Milchwirtschaft in Turbulenzen

Gutes Jahr 2007, schwieriger Start 2008

Von einem guten milchwirtschaftlichen Jahr 2007 berichtete der Vorsitzende des Milchindustrie-Verbandes, Dr. Karl-Heinz Engel, anlässlich einer Pressekonferenz in Berlin. Allerdings sieht er für 2008 „dunkle Wolken am milchwirt-schaftlichen Himmel aufziehen“.

MIV Vorstandsvorsitzender Dr. Engel
In 2007 sind die Umsätze der Molkereien um über 6 % auf 22,3 Mrd. Euro angestiegen. „Dies ist ein Rekordergebnis“, stellt Dr. Engel fest. Ursache hierfür war insbesondere ein gutes Exportergebnis der Milchverarbeiter von fast 5 Mrd. Euro. Die ca. 100 Unternehmen der deutschen Milchindustrie konnten damit das Jahr 2007 positiv abschließen.

Bauern profitierten
Die milcherzeugenden Landwirte waren in vollem Umfang Nutznießer der Entwicklung. Der Milchpreis stieg im Jahres-durchschnitt um 6 Cent je kg auf 33,5 Cent bei 3,7 % Fett und 3,4 % Eiweiß. Das waren 22,5 % mehr als im Jahre 2006. In einzelnen Regionen wurden zeitweise Spitzenpreise von 45 Cent/kg erreicht.

Wende zum Jahreswechsel
So gut wie das Jahr 2007 endete, so schwierig war der Jahresstart 2008. Dies zeichnete sich bereits durch die schlechten Absatz-werte im Dezember ab. Die hohen Verbraucherpreise für Milch und Milcherzeugnisse führten zu einem Verbrauchsrückgang. Schmerzlich traf dies insbesondere den Käsesektor. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Käse ist seit vielen Jahren zum ersten Mal leicht gesunken und erreichte nur noch 22 kg pro Kopf und Jahr (Vorjahr 22,4 kg). Gleichzeitig stieg die deutsche Milchanlieferung im Frühjahr – nicht zuletzt angetrieben durch die hohen Auszahlungspreise – enorm an. Diese zusätzlichen Mengen konnten am rückläufigen Markt nicht untergebracht werden und führten zum Aufbau von Lagerbeständen.

Handel reagierte
Die Preise für Milchprodukte gerieten unter Druck, zunächst bei Magermilchpulver und Blockbutter, später auch bei den Verbraucherprodukten des Kühlregals. Der europäische Lebensmitteleinzelhandel nutzte die Chance des Marktungleich-gewichtes zu Preisreduzierungen. Positiv zu bewerten ist die Verkürzung der Laufzeiten der Kontrakte zwischen Molkereien und Handel von bisher 12 Monaten auf nunmehr 6 Monate. Damit besteht die Möglichkeit, bereits im Herbst 2008 auf eventuell geänderte Marktverhältnisse entsprechend reagieren zu können.

Proteste der Milcherzeuger
Im Sog dieser Entwicklung gingen auch die Milcherzeugerpreise europaweit deutlich zurück. Aktuelle Auszahlungspreise liegen bei 33-34 Cent/kg, mit fallender Tendenz. Bei gleichzeitig gestiegenen Kosten für Energie, Futter etc. geraten die milchproduzierenden Betriebe zunehmend unter wirtschaftlichen Druck. Die in den letzten Wochen durchgeführten Protestaktionen der Milchbauern sind hierfür Ausdruck. Der Milchindustrie-Verband weist allerdings darauf hin, daß Milcherzeuger und Molkereien im Fahrwasser der liberalisierten Märkte stets in einem Boot sitzen. Die seitens der bäuerlichen Berufs-vertretungen durchgeführten und weiterhin geplanten Angriffe gegen die Milchverarbeiter gehen an den Marktrealitäten vorbei und schwächen nachhaltig die gesamte Branche. „Das Gebot der Stunde muss heißen: Kräfte bündeln anstatt Kräfte zersplittern“, so Dr. Engel in seinem Statement.

Keine Hilfe aus Brüssel
Die deutsche Milchindustrie stellt fest, dass derzeit keine direkte Marktförderung der Milch seitens Brüssel besteht. Alle Verarbei-tungsbeihilfen, Ausfuhrstützungen etc. wurden von der EU-Kommission im Jahre 2007 auf „Null“ gesetzt. Obwohl die internationalen Märkte für Standardprodukte wie Butter; Käse und Magermilchpulver deutlich im Preis nachgelassen haben, ist Brüssel nicht bereit, die Marktstützung wieder aufzunehmen. Die Weltmarktpreise haben sich gegenüber Mitte des vergangen Jahres fast halbiert. Seit Sommer letzten Jahres sind z.B. die Preise für Butter auf den internationalen Märkten von 5.000 US$/Tonne auf derzeit 3.200 US$/Tonne abgesackt. Das ungünstige Euro-Dollar-Verhältnis erschwert zusätzlich die Absatzmöglichkeiten auf dem Weltmarkt. Nur durch erhebliche Preiszugeständnisse konnte ein völliger Exportzusammenbruch verhindert werden. Dies führt insbesondere im Butter-Bereich zu einer sehr schlechten Verwertung der Milch.

Reform der Reform
Der Ausstieg aus der Milchmengenregelung im Jahr 2015 ist beschlossene Sache. Der Milchindustrie-Verband verweist auf die eindeutigen Aussagen der EU-Kommission und die Mehrheits-verhältnisse im Ministerrat. Auch der Deutsche Bauernverband (DBV) hat sich für ein Auslaufen der Milchquoten mit flankierenden Übergangsmaßnahmen ausgesprochen. Nun ist es an der EU-Kommission, auch geeignete Schritte hierfür einzuleiten, so der Verbandsvorsitzende.

Kritisch sieht der Verband die Pläne der EU-Kommission zur Reform der Agenda 2003, dem sog. „Health Check“. Insbesondere die Veränderung bei den Beihilfenzahlungen an die Landwirte führt zu Kritik. So würden nach den Plänen der Kommission die Einkommenszahlungen für Großbetriebe um bis zu einem Fünftel gekürzt und umgewandelt werden in allgemeine Fördergelder für den ländlichen Raum. „Diese Mittel fehlen auf den Höfen und da gehört das Geld hin“, so der MIV-Vorsitzende.

Strukturen müssen sich ändern
Sowohl auf Erzeuger- als auch auf Verarbeiterseite gehen die Strukturprozesse weiter. Alle zehn Jahre halbiert sich die Zahl der Milcherzeuger, gleichzeitig ging seit 1998 die Zahl der milchverarbeitenden Unternehmen um über 60% zurück. „Allerdings hinkt Deutschland im europäischen Vergleich hinterher“, so Dr. Engel. Strukturwandel sollte man nicht nur fordern, sondern fördern und aktiv begleiten, so der Milchindustrie-Verband. Gerade auf Verarbeiterseite erfordern Strukturprozesse zunächst hohe Investitionen in die Anpassungen an Markt und Betriebsprozesse. Die Erzeuger müssen auch bereit sein, diesen Weg mitzugehen.

Andere Länder haben diese Entwicklung bereits hinter sich. In Holland und Skandinavien haben sich milchwirtschaftliche Unternehmen bereits auf die kommenden Herausforderungen der Märkte eingestellt. „Wir werden den Schweinezyklus im Milchbereich erleben“, ist sich der MIV-Vorsitzende sicher. „Alle Marktpartner werden lernen müssen, mit den seit 2007 Wirklichkeit gewordenen Marktschwankungen sinnvoll umzugehen und nicht in Aktionismus zu verfallen“, so Dr. Engel weiter.

2008 – Jahr der Entscheidungen
Das Jahr 2008 wird ein Jahr der Entscheidungen, so der MIV-Vorsitzende. Die Beschlüsse des EU-Ministerrates zum Health Check, aber auch eventuelle Entscheidungen zur Welthandelsrunde werden Auswirkungen auf den milchwirtschaftlichen Sektor in Europa haben. Die Marktschwankungen werden sich fortsetzen, wobei das Ausmaß und die Dauer von vielen Faktoren abhängen. Prognosen werden immer schwieriger. Die deutschen Unternehmen positionieren sich derzeit, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden. Weitere Anpassungsmaßnahmen müssen folgen, erfordern aber das Verständnis und die Bereitschaft aller. „Die von der Brüsseler Politik vorgegebene Übergangszeit bis 2015 sollte von Erzeugern und Verarbeitern von Milch gleichermaßen genutzt werden, um sich für die endgültige Liberalisierung fit zu machen“, fordert Dr. Engel.

Der Milchindustrie-Verband e.V. (MIV) repräsentiert mehr als 100 leistungsstarke, mittelständische Unternehmen. Diese stellen mit einem Jahresumsatz von rund 22 Milliarden Euro den größten Bereich der deutschen Ernährungsindustrie dar.

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