Wie wir "Fett" schmecken

Wie wir „Fett“ schmecken

Wissenschaftler des Deutschen Instituts für
Ernährungsforschung (DIfE) haben in Zusammenarbeit mit Forschern der
Technischen Universität München und der Charité Berlin in
Geschmacksknospen der menschlichen Zunge und im umliegenden Zungengewebe
einen Fettrezeptor identifiziert. Er wird durch langkettige Fettsäuren
aktiviert, welche hauptsächlich für den typischen Fettgeschmack
verantwortlich sind. Möglicherweise könnte er für die
Fettgeschmackswahrnehmung und das Ernährungsverhalten eine Rolle
spielen.

Das Wissenschaftlerteam um Maria Mercedes Galindo und Maik Behrens,
beide Geschmacksforscher in der Abteilung Molekulare Genetik am DIfE,
publizierte seine Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift Chemical Senses
(Galindo et al., 2011; DOI: 10.1093/chemse/BJR069).

Die Geschmackswahrnehmung spielt für die Nahrungsaufnahme eine
wesentliche Rolle. Sie hilft uns dabei zu entscheiden, welche Nahrung
dem Körper Energie und lebensnotwendige Bausteine liefert und welche
besser gemieden werden sollte. Die Natur hat es dabei so eingerichtet,
dass wir Geschmacksvorlieben für die drei Makronährstoffe Kohlenhydrate,
Eiweiße und Fette entwickelt haben. Dies sind Vorlieben, die in der
heutigen Zeit Übergewicht begünstigen können.

Zuckermoleküle, die Bausteine von Kohlenhydraten, erkennen wir mit
Hilfe des Süßgeschmacksrezeptors. Die Bausteine von Eiweißmolekülen
nehmen wir mit einem ähnlichen Rezeptor wahr, dem so genannten
Umami-Rezeptor. Dessen Name entstammt dem Japanischen und bezieht sich
auf den Wohlgeschmack der von ihm detektierten Geschmacksstoffe.
Geschmacksrezeptoren, die für die Wahrnehmung von Fetten beim Menschen
verantwortlich sind, konnten jedoch noch nicht identifiziert werden.
Daher ging man bislang davon aus, dass unsere Geschmacksvorliebe für
Fett hauptsächlich auf die Beschaffenheit fetthaltiger Nahrung und im
Fett gelöste Aromastoffe zurückzuführen ist. Studien an Nagern sowie
sensorische Tests erhärteten aber in jüngster Zeit den Verdacht, dass
auch Geschmacksrezeptoren an der sensorischen Wahrnehmung von Fett
beteiligt sind und damit indirekt die Fettaufnahme beeinflussen können.

Daher untersuchte das Team um Galindo und Behrens, ob die in
Nagerstudien identifizierten Rezeptorkandidaten auch beim Menschen eine
Rolle als Fettgeschmackssensor spielen könnten. Der Rezeptor GPR120
erwies sich dabei als vielversprechend, denn die Wissenschaftler konnten
ihn in menschlichen Geschmacksknospen nachweisen, also dort, wo man
einen Geschmacksrezeptor erwarten würde. Zudem zeigten funktionelle
Untersuchungen mit Hilfe einer Art künstlichen Zunge*, dass langkettige
Fettsäuren, die in sensorischen Versuchen bei Probanden einen typischen
Fettgeschmack hervorrufen, den Rezeptor deutlich aktivieren.

„Dies als Beweis für die Existenz einer sechsten
Grundgeschmacksqualität ‚fettig’ zu sehen, wäre aber sicher
vorschnell“, sagt Wolfgang Meyerhof, Leiter der Abteilung Molekulare
Genetik am DIfE. „Hierfür müsste man nachweisen, dass das durch den
Fettrezeptor ausgelöste Signal über spezialisierte Geschmackszellen und
nachgeschaltete Nervenbahnen als Geschmackssignal ans Gehirn
weitergeleitet wird“, erklärt Maik Behrens. Dennoch seien die
Ergebnisse sehr interessant, da sie erstmalig zeigten, dass auch der
Mensch in seinen Geschmacksknospen über einen Fettrezeptor verfügt.
Zudem sei der identifizierte Rezeptor ein aussichtsreicher Kandidat, da
er zu einer Rezeptorfamilie** gehöre, die auch andere chemosensorische
Rezeptoren umfasst, wie etwa Bittergeschmacks- oder Geruchsrezeptoren.

Zukünftig wollen die Forscher ihre Ergebnisse als Basis für weitere
Forschungsarbeiten nutzen, um zu klären, ob es nun eine sechste
Grundgeschmacksqualität gibt oder nicht.

Hintergrundinformation:
Der Begriff Umami ist die Bezeichnung für die fünfte
Grundgeschmacksqualität, die hauptsächlich über den Eiweißbaustein
Glutamat vermittelt wird. Neben Umami sind bislang die
Grundgeschmacksqualitäten süß, sauer, bitter und salzig wissenschaftlich
anerkannt.

*künstliche Zunge: Hiermit ist ein zelluläres Testsystem gemeint, mit
dem in vitro untersucht werden kann, ob ein Rezeptor von einer
bestimmten Substanz aktiviert wird.

**Es handelt sich um die Familie der G-Protein-gekoppelten Rezeptoren.
Sie sind in der Zellmembran lokalisiert und leiten von außen kommende
Signale über bestimmte Signalproteine (G-Proteine) ins Zellinnere. Viele
Rezeptoren dieser Klasse spielen für die Wahrnehmung von Sinnesreizen
eine Rolle.

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE)
ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen
ernährungsbedingter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention,
Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln.
Forschungsschwerpunkte sind dabei Adipositas (Fettsucht), Diabetes,
Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Das DIfE ist zudem ein Partner
des 2009 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten
Deutschen Zentrums für Diabetesforschung e.V. (DZD).

Die Leibniz-Gemeinschaft vereint 87 Einrichtungen, die
anwendungsbezogene Grundlagenforschung betreiben und wissenschaftliche
Infrastruktur bereitstellen. Insgesamt beschäftigen die
Leibniz-Einrichtungen rund 16.800 Menschen – darunter 7.800
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – bei einem Jahresetat von
insgesamt knapp 1,4 Milliarden Euro. Die Leibniz-Gemeinschaft zeichnet
sich durch die Vielfalt der in den Einrichtungen bearbeiteten Themen und
Disziplinen aus. Die Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft bewahren
und erforschen das natürliche und kulturelle Erbe. Darüber hinaus sind
sie Schaufenster der Forschung, Orte des Lernens und der Faszination für
die Wissenschaft. Näheres unter http://www.leibniz-gemeinschaft.de

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