Spermidin als Jungbrunnen

Spermidin kurbelt Autophagie an

Ein Grazer Forscherteam hat in der
männlichen Samenflüssigkeit hohe Konzentrationen einer Substanz
entdeckt, die das Leben von verschiedenen Zellen und Tieren verlängern
kann. Tobias Eisenberg und Frank Madeo vom Institut für Molekulare
Biowissenschaften der Universität Graz http://www.uni-graz.at haben
herausgefunden, dass das sogenannte Spermidin wie ein Jungbrunnen wirkt.
Insgesamt haben 29 Forscher von elf Universitäten und aus sechs Ländern
an der Studie, die im Wissenschaftsjournal „Nature Cell Biology“
veröffentlicht wird, mitgearbeitet.

„Menschliche Immunzellen, Fliegen, Würmer und Hefe, die in der Forschung
ein beliebtes Alterungsmodell darstellt, werden durch Spermidinzugabe
verjüngt und leben länger“, erklären die Forscher. Die durch freie
Radikale hervorgerufenen Schäden an Proteinen, die ein besonders
wichtiger Alterungsmarker sind, konnten bei Mäusen nachweislich
reduziert werden. „Es könnte sein, dass wir den heiligen Gral der
Altersforschung gefunden haben“, so Studien-Erstautor Eisenberg. Der
natürliche Stoff Spermidin findet sich in allen Körperzellen. Die
Konzentration nimmt aber während des Alterns kontinuierlich ab. Auch die
Fähigkeit des Körpers, geschädigte Proteine oder defekte Mitochondrien
zu entsorgen, verringert sich. Der Prozess der Entsorgung wird in der
Fachsprache Autophagie genannt. Madeo und Eisenberg haben nun entdeckt,
dass von außen hinzugefügtes Spermidin genau diese Autophagie ankurbelt.
„Die Maschinerie läuft nach Spermidinzugabe auf Hochtouren und dieser
Prozess ist der wichtigste Faktor für Langlebigkeit“, so Madeo.

Die Erkenntnisse könnten in Zukunft in der klinischen Forschung
bedeutsam werden. Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson entstehen
nämlich durch Ablagerung von verklumpten Proteinen. „Der altersbedingte
Proteinmüll kann mit der Substanz schneller abgebaut werden“, so Madeo.
Diese Ankurbelung der Autophagie schütze vor Erkrankungen des
Nervensystems, haben verschiedene Tiermodelle gezeigt. „Spermidin kommt
auch in Grapefruits, Weizenkeimen und Sojabohnen vor“, erklärt Madeo.
Zudem sei es einfach den Stoff synthetisch nachzubauen.

„Nebenbei könnten diese Ergebnisse zur Aufklärung einer der spannendsten
Fragen der Altersforschung beitragen“, meint Madeo. „Dabei geht es
darum, warum ein 40-jähriger Mann ein Kind zeugen kann, welches ohne die
40 Jahre dauernde Schädigung des Erbgutes auf die Welt kommt, also
gleichsam die Uhr in den Zellen auf Null zurückgestellt bekommen hat.“
Das scheine trivial, sei aber doch bei genauerer Betrachtung höchst
erstaunlich. „Alle unsere Zellen altern, nur die Spermien nicht. Der
Grund könnte zumindest teilweise in der hohen Konzentration von
Spermidin in der Samenflüssigkeit liegen“, so Madeo. “ Wir bleiben an
der Erforschung dieses Phänomens dran“, erklärt der Forscher
abschließend. Wolfgang Weitlaner

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