Kaugummi gegen Fettsucht

Natürliches Hormon als Appetitzügler

Es klingt fast unglaublich, was Forscher
um Steve Bloom vom Londoner Imperial College in einem natürlich
vorkommenden Hormon entdeckt haben: Das pankreatische Polypeptid (PP),
das der Körper herstellt, wenn das Signal zum Sattsein gesetzt wird,
soll künstlich hergestellt und verabreicht werden. Damit soll der
drohenden Volkskrankheit Fettsucht entgegen gewirkt werden, berichtet
das Imperial College http://www3.imperial.ac.uk . Der Wellcome Trust
fördert das ehrgeizige Projekt, da allein in Großbritannien jährlich
30.000 Menschen an den Folgen von Fettleibigkeit sterben.

Die meisten der bisher angebotenen Medikamente hätten sich in der Praxis
bisher kaum bewährt, meinte Ted Bianco, Technologie-Transfer-Direktor
beim Wellcome-Trust. Er glaube, dass die Erfindung Blooms eine echte
Alternative dazu wäre. Bloom hatte mit seinem Forscherteam erst vor
kurzem jenes Hormon entdeckt, das den Appetit kontrolliert. Es agiert
als Neurotransmitter, um dem Hirn sozusagen die Botschaft der Sättigung
mitzuteilen. Bekannt war bereits, dass das PP als gastrointestinales
Hormon, die Enzym- und Hydrogencarbonat-Produktion der
Bauchspeicheldrüse, die Motilität des Darms und den Gallefluss hemmt. Im
Auge hat das Forscherteam nun aber eine gezielte Verabreichung des
Hormons, um dem Hunger den Kampf anzusagen.

„Eine Behandlung, die auf der natürlichen Appetitunterdrückung basiert,
hat das Potenzial zu einer sicheren und effektiven Anwendung“, erklärt
Bloom. Tatsächlich war dem Forscher aufgefallen, dass manche Menschen
mehr von diesem Hormon ausschütten als andere. Tests an 35 leicht
übergewichtigen Probanden haben gezeigt, dass eine Behandlung durchaus
sinnvoll war. Jene Testgruppe, die das Hormon verabreicht bekam, nahm
zwischen 15 und 25 Prozent weniger Nahrung zu sich. Getestet hatten die
Mediziner dies bei einem „All-You-Can-Eat“-Buffet. Die Testgruppe, die
nur ein Placebo erhielt, zeigte keine Veränderung bei seinen
Essgewohnheiten.

Der einzige Wermutstropfen ist derzeit allerdings die Aufnahme des
Hormons. Es kann derzeit nämlich nur injiziert werden. Zu allem
Überfluss müsste diese Injektion täglich verabreicht werden. Darum
sollen die 3,3 Mio. Euro Forschungsgeld des Wellcome Trust auch dazu
verwendet werden, eine andere Art der Gabe zu erforschen. Denkbar wäre
etwa ein Kaugummi oder auch ein Nasenspray. „Der Kaugummi wäre ideal, da
wir wissen, dass Fettleibige gerne kauen“, so Bloom.

Erstmals festgestellt hat der Forscher die Wirkung von PP bei einer
Patientengruppe, die an einem bestimmten Bauchspeicherdrüsentumor litt,
bei dem mehr von dem Hormon produziert wird. „Ihre Körper blieben sehr
lange Zeit hinweg immer schlank. Offensichtlich zeigt das Hormon
keinerlei Nebenwirkungen“, subsumiert der Wissenschaftler, der davon
ausgeht, dass im Falle einer Anwendung Fettleibige mindestens fünf bis
zehn Prozent weniger Nahrung zu sich nehmen würden. Bis es zu einem
fertigen und zugelassenem Medikament kommen wird, werden aber noch
mindestens fünf bis acht Jahre vergehen. Angesichts der tristen Lage bei
der Zunahme der Fettleibigkeit – derzeit ist bereits jeder Fünfte
fettleibig, bis 2010 wird es jeder Dritte sein – ist Eile allerdings
angesagt. Darüber sind sich die Forscher auch einig. Wolfgang Weitlaner

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