OLG Köln: Bezeichnung „Gen-Milch“ für Müller-Milch rechtmäßig
In einem heute verkündeten Urteil hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln (Aktenzeichen 15 U 110/06) unter dem Vorsitz von Dr. Axel Jährig die Unterlassungs- und Feststellungsklage der Unternehmensgruppe Theo Müller GmbH + Co. KG abgewiesen. Diese wollte Greenpeace verbieten lassen, die von ihrem Konzern unter verschiedenen Marken vertriebenen Milch- und Molkereiprodukte als „Gen-Milch“ zu bezeichnen.
Die zum Müller-Konzern gehörenden Unternehmen verarbeiten in ihren Produkten Milch von Kühen, die auch gentechnisch veränderte Futtermittel, insbesondere gentechnisch veränderten Mais erhalten. Darauf hatte die Umweltorganisation Greenpeace in verschiedenen Kampagnen sowie in einem „Einkaufsratgeber“ hingewiesen, um den Verbraucher auf eine nach ihrer Auffassung bestehende Informationslücke aufmerksam zu machen. Die seit Mitte April 2004 in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft getretene EU-Verordnung zur Kennzeichnung, Zulassung und RückVerfolgbarkeit gentechnisch veränderter Lebens- und Futtermittel sieht nämlich keine Pflicht zur Kennzeichnung tierischer Produkte, wie beispielsweise Fleisch, Milch und Eier vor, deren Erzeugertiere gentechnisch verändertes Futter erhalten haben. Der Milch-Konzern hatte im Wesentlichen dahin argumentiert, der Verbraucher verbinde mit dem Begriff „Gen-Milch“, auch bei Verwendung des Zusatzes „Mit genmanipuliertem Tierfutter hergestellt,“ die verwendete Milch selbst sei gentechnisch verändert oder enthalte Partikel der gentechnisch veränderten Futtermittel.
Der Senat hat in seiner Urteilsbegründung – ähnlich wie schon in zwei vorangegangenen Verfahren – ausgeführt, bei der Verwendung des Begriffs „Gen-Milch“ im Rahmen von „Greenpeace“-Kampagnen handele es sich um Äußerungen, die durch die nach Art. 5 des Grundgesetzes geschützte Meinungsfreiheit gedeckt seien. Der Begriff „Gen-Milch“ sei ohne nähere Erläuterung substanzarm; erst im Kontext der Äußerungen ergebe sich, welche Tatsachenbehauptungen Greenpeace aufgestellt habe. Soweit sich aus dem Zusammenhang die Behauptung ergebe, die Produkte der Müller-Gruppe seien aus Milch hergestellt, die aus der Produktion mit gentechnisch veränderten Futtermitteln stamme, sei dies zutreffend.
Dies gelte erst recht, soweit der Begriff „Gen-Milch“ mit dem Zusatz versehen ist „Mit genmanipuliertem Tierfutter hergestellt“. Auf anderslautende Umfrageergebnisse, wonach der Begriff „Gen-Milch“ den Eindruck erwecke, die Milch selbst sei gentechnisch verändert, könne es nicht ankommen. Die Umfragen bezögen sich lediglich auf die inhaltsarme „Überschrift“, blendeten aber den Kontext aus, aus dem sich erst der Sinn des Begriffs und der Kampagne ergebe. Wenn sich dann befragte Bevölkerungsteile „auf einen komplexen, neu geschaffenen Begriff nicht zutreffende Tatsachen – zudem im Rahmen vorgegebener Antworten – gereimt haben,“ komme es auf die Umfrageergebnisse nicht an.
Die der Meinungsäußerungsfreiheit gezogenen Grenzen seien nicht überschritten; die Äußerungen und Kampagnen von Greenpeace dienten nicht eigennützigen Zielen, sondern sollten einen „Beitrag zum Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage“ leisten.
Der Senat hat im Übrigen nicht entscheidend auf den Stand der Wissenschaft in der Frage abgestellt, ob sich ein Übertrag gentechnisch veränderten Materials aus dem Futter in die Milch belegen lässt. Die Geschichte der Wissenschaft wie etwa das Beispiel Galileis zeige, dass sich mit der Zeit neue und bessere Erkenntnismöglichkeiten mit neuen Ergebnissen einstellen könnten. Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit Widerruf und Unterlassung von Tatsachenbehauptungen sollten nicht als Austragungsort wissenschaftlicher Erkenntnismöglichkeiten, der Feststellung ihres Meinungsstandes und dessen Bewertung dienen müssen.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln v. 19.12.2006
via Kanzlei Dr. Bahr