Spätestens seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist die schillernde Donaumetropole aus ihrem Dornröschenschlaf erwacht. Obwohl unbestritten eine der schönsten europäischen Hauptstädte, ist Budapest glücklicherweise nach wie vor vom Massentourismus verschont geblieben – vielleicht eine Folge der stilvollen Introvertiertheit dieser Stadt, die jedoch für den aufmerksamen Besucher eine wahre Fülle inspirierender Schätze bereithält.
Den beeindruckenden Zeugnissen seiner wechselvollen Geschichte zum Trotz liegt es Budapest fern, mit neongrellen Superlativen zu punkten. Das genaue Gegenteil ist der Fall: hier wird verschmitzt ein Understatement auf höchstem Niveau gepflegt, wohl wissend um die stete Präsenz einer einzigartigen kreativen Kultur, die Bewohner und Besucher wie selbstverständlich auf Schritt und Tritt begleitet.
Der langen Tradition des gemütlichen und dennoch anspruchsvollen Kaffeetrinkens wird in Ungarn seit jeher gefrönt. Bereits um die vorletzte Jahrhundertwende gab es allein in Budapest über 500 Kaffeehäuser � und damit im Pro-Kopf-Vergleich deutlich mehr als in Paris. Die beliebten Treffpunkte boten allen Gesellschaftsschichten ein zweites Zuhause; Literaten, bildenden Künstlern und politischen Freigeistern waren sie unverzichtbare Anlaufstellen. So trug etwa im Café "Pilvax", einem ehemals beliebten Treffpunkt der revolutionären Jugend, der Dichter Sándor Petõfi am Tag vor dem Ausbruch der Revolution 1848 sein Nationallied vor. Künstlern, die in ihren ärmlichen Behausungen keinen Besuch empfangen konnten, dienten die Kaffeehäuser als mobile Büros.
Viele prominente Dichter schätzten die geräumigen oder kleinen, die hellen oder schummrig-intimen Kaffehäuser je nach Gusto als Orte der Entspannung und Inspiration. So können die Besucher noch heute auf den Spuren von Robert Musil, György Konrád, Klaus Mann oder Hans Christian Andersen wandeln. Auch wenn das Leben im 21. Jahrhundert ein wenig hektischer und technisierter geworden ist, so haben doch viele der heute über 600 Budapester Kaffeehäuser nichts von ihrer ganz eigenen Atmosphäre verloren.
Kultur-Tipps > Kaffehäuser:
Gleich im Corinthia Grand Hotel Royal gelegen, bietet das "Royal Kávéház & Szamos Marcipán Cukrászda“ eine gelungene Auswahl sinnlicher Genüsse für Jung und Alt. Das traditionelle ungarische Kaffee-Geschäft mit Konditorei bietet leichtes Mittagessen, Kuchen, Tees und Kaffees. Viele "Original-Budapester“ kehren hier regelmäßig ein, so auch das Personal des ehemaligen "Grand Hotel“, um mit den "neuen“ Kollegen ein Schwätzchen zu halten. Am Abend wird der Ort lebhafter: DJs der Budapester Szene ziehen mit ihren pulsierenden Rhythmen ein deutlich jüngeres Publikum an.
Im Corinthia Grand Hotel Royal, Erzsébet körút 43-49
Das "Café Gerlóczy" im fünften Bezirk ist bereits ab sieben Uhr geöffnet und hält neben den obligatorischen Kaffeespezialitäten ein reichhaltiges Frühstück bereit. Glaubt man den Erzählungen der Budapester, kann es gut sein, dass der Besucher dort zuweilen Gábor Demszky, den Oberbürgermeister, zu Gesicht bekommt.Neben kleiner Küche, ungarischen Spezialitäten und Grillgerichten erwartet die Gäste eine umfangreiche Dessertkarte. Dienstags bis samstags abends übrigens mit Live-Musik an der Harfe.
Gerlóczy Kávéház, V. Gerlóczy utca 1, Tel: 235 0953, www.gerloczy.hu
In dem im Jahre 1858 gegründeten "Gerbeaud" war schon der Komponist Franz Liszt einer der vielen Stammgäste. Die Konditoren Erik Kugler und Emil Gerbeaud fertigten nicht nur hunderte Sorten von Teegebäck, Zuckerwaren, Bonbons und Kirschwasserbonbons an, sie erfanden auch das bald bei den Budapestern sehr beliebte mitnehmbare Papiertablett. Heute gilt das "Gerbeaud“, das auch Schauplatz in Steven Spielbergs Film "München“ war, als einer der heimlichen Mittelpunkte Budapests, in dem man durchaus auch wochentags auf eine ausgelassene Hochzeitsgesellschaft stoßen kann.
Die FAZ schwärmte: "Das Gerbeaud ist die Konditorei mit der schönsten Jugendstil-Einrichtung, den extravagantesten Zuckerbäckereien und den langsamsten Kellnerinnen von Budapest."
Gerbeaud Haus, Vörösmarty Platz 7, Tel. 4299000, www.gerbeaud.hu
Im Budapester Verlagshaus, zentral an der Andrassi-út gelegen, befindet sich das legendäre "Café New York". Während der Eröffnung im Jahre 1896 warfen die Gäste, allen voran der Schriftsteller Ferenc Molnár, den Schlüssel des Cafés in die Donau, damit dieses Haus immer offen stehe. Das Café New York war Treffpunkt der Crème der ungarischen Literatur- und Kunstszene.
Noch heute atmet das gediegene, mit seinen hohen, freskengeschmückten Decken und den raffinierten Kugelleuchtern ausgestatte Haus den Geist der vorletzten Jahrhundertwende. Und auch wenn das Café New York als eines der ältesten Kaffeehäuser Budapests ein Touristenmagnet ist, so lohnt doch allein des Interieurs und der riesigen baulichen Dimensionen wegen ein Besuch.
Café New York, Lenin körút 9-11
Ein sehr schöner Beitrag über Budapest – nur: der letzte Absatz über das Kaffeehaus New York ist leider überhaupt nicht mehr a jour – das Haus wurde (von Italos) komplett umgebaut und versaniert – und es liegt auch weder am Andrâssy-Boulevard, noch am Lenin-Ring….das Verlagshaus ist auch längst Geschichte….und nach dem russischen Genossen mit der Schiebemütze werden in Ungarn seit 1989 bekanntlich keine öffentlichen Straßen und Plätze mehr benannt….und das ist gut so! Aron G. Papp Budapest