Nicht nur Weinfachleute wissen: Der Bernkasteler Doctor ist etwas ganz Besonderes. Wie kein anderer hat der weltberühmte Weinberg in Berkastel an der Mosel Weingeschichte geschrieben. Gerade fand ein neues Kapitel seinen Abschluss. Zehn Jahre lang dürfen die Traditionsbetriebe Weingüter Wegeler und Müller-Burggraeff neben ihrem angestammten Besitz im Doctor-Weinberg jeweils noch eine weitere Parzelle im Doctor bewirtschaften. Die heißbegehrten Filetstückchen gehören der örtlichen Heilig-Geist-Stiftung und waren zur Pacht ausgeschrieben. So ging ein mit 880 Rebstöcken besetztes Areal, das 1162 m2 misst, für EUR 5,50 pro Quadratmeter und Jahr jetzt an die Wegelers. Die Parzelle, die den Müller-Burggraeffs zugesprochen wurde, umfasst 1450 m2 und schlägt mit EUR 5,30 pro Quadratmeter und Jahr für das Weingut zu Buche.
Erfahrung und langjähriges Engagement siegen über Kommerz und kühne Träume
Einhundert Reichsmark zahlten die Weingüter Wegeler bereits vor über 100 Jahren für einen Weinstock im Doctor-Berg. Das ist die bis heute teuerste Transaktion in Sachen Reben in der deutschen Weingeschichte. Heute halten drei Familien die weltberühmte Weinbergslage Bernkasteler Doctor. Seit über 100 Jahren sind die Wegelers und die Müller-Burggraeffs gemeinsam mit der Familie Thanisch im Doctor aktiv. Zu ihrer Freude hat sich der 13-köpfige Stiftungsrat bei der gerade erfolgten Parzellen-Vergabe ganz bewusst für zwei etablierte Bieter aus Bernkastel entschieden. Den Zuschlag erhielten das Weingut Müller-Burggraef und die Weingüter Wegeler. Beide Betriebe wurden unter den
Letzt-Bietenden in geheimer Abstimmung ausgewählt. Auch Winzer aus benachbarten Regionen, die mit Hilfe ausländischer Geldgeber weitaus mehr Geld auf den Tisch gelegt hätten, waren unter den Interessenten. Doch wie die aktuelle Entscheidung zeigt, haben hier die Erfahrung und das Engagement der Etablierten über den reinen Kommerz gesiegt. Alle drei Familien haben viel für das Image und den Bestand des Spitzen-Weinbergs getan und ihn aus allen Skandalen heraus gehalten. Als Botschafter für die Mosel und ihre Weine sind sie weltweit unterwegs. Das kostet mehr als körperlichen Einsatz. Und das kommt jetzt zurück. Die Freude über den Zuschlag ist groß und zeigt den Beteiligten, dass die Investitionen, die sie in die Imagepflege und die Vermarktung ihrer Weinberge stecken, gewürdigt und gefördert werden.
Als Ergebnis des Engagements der Doctor-Winzer kann die Heilig-Geist-Stiftung bis zum heutigen Tag Pachterlöse erzielen, die ein Vielfaches über dem Durchschnitt der Erlöse im übrigen Moseltal liegen. Somit profitieren auch die von der Stiftung Bedachten langfristig von den Aktivitäten der erprobten Bewirtschafter des Doctor-Bergs. Und das selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten in denen auch Top-Weine nur mit großen Anstrengungen ihren Absatz auf dem Weltmarkt finden.
Bis heute ist der Bernkasteler Doctor führend unter den Moselweinen und kommt immer dann auf die Agenda und ins Glas, wenn im internationalen Vergleich nach Spitzenprodukten gefragt wird. Erst kürzlich hob die Zeitschrift „Decanter“, die Bibel unter den Fach-Publikationen, eine Spätlese aus dem Hause Wegeler mit Höchstbewertungen aufs Siegertreppchen. Beim renommierten „Wine Spectator“ in New York war ein Doctor-Wein aus dem Jahrgang 2003 als einziger Moselwein unter den Top Ten Deutschlands. Und vor wenigen Tagen kürte der Weinführer Gault Millau eine 2005er Doctor Trockenbeerenauslese der Weingüter Wegeler mit 99 Punkten zu den Top Ten Weinen Deutschlands.
Die Gründe für die hervorragende Qualität der Weinlegende von der Mosel lassen sich auf mehrere Faktoren zurückführen. Durch seine bevorzugte Südwestlage mit einer Hangneigung von 35 bis 45 Grad ist der Doctorberg regelmäßig einer ganztägigen Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Im Osten und im Norden bieten Wälder Schutz vor kalten Winden. Im Süden reflektiert die Mosel die Sonnenstrahlen und wirft sie direkt in den Weinberg zurück. Der Schieferverwitterungsboden wirkt wie ein Wärmespeicher, der schnelles Wachstum fördert und sich nur langsam wieder abkühlt. Und schließlich tun die Schieferdächer von Bernkastel gute Dienste. Sie halten die Wärme auf natürliche Weise fest und verringern die Abkühlung in der Nacht.
Nicht erst in unseren Tagen wurde den Doctorweinen große Ehren zuteil. Im Jahre 1892 bestellte das englische Königshaus erstmals. Diese Order löste weitere Nachfrage in der englischen Hofgesellschaft aus. Als 1907 der Lord Mayor aus London Kaiser Wilhelm II. zum Festmahl in die Guildhall einlud, wurde als besondere Köstlichkeit eine „Berncasteler Doctor Auslese“ gereicht. Auch in den USA, wo man im Weingeschmack dem englischen Beispiel folgte, stieg die Nachfrage. Wiederholt spielte der berühmte Moselaner später dann auch unter deutschen Politikern eine ganz spezielle Rolle, zum Beispiel wenn es galt, die Kommunikation zu verbessern. So nahm Konrad Adenauer zu seinem Staatsbesuch bei Präsident Eisenhower ein paar Flaschen Doctor mit. Und schließlich ist auch die jüngste Weingeschichte voll des Lobes, was den Doctorwein betrifft. Einer der ganz großen Doctor-Fans ist Michael Broadbent, lange Jahre Weinauktionator bei Christie’s in London.