Sie ist ein bisschen empfindlich und verkriecht sich deshalb im Winter lieber drinnen. Doch während die ersten Badegäste bislang nur vorsichtig einen Zeh in die frühjahrsfrische Nordsee stecken, hat die Sylter Auster bereits den Sprung ins nicht mehr ganz so kalte Wasser gewagt: Die „Sylter Royal“ ist wieder zurück an ihrem angestammten Platz in der Blidselbucht.
Es war wie immer ein hartes Stück Arbeit für die Umzugshelfer von „Dittmeyer’s Austern-Compagnie“: In der letzten April-Woche beförderten sie einen der kulinarischen Sylter Stars Stück für Stück zurück in die Blidselbucht zwischen Kampen und List. Denn abgesehen von ihrem ausgezeichneten Geschmack und ihrer hohen Qualität ist das Besondere an der „Sylter Royal“ ihr Lebensgefühl. Genauer: Sie hat zwei Wohnsitze. Den Winter verbringt sie stets in ihrer wohligen Zweitwohnung, einer Lagerhalle an der Hafenstraße in List. Hier lässt sie es sich in großen Bassins, die per Seewasserleitung mit der Nordsee verbunden sind, gut gehen. Doch sobald der Frost seine eisige Hand von der Insel genommen hat, geht es zurück ins Watt.
Beste Bedingungen für die einen – ein Knochenjob für die anderen: Immerhin wiegen die so genannten Poches, Netzsäcke aus gitterartigem Kunststoffgewebe, in denen die Austern heranwachsen, gut 15 Kilo und müssen einzeln und in Handarbeit im Watt auf einem Tisch festgeschnürt werden, damit die Austern nicht von Sturm, Strömung oder Gezeiten weggespült werden. Und auch im Anschluss verlangen die gut drei Millionen Sylter Schalentiere jede Menge Aufmerksamkeit. Regelmäßig werden die Poches einzeln angehoben und vorsichtig geschüttelt, damit die Austern nicht zusammenwachsen. In den drei Jahren, die die Austern teils im Watt und teils bei „Dittmeyer‘s“ in List verbringen, wird jede etwa 35 Mal per Handarbeit bewegt.
Wenn die Austern genug Fleisch und Schale angesetzt haben und zum marktreifen Gewicht von 80 Gramm herangewachsen sind, kommen sie zum letzten Mal nach List. Gereinigt und sortiert werden sie dort vorsichtig auf Reet gebettet, mit der gewölbten und mit Meerwasser gefüllten Schale nach unten in Spankörbe gelegt und so zu den Feinschmecker-Tempeln des Landes transportiert. Und natürlich steht die „Sylter Royal“ auch bei den Restaurants der Insel ganz oben auf der Speisekarte.