Eine Restaurant- und Hotelvereinigung, die 1954 in Frankreich gegründet wurde. Welche Vorteile ergeben sich aus der Mitgliedschaft in einer Hotelvereinigung?

J.C.T.: Das hat sich nun mal so entwickelt. In der Anfangszeit war dies eine gute Gelegenheit Öffentlichkeit herzustellen und wahrgenommen zu werden. Man muss es sich so vorstellen, dass es früher einfach ein Guide war und die gedruckten Medien regelmäßig darüber berichteten. 

Heute ist die Mitgliedschaft nicht nur ein Aushängeschild sondern ein Qualitätssiegel das Gäste anspricht. Außerdem ist es wichtig, nicht alleine zu stehen. Wir sind ein internationales Netzwerk von über 580 Restaurants und Hotels, haben die Möglichkeit uns untereinander auszutauschen und Erfahrungen miteinander zu teilen. Von Relais & Châteaux gibt es ein breites Service-Angebot wie etwa Beratung zu Channel-Management, gemeinsame Sales-Aktivitäten oder auch die weltweiten Initiativen, die unsere Philosophie widerspiegeln, etwa „Fish Unknown“ oder „Food for Change“.

B.St.: In Deutschland werden die Maßnahmen für die Eindämmung des Coronavirus verstärkt. Dies steht auch in Österreich unmittelbar bevor. Wie hat sich die Coronakrise bisher auf die Kooperationshotels Mitglieder von Relais & Châteaux in Österreich ausgewirkt?

J.C.T.: Bei Relais & Châteaux waren weltweit Anfang des Jahres etwa  95 % aller Hotels geschlossen. Dementsprechend hat man die Kosten drastisch reduziert. 

Das Hotel Schloss Dürnstein ist ein Sommerbetrieb. Wir hatten durch die Coronakrise bedingt zwei Monate später geöffnet als sonst üblich, hatten aber zunächst zwei sehr schwache Monate. Danach war das Geschäft ganz gut, allerdings von ganz anderer Struktur. Die Gäste kamen hauptsächlich aus Österreich, Deutschland und Tschechien. Ansonsten fehlten die internationalen Gäste. Insgesamt gesehen hatten wir noch ein gutes Ergebnis.

Mittlerweile haben wir saisonbedingt wieder geschlossen und zwar eine Woche früher als sonst, da die Buchungen zurückgegangen sind.

Die Situation in Österreich ist sehr schwierig. Gerade die Wintersportbetriebe werden sehr leiden. Viele Kollegen lassen ihre Betriebe geschlossen, da die Buchungslage sehr angespannt ist.

B.St.: Gibt es denn in Österreich Kurzarbeitergeld, so wie wir es aus Deutschland kennen?

J.C.T.: Ja, Österreich hat zwei Maßnahmen ergriffen. Was uns Hoteliers am meisten hilft ist die Mehrwertsteuersenkung. Die Regelung des Kurzarbeitergeldes ist zweifellos gut gemeint, funktioniert aber nicht in allen Fällen, da die Regeln sehr kompliziert sind.

In einem Restaurant beispielsweise benötigen Sie am Wochenende alle Mitarbeiter, unter der Woche aber nicht.

Von Wiener Hotelkollegen wollte ich im Sommer Mitarbeiter ausleihen. Das war zu kompliziert, denn wenn mein Kollege einen Mitarbeiter entlässt, verliert er die Kurzarbeiterberechtigung für die übrigen Mitarbeiter. Dieses Model erscheint mir wenig durchdacht.

Wir haben mittlerweile 400 000 Arbeitslose in Österreich und Sie bekommen keine Installateure, keine LKW-Fahrer u.s.w. Das ist schon merkwürdig.

B.St.: Bilden Sie denn selbst im Hotel aus?

J.C.T.: Junge, talentierte Arbeitskräfte sind hart umkämpft. Auch hat sich die Arbeitseinstellung sehr geändert, die Attraktivität einer Beschäftigung in der Hospitality-Branche ist leider in den Hintergrund getreten. Als Mitglied bei Relais & Châteaux haben auch unsere Mitarbeiter Vorteile – etwa in einen anderen Betrieb reinzuschnuppern, der ebenso Relais & Châteaux Mitglied ist oder sie profitieren von den international geltenden Mitarbeiter-Spezialkonditionen für einen Aufenthalt bei unseren Relais & Châteaux-Kollegen.

B.St.: Viele Branchen klagen über Fachkräftemangel.

Wie können Hoteliers dem Problem des Fachkräftemangels entgegentreten und wo gibt es mögliche Lösungsansätze? 

J.C.T.: Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel. Sie bekommen in einem Hotel ohne Probleme 100 Abwäscher, aber keinen einzigen Oberkellner. Man könnte doch eher vermuten, dass es umgekehrt ist und niemand abwaschen möchte. 

Anscheinend ist es ein Problem Verantwortung zu übernehmen, am Abend zu arbeiten oder ein Team zu führen. Dabei haben wir viele Mitarbeiter, die bei uns als Abwäscher begonnen haben und heute führende Positionen einnehmen.

Unser aktueller Oberkellner beispielsweise war früher Abwäscher bei uns.  Das Hotel bietet viele Aufstiegsmöglichkeiten.

Christian THIERY (© Hotel Schloss Dürnstein)

B.St.: Ihr Hotel nimmt auch am Wachau GOURMETfestival teil. Es bleibt nun zumindest die Hoffnung, dass das Festival auch tatsächlich im Frühjahr 2021 stattfinden kann. Diesmal kommt Sternekoch Vincenzo Candiano aus Ragusa, Sizilien zu Ihnen. Wie wichtig ist diese Veranstaltung für das Hotel und die Hotelvereinigung? Relais & Châteaux veranstaltet ja auch viele Kochevents.

J.C.T.: Wenn ich mich nicht täusche, gibt es das Festival bereits seit elf Jahren. Das ist ein sehr schönes Ereignis. Die Betreiber des Festivals sind gute Freunde von mir, die ich auch sehr gerne unterstütze.

Events mit Gastköchen mache ich aber schon viel länger. Ich hatte schon viele Gastköche aus Relais & Châteaux-Hotels.  Finanziell ist das eher ein Nullsummenspiel aber es macht sehr viel Freude.  Außerdem belebt es die Saison.

B.St.: Hotels müssen ein Highlight haben, einen Wiedererkennungswert. Wo finde ich ihn im Hotel Schloss Dürnstein?

J.C.T.: Wie bei Relais & Châteaux üblich, findet man auch bei uns eine familiäre Betreuung. Hinzu kommt ein einzigartiger, historischer Gebäudekomplex der die lange Geschichte des Hauses aufzeigt.

Nicht zu vernachlässigen ist die Tatsache, dass die Region ein wunderbares Erholungsgebiet ist.

B.St.: Wann werden Sie denn planmäßig das Hotel wieder öffnen?

J.C.T.: Geplant ist die Öffnung des Hotels zwei Wochen vor Ostern. Ob dies realistisch ist, wird der weitere Verlauf der Coronakrise zeigen.

B.St.: Wir wollen doch alle hoffen, dass sich die Situation im nächsten Jahr bessert und wir zur gewohnten Realität zurückkommen können.

Herr Thiery, ich danke Ihnen für dieses informative Gespräch.

Zusammenfassung

Johannes Christian Thiery: Man kann sagen, dass ich im Hotel aufgewachsen bin. Den Betrieb, den meine Eltern zum Hotel gemacht haben, hat mein Großvater bereits erworben. Ebenso bin ich mit Relais & Châteaux aufgewachsen, schließlich ist das Hotel Schloss Dürnstein bereits seit 1978 Mitglied dieser Hotelvereinigung.

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