Übergewicht: Alle sind verantwortlich

Die Deutschen essen in den letzten Jahren tendenziell mehr Obst
und Gemüse. Der Zuckerkonsum stagniert schon seit Jahrzehnten. Wir
nehmen weniger Kalorien aus Fett zu uns, und Studien zeigen, dass
Schlanke mehr Süßigkeiten und Schokolade essen als Übergewichtige.
Und trotzdem gibt es immer mehr dicke Kinder und Erwachsene! Experten
und Wissenschaftler sind sich einig, dass Ernährungsaufklärung und
Motivation zu mehr Bewegung nicht ausreichen, um Übergewicht
vorzubeugen.

„In der sozial schwächsten Gruppe sind im Vergleich zur sozial
stärksten Gruppe doppelt so viele Kinder übergewichtig. Und oft
stellt der soziale Status auch eine Barriere für
Interventionsmaßnahmen dar. Was bei Kindern aus sozial gut gestellten
Familien erfolgreich ist, führt in sozial schwachen Familie eher zum
Gegenteil“, fasst Professor Manfred J. Müller vom Institut für
Humanernährung und Lebensmittelkunde an der Universität Kiel die
Zwischenergebnisse einer Langzeitstudie(Kieler Adipositas
Präventionsstudie [Kiel Obesity Prevention Study KOPS]) zusammen.
Seit 1996 untersucht er die Einflussfaktoren auf die Entstehung von
Übergewicht an über 11.500 Kieler Kindern.

Fachdisziplinübergreifende Expertengremien sehen derzeit sieben
Bereiche, die für die Entstehung von Übergewicht verantwortlich sind
und bei denen Maßnahmen und Programme ansetzen bzw. auf die sie
Rücksicht nehmen müssen:
– soziales Umfeld
– Bildung
– Bewegung
– Lebensstil während der Schwangerschaft
– Ernährung
– genetische Veranlagung
– Geschlecht

Sozialen Faktoren wie der Bildung und auch dem Geschlecht kommt
dabei eine wichtigere Rolle zu, als bisher angenommen. Das zeigen
sowohl die ersten Ergebnisse der Kieler Studie als auch die des
aktuellen Kinder- und Jugendgesundheitssurveys KIGGS.

Professor Müller fordert daher einen gemeinsamen Kraftakt aller
gesellschaftlichen Gruppen. Es sei wichtig und richtig, das Ess- und
Bewegungsverhalten schon bei Kindern positiv zu beeinflussen – das
allein reiche aber nicht aus. Professor Müller weiter: „Jeder
Einzelne in seiner Rolle als Verwandter, Partner, Freund, Nachbar,
Bürger, Politiker muss Verantwortung übernehmen und handeln.“ Ziel
der Politik müsse es sein, soziale Unterschiede in der Gesellschaft
anzugehen. Dass das ein richtiger Weg ist, zeigt auch der Blick über
die Grenzen: In Ländern mit geringeren Unterschieden zwischen den
sozialen Gruppen (z. B. in Schweden) gibt es weniger Übergewichtige
als in Ländern mit größerem sozialen Gefälle. Darüber hinaus sei
gesellschaftliches Engagement und Teilnahme jedes Einzelnen gefragt,
um Kinder in ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Selbstachtung zu
stärken und ihnen soziale Kompetenzen zu vermitteln.

Ein wichtiger Schritt erfolgte bereits auf der Ebene
gesellschaftlicher Kräfte. Mit der Plattform Ernährung und Bewegung
e.V. (peb) gibt es seit Ende 2004 ein in Europa bislang einzigartiges
Netzwerk, das sich der Vorbeugung gegen Übergewicht bei Kindern und
Jugendlichen widmet. Peb ist eine Initiative von Politik,
Wissenschaft, Verbänden und Wirtschaft, deren zentrale Aufgabe darin
besteht, einen gesunden Lebensstil zu fördern. Die Plattform
initiiert Projekte und Aktionen, bei denen es um ausgewogene
Ernährung und ausreichend Bewegung geht, in die aber auch das
Genießen und Entspannen einbezogen sind.

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