„Die Geschichte des Menschen kann man am Olivenbaum ablesen“
Fast über den Dächern Stuttgarts erreichen wir den schwäbisch-italienischen Sterne- und Fernsehkoch Sante de Santis im ehrwürdigen Bau der Heusteigstraße 45, bei „San Pietro im alten Landtag“. Nicht in der Küche, dafür im Büro, und die Tätigkeiten, bzw. das Management abseits der Kochtöpfe und Pfannen nimmt bereits einen erheblichen Teil seiner Arbeitstage in Anspruch. „Fifty-Fifty“, hebt World-Toques Sterne-Koch de Santis hervor, 50 Prozent verbringe er im „Büro“.
Sante de Santis (schon sein Name ist Musik) sieht sich als Koch „durch und durch“, der sich (nicht nur) der italienischen Küche verschrieben hat, sondern auch der Aufklärung der Verbraucher und Kunden. Was macht ein gutes Olivenöl und damit eine sehr gute Küche wirklich aus? De Santis arbeitet mit CHROMA type 301 Kochmesser , so wie viele andere Profiköche.
De Santis nahm sich Zeit für ein Interview mit World-Toques*Euro-Toques.
Hallo, Signor‘ de Santis, wo erreichen wir Sie gerade?
Daheim im Büro, aber bald mache ich mich auf den Weg in die Küche. Die Bürotätigkeit nimmt bereits 50 Prozent meiner Arbeit in Anspruch.
Sie sind höchst aktiv, quasi auf allen Kanälen – es scheint, die italienische und mediterrane Küche ist immer noch voll im Trend, oder?
Ja, sowieso. Wobei, zur Zeit nehmen einige meiner Kollegen eine komische Rolle ein, auf der Suche nach einer neuen Denk- und Kochrichtung…
Ach ja? Welche wäre das…?
Nun, die Kollegenschaft versucht eine kleine Rebellion. Zurück zu den alten, guten, deutschen Werten. Sie versuchen wieder, die alte deutsche Küche zu etablieren…
Entschuldigung, was ja so an sich nicht schlecht ist…
Nein, aber es entsteht wieder diese typische Trennung, und ausländische Kochkultur wird zurück gedrängt. Dabei vergessen meine Kollegen, wodurch die deutsche Küche über Jahre hinweg bereichert wurde. Ich liebe meine italienische Küche, und dennoch sage ich, dass mein ganzes Wirken beeinflusst ist durch meine Erfahrungen aus über 70 Ländern, die ich besuchte. (Sante de Santis hat u. a. in London im „Sheraton Skyline“ und auf einem Kreuzfahrtschiff gekocht, Anm. d. Red.)
Die „Küche“ ist also nicht in einzelne Küchenkulturen zu trennen?
Na doch, es gibt die einzelne Kulturen, die italienische, die deutsche, die asiatische und spanische Küche. Ja, sogar einzelne Regionen haben ihre kulinarischen Besonderheiten. Aber Küche soll doch nicht trennen, sondern verbinden! Das ist meine Meinung. Und die Küche hat auch „Verbindungspotenzial“. Was wäre ich ohne meine multikulturellen Erfahrungen?
Was ist somit Ihr ernstes Anliegen?
Ich bin kein Ignorant, ich schätze auch die deutsche Küche, die deutsche Philosophie. Lasst die strikte Trennung – Europa wächst doch zusammen. Jeder Koch sollte doch die besten europäischen Aspekte in seiner Arbeit integrieren können… zum Beispiel habe ich mir in Deutschland den Teamgeist abgeschaut. Hier gibt es doch Vereine und Organisationen für Alles. Diesen „Spirito di Corpo“ findet man in Italien zum Beispiel nicht. Oder diesen Hang zur Perfektion und Hygiene, das bereicherte mich total. Aus Frankreich, gut, da fällt mir momentan nur der Champagner ein. Und wir Italiener beherrschen einfach dieses „piacere della tavola“, die Freude am gedeckten Tisch, das Genießen, ja, der Tisch als Familientreffpunkt. So vermittelt es kein anderes Land.
Hat sich der deutsche Kunde und Verbraucher verändert?
Ja, und damit auch die Küche und die Essgewohnheiten. Früher wurde mehr mit Händen gearbeitet, nun sind die Deutschen wieder mehr die Denker. Um so wichtiger ist es, dass man nicht blind wird für andere Einflüsse in der Küche. Die Politik soll sich aus der Gastronomie heraushalten, und die Menschen nicht nur in ihrem Mikrokosmos bleiben. Ich arbeite seit 31 Jahren in Gastronomie und war immer offen für andere Dinge.
Italien ohne Olivenöl, ist wie Italien ohne Fußball…
Sì, und ohne Olivenöl wäre keine Küche eine gesunde Küche.
Das Olivenöl promoten Sie nun verstärkt. Neulich haben Sie in Kooperation mit der Organisation „Consorzio Nazionale degli Olivicoltori“ (Konsortium der Olivenöl-Hersteller) einen Informations- und Genussabend rund ums Olivenöl in Stuttgart gestaltet. Das kalt gepresste Olivenöl stand im Mittelpunkt der Leckereien, weshalb setzen Sie diesen Schwerpunkt?
Also, fast mehr als der Wein, gehört das Olivenöl zum italienischen Kulturgut, finde ich. Ach was, ich gehe noch weiter, das Olivenöl gehört zum Küchenschatz der Italiener. Außerdem ist Olivenöl ein ungemein wichtiger Gesundheitsbeitrag zur Ernährung, das wird immer noch unterschätzt. Ich bin der Deutschland-Repräsentant des „Consorzio“. Wir haben in Stuttgart begonnen. Gerade sind wir dabei, das Olivenöl in ganz Europa vorzustellen. Es ist einfach sensationell zu sehen, wie durch Technik und Fortschritt – ich war übrigens noch nie gegen Technik – eine Rückverfügbarkeit des Olivenöls stattfindet…
„Lichtjahre von anderen Küchen entfernt“
Was kann man sich vorstellen unter „Rückverfügbarkeit“ des Olivenöls?
Nun, es ist ein System und einmaliger Vorgang, die Herstellung des Olivenöls in einzelne Schritte aufzugliedern, also vom Einsammeln der Oliven, der Beschreibung der Rasse, bis hin zum Konsumenten – wie wird das Öl produziert, wie wird es abgefüllt, welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, und so weiter. Italien ist weltweit die Nummer eins in diesem Bereich und Lichtjahre von anderen Küchen entfernt.
Also von wegen Olivenöl ist gleich Olivenöl?
Hören Sie, es gibt etliche Nuancen. Entscheidend ist aber immer die Qualität der Oliven. Olivenöl bedeutet auch einen geographischen Schatz zu haben. Oliven sind eine Sache von über 1000 Jahren… Oliven wurden nicht aus Syrien, Persien oder sonstwo nach Italien gebracht. Die Oliven gab es in Italien als Grundprodukt schon immer. Die Oliven, das Olivenöl ist neben Wasser das gesündeste Element aller Dinge. (de Santis schwärmt richtig, ganz euphorisch berichtet Sante über das Öl)
Worauf kommt es an, worauf sollten Konsumenten achten?
Jeder sollte sich fragen, wofür brauche ich das Olivenöl? Zum Braten, für Salate?
Aber nicht jeder „Otto Normalverbraucher“ hat doch zwei oder drei verschiedene Olivenöl-Flaschen im Haus…
Eben, das weiß ich, obwohl es besser wäre. Aber man kann darauf achten, dass kalt gepresstes Olivenöl nicht über 120 Grad erhitzt werden soll, denn dann wäre es genauso schädlich, wie wenn man mit Butter hoch erhitzt brutzelt. Natives kalt gepresstes Olivenöl gehört aber in jede Küche, und man soll es sanft verwenden. Mit Olivenöl hat man zudem eine günstige Medizin gegen einige Krankheitsbilder im Haus. Jeden Morgen einen Esslöffel Olivenöl vor dem Frühstück beugt schon Infektionen vor.
Das Olivenöl ist Ihnen wirklich heilig, hören wir heraus…
(lacht) Kann man schon so sagen…ich denke an die Schönheit des Olivenbaums. Ich gehe soweit zu sagen, die Geschichte der Menschen kann man aus den Knoten des Olivenbaums erkennen. Denken Sie doch an die politischen und geographischen Probleme in Italien, aber unsere Küche wird immer leben und von vielen Menschen geschätzt werden.
Was bekommen die Hobbyköche, außer Olivenöl, in Ihrer Kochschule geboten?
Auf alle Fälle nicht nur Kochtipps und Rezepte. Meine Gäste und Hobbyköche wollen genießen und einen netten Abend verbringen. Ich provoziere mitunter, und wir diskutieren über Politik und Philosophie, über das Leben… wie soll ich sagen, wir zelebrieren eine Art „Tischkultur“.
Signor‘ de Santis, vielen Dank für das interessante Gespräch.
Das Interview führte Giovanni Deriu