Der WWF fordert eine radikale Umkehr in der globalen
Fischereipolitik. Anlass sind die alarmierenden Zahlen des
Weltfischerei-Reports, der heute in Rom von der
Welternährungsorganisation FAO der Vereinten Nationen vorgestellt
wird. Demnach sind bereits 77 Prozent der weltweiten Fischbestände
überfischt oder bis an ihre Grenzen ausgebeutet. Der Nordostatlantik
und damit auch die Nordsee zählen zu den am stärksten überfischten
Regionen der Weltmeere. „Wir müssen die Plünderung der Ozeane
stoppen. Der UN-Report macht deutlich, dass die von Politik und
Wirtschaft versprochene Trendwende ausgeblieben ist. Die Zeit zum
Umsteuern wird immer knapper. Wenn die Menschheit so weiter macht,
könnten die globalen Fischbestände bis Mitte des Jahrhunderts
komplett zusammenbrechen“, so WWF-Fischereiexpertin Heike Vesper.
Jedes Jahr werden 86 Millionen Tonnen Fisch aus den Meeren
gefangen. Zu den am stärksten bedrohten Arten zählen laut dem
FAO-Report Riesenhaie, Kabeljau, Seehecht, Granatbarsch und Roter
Tunfisch. Bis zu zwei Drittel ihrer Bestände seien überfischt oder
bereits zusammengebrochen. Besonders auf Hoher See seien viele Arten
massiv gefährdet. Im letzten Jahr hatte eine WWF-Studie das
weitgehende Versagen der internationalen Fischereiabkommen
nachgewiesen, die die Fischerei außerhalb der nationalen 200
Seemeilen-Zonen regeln. Viele Staaten halten sich nicht an die
vereinbarten Fangquoten.
Die Zahl der nur moderat ausgebeuteten Fischbestände ist laut FAO
seit den 1970er Jahren bis heute von 40 auf 23 Prozent gesunken.
„Unser Guthabenkonto wird immer kleiner“, so Vesper. „Die weltweite
Fischerei ist ein Kollaps-Programm. Vielen Fischereien droht in
absehbarer Zeit das Aus. Trotzdem verhalten wir uns noch immer so,
als seien die Ozeane ein Selbstbedienungsladen mit unbegrenztem
Angebot.“ Angesichts der massiven Überfischung sei es ein Skandal,
dass der Ausbau der Fangflotten jedes Jahr mit 11 Milliarden Euro
subventioniert werde.
Fischzuchten decken laut der FAO heute bereits 43 Prozent des
menschlichen Fischkonsums. „Die rasant wachsenden Aquakulturen sind
kein Königsweg aus der Fischereikrise“, mahnt jedoch WWF-Sprecherin
Vesper. Oftmals wird das Problem nur verschoben, denn auch der
Zuchtfisch muss mit wild gefangenem Fisch oder Fischmehl gefüttert
werden.
Zur Lösung der Fischereikrise sei es aber noch nicht zu spät,
betont der WWF. „Politik und Fischereilobby müssen endlich aufhören,
an dem Ast zu sägen, auf dem sie sitzen“, so Vesper. Viele
Fischereien müssen die Fangmengen deutlich reduzieren oder den Fang
so lange einstellen, bis sich die Bestände erholen. Das gilt zum
Beispiel für den Roten Tunfisch im Mittelmeer oder den Kabeljau in
der Nordsee. „Gesunde Fischbestände sichern langfristig die
Arbeitsplätze der Fischerei“, erläutert die WWF-Expertin.
Der WWF fordert, mindestens zehn Prozent der Meere unter Schutz zu
stellen. Zudem müssten umweltverträglichere Fangmethoden eingeführt
werden. Große Hoffnungen setzen die Umweltschützer in das blaue
Siegel des „Marine Stewardship Council“ (MSC). Es garantiert, dass
nicht mehr Fisch gefangen wird, als nachwächst. Immerhin vier Prozent
des Weltfischfangs trägt bereits das Öko-Zertifikat – Tendenz
steigend.
Damit auch Verbraucher die richtige Wahl treffen, hat der WWF
seine Kaufempfehlungen in einem Fischführer für die Brieftasche
zusammen gefasst. Er kann unter www.wwf.de/fisch im Internet herunter
geladen oder direkt beim WWF bestellt werden (WWF, Kennwort:
Fischführer, Rebstöcker-Str. 55, 60326 Frankfurt).