Alm-Sex für treulose Touristen?

In Österreichs Tourismus herrscht teils Krisenstimmung. Wer sich verändert, hat nichts zu befürchten. Er kam überraschend aus dem Hinterhalt und ohne jede Vorwarnung: der Sommer. Besonders heimtückisch: Statt mit Sonne und Hitze suchte er Österreich mit Regen und niedrigen Temperaturen heim. Darauf konnte keiner vorbereitet sein. Doch die heimische Tourismusbranche muss sich trotz dieser Hiobsbotschaften und massiver Einbrüche keine Sorgen machen: Hilfe naht in Gestalt der Österreich Werbung. Deren Chef Arthur Oberascher hat ein „Notvertriebspaket“ geschnürt, um rasch zu helfen. Mitte Juli ist dafür sicher der ideale Zeitpunkt. Aber Ironie beiseite. Österreichs Betreiber von Hotels, Restaurants, Museen und Co. stehen tatsächlich vor Problemen: Die Deutschen Treue-Touristen lassen aus. Jahrzehntelang war auf die guten und vor allem alten Freunde, rein freundschaftlich „Piefkes“ tituliert, Verlass: Sie trotzten Regen und Staus. Sie erholten sich trotz steigender Preise und gleich bleibenden Angebots. Sie kehrten wieder. Doch dann wurde alles anders. Der Tourismus erlebte das Phänomen Globalisierung als erster Industriezweig: Dank sinkender Transportkosten und Lohnnebenkosten vor Ort waren Ferien in der Dominikanischen Republik plötzlich viel günstiger als solche am Wörther See. Und damit dies auch wirklich jeder (Sommer-)Urlauber kapierte, wurde das Prinzip Vollpension vollendet: Die pauschale Zahlung für alle Leistungen – „all inclusive“ – feiert seit mehr als zehn Jahren ihren Siegeszug. Eine ganze Generation junger Reisender wählte für Österreich ab sofort einen Umweg. Nun ist junger Rat teuer: Wie die Jungen ansprechen? Mit Alpen-Parties? Oder doch das Angebot Extremsportarten auf jeder Alm? Der tägliche Rave beim Wirt? Sex in den Alpen? Eine gute Mischung würde schon ausreichen. Wichtig wären da etwa gute Hotel-Angebote in mittlerer Preisklasse, am unteren und oberen Ende der Skala gibt es zwar eine breite Auswahl, wirklich preiswerte Übernachtungen, ohne sich an Stockbett-Ferienlager erinnert zu fühlen, aber kaum. Hilfreich sind auch singuläre werbewirksame Großveranstaltungen und ein treffsicheres Nachtleben. Dabei aber Vorsicht: Der Ballermann hat den Sangria-Strohhalm längst abgegeben. Und vielleicht könnte man dann auch noch ganz neue Wege für die Tourismus-Werbung angehen. Das Genuss-Land Österreich wird derzeit vor allem nur in Österreich propagiert: Dass es hierzulande Speck, Räucherfisch und vor allem Weißweine gibt, die die Vorzeigeprodukte südlicher Nachbarn ausstechen, wissen die meisten Österreicher aber schon ganz gut. Das Unangenehme an der Situation ist die Unberechenbarkeit der Touristen: Immer häufiger fällt die Entscheidung knapp vor Urlaubsantritt, je nach Laune wird Sport-, Stadt-, Party- Wellness- oder Badeurlaub gebucht. Auf letzteren sollten die heimischen Touristiker am besten gar nicht mehr zählen: Die Klage über schlechtes Wetter wird durch Häufigkeit auch nicht rührender.

Mit dieser neuen Spontanität hängt eine weitere tiefgreifende Veränderung der Tourismusbranche zusammen, die in den kommenden zehn Jahren zu beobachten sein wird: Klassische Reisebüros werden aussterben. Um eine Pauschalreise „zwei Wochen Halbpension auf griechischer Insel“ zu buchen, benötigt man weder Beratung noch Büro, nach Durchsicht des gedruckten oder virtuellen Katalogs reicht ein Mail oder ein Anruf. Apropos Internet: Das verhilft derzeit bestimmten europäischen Städten wie Wien zu vergleichsweise schönen Zuwachsraten. Planten wir früher über das Wochenende einen kleinen Ausflug aufs Land, bereiten wir uns jetzt auf den Städteflug vor: Dank zahlreicher Billig-Airlines fliegt man in Städte, die man manchmal gar nie besuchen wollte, und zahlt dafür einen Preis, der häufig unter jenem für die Taxifahrt vom Flughafen ins Hotel liegt. Und da beim Flug so „gespart“ wurde, bleibt mehr Geld für Hotel und Verköstigung. Wien profitiert von diesem Trend ebenso wie von der Reisefreudigkeit vieler arabischer Touristen. Wie rasch sich Tourismus dadurch verändern kann, beweist die Verschiebung so genannter Wien-Attraktionen: Während so mancher Wiener Heurige vergeblich auf Touristenbusse wartet (und daher über Wetter und Co. jammert), wird der Naschmarkt täglich und allabendlich von Individualreisenden gestürmt. Während im Prater Tristesse herrscht, staunen Wien-Besucher am Rathausplatz über die Partystimmung bei klassischer Musik. Und das ist die eigentliche, leider anstrengende Strategie für die neuen Lebensgewohnheiten von (jungen) Touristen: ständige Veränderung. (Quelle: www.tourismuspresse.at

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