Gault Millau 2007 – Bayern

Lamm mit Radieschen und Melone

Fabian Feldmann in Heroldsberg bei Nürnberg und Cosimo Ruggiero in München kochen groß auf im neuen Gault Millau – Drei Starköche bekommen eins auf die Kochmütze: Hans Haas, Alexander Hermann und Christian Jürgens – Denix Feix in Bad Griesbach ist „Entdeckung des Jahres“, Sonja Fischer in Lindau „Oberkellner des Jahres“

Fabian Feldmann vom „Gastronomique im Schwarzen Adler“ in Heroldsberg und Cosimo Ruggiero von „Hippocampus“ in München sind für die französische Gourmet-Bibel Gault Millau die kulinarischen Aufsteiger des Jahres in Bayern. In die Phalanx der 30 besten Köche des Freistaats kochten sich erstmals Denis Feix vom Il Giardino in Bad Griesbach und Ulrich Heimann vom „Le Ciel“ in Berchtesgaden. Harsche Kritik übt die jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2007 an den Starköchen Hans Haas vom Münchner „Tantris“, der die Höchstnote verlor, sowie Alexander Hermann aus Wirsberg und Christian Jürgens aus Wernberg-Köblitz, deren dritte Kochmütze kassiert wurde.

Bei Feldmann loben die Kritiker: „Durch bewusste Würzung bekommen harmlos scheinende Gerichte ungeahnte Dimensionen. Lang am Gaumen verharrende Aromenvielfalt. bietet Tatar von Langustinen mit feiner Creme von kandiertem Ingwer, Gelee von grünem Tee, Salat von Senfkraut und Sesamkräcker.“

Ruggiero beeindruckte, weil „er schnörkellos das Urtümliche des ländlichen und die Leichtigkeit des modernen Italiens zu einer zeitgemäßen Küche ohne jede Modetorheit vereint. Allein dafür, dass er kein Rucola, Balsamico und Zitronengras auf der Karte hat und dass es keine Schäumchensaucen, Ministrauchtomaten und Tropfen von Balsamico oder grünem Öl als vermeintlich dekorative Elemente auf
seinen Tellern gibt, verdiente er es, zum Italiener des Jahrzehnts gekürt zu werden“.

Beide bekamen vom Gault Millau, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, 17 von 20 möglichen Punkten. Sie stehen für „höchste Kreativität und Qualität”. Eine höhere Note verdienen nach dem Geschmack der Franzosen nur 4 Köche in Bayern und weitere 28 Köche im Rest der Republik.

Als „Entdeckung des Jahres“ serviert der Guide Denis Feix, der im niederbayerischen Bad Griesbach erstmals selbständig aufkocht und aus der Dortmunder Brigade des 19-Punkte-Kochs Thomas Bühner kam. „Seine gebackenen Froschschenkel auf Kartoffelmousseline bekommen durch gebratene Scheibchen vom jungen Knoblauch die rechte und durch Portweinjus eine feine Würze. Vorzüglich der Rücken eines irischen Lamms mit dem interessanten Aromendialog von Radieschen und Charentais-Melone. Danach platzen Schokoladentropfen à la mode im Munde,“ begeisterten sich die Kritiker und gaben 16. Punkte.

Auf die gleiche Bewertung steigerte sich Ulrich Heimann, weil er „gewitzt Edelprodukte mit Hausmannsköstlichem konfrontierte – Steinbutt mit Schmorgurken, Hummer mit Königsberger Klops und Kapern (zum Niederknien!), Berchtesgadener Lachsforelle auf von Minze erfrischtem Erbspüree mit Trevisiano-Raviolo, Eisenkrautsauce und Aprikosen. Auch die Kombination von toskanischem Tomaten/Brot-Salat und Gelbschwanzmakrele ist rundum beglückend“.

Die spektakuläre Abwertung der drei Starköche Haas, Hermann und Jürgens begründen die Tester sehr unterschiedlich. Bei Haas maulen sie: „Im Baguette gebratenen Kalbskopf, lauwarmen Lachs mit Nussbutter, gebratene Gänseleber mit Balsamicokirschen, geschmorte Rindsbackerl mit Lauchpüree sowie Sauerrahmsoufflé könnten wir in diesem Jahr zumeist zum fünften, mindestens zum dritten Mal hintereinander zu unseren Tantris-Lieblingsgerichten küren, aber sie bleiben deshalb im bundesweiten kulinarischen Wettbewerb nicht ewig 19 Punkte wert. Gewiss, das Haas-Dreierlei von Lachs (Brandade, geräuchert, gebeizt) und die Langustine auf viererlei Gartentomate ist sicherlich in Deutschland nicht übertroffen, aber deswegen noch kein geschmacklicher Beweis für Weltklasse, die im 19-Punkte-Restaurant erwartet wird. Wir müssen leider auch mal auf das schnöde Mammon zu sprechen kommen. Wenn Haas aufgrund der Einkaufsmöglichkeiten oder aus Sparzwang nicht das Edelste auftischt, was rechtfertigt dann die edlen, um nicht zu sagen sehr happigen Preise des Tantris?“

Bei Hermann werden „aufwändige Teller-Arrangements in der Kunstrichtung alte Meister“ bekrittelt: „Die flambierten Jacobsmuscheln mit eingelegtem Gemüse sind umwickelt mit Speck, umhüllt mit Schnittlauch und mit Tupfern von Sauerampferjoghurt umrahmt, aber geschmacklich langweilig. Ähnlich die gebratene Taubenbrust mit Gänseleber. Die Crème brûlée erscheint in ihrer Konsistenz wie eine verdichtete Frischkäsecrème, die ihre Lagerung im Kühlschrank nicht verleugnet.“

Jürgens werfen die Kritiker vor, dass man „den Aromenwald vor lauter Schäumchensaucen nicht sieht“ und er „zu komplizierte Zubereitung bietet. Typisch die Stubenkükenbrust auf Steinpilzen mit schaumigem Steinpilz-Kalbsfond und angelegten Parmaschinkenscheiben und daneben platziertem runden, frittierten Kartoffelturm, der auf einer Zucchinischeibe steht, mit Kartoffelmouseline, Tomatenragout und Zwiebelconfit gefüllt ist und obenauf ein Kartoffelgitter hat, auf dem ein Kükenkeulchen thront.“ Lapidar wird dazu angemerkt: Je mehr man macht, desto mehr kann schief gehen.

Auf Platz 1 der kulinarischen Hitparade des Gault Millau in Bayern blieb mit 19 Punkten Heinz Winkler von der „Residenz Heinz Winkler“ in Aschau (Chiemgau). Der „Großmeister der europäischen Klassik fasziniert stets aufs neue mit seinen sensationellen Saucen“. Sein „selbstgewisser Purismus, (fast) immer weit mehr hält, als seine wortkarge Karte verspricht“, beeindruckte „beim Petersilienschaum mit Austern in Zitronengras, bei Langustinen auf Wirsing mit roter Butter oder bei glasig gegarten Saiblingsstreifen in Schnittlauchsauce, denen etwas Gemüsejulienne und ein paar Flusskrebsschwänze genügten, um maximalen Effekt zu erzielen.“

Der Kochkönig des Freistaats hat 2 Kronprinzen, die ihre 18 Punkte aus dem Vorjahr verteidigten.
Martin Fauster vom „Königshof“ in München imponierte, „weil er durchweg die besten Produkte hat und die in jedem Sinne geschmackvollste Antwort auf die Frage gibt: Was versteht man heute unter Luxus? Die größten Aha-Erlebnisse waren die Brotsuppe und gefüllter Entenhals der klassischen französischen Art, bereichert um Herz und Leber.“ Ingo Holland vom „Alten Rentamt“ in Klingenberg am Main verblüffte durch „eigenwillige Aromen und Düfte, die jedes Gericht spannender machen, wie Zimtblüten-Schokolade, Buschsalz, geröstete thailändische Chili-Paste oder Süßholzbutter. Hinreißend der Steinbutt mit Austerncrème auf lauwarmem Kalbskopf und Liebstöckel oder die Bröckchen (Crumble) von Vanillestreuseln, Gartenhimbeeren, Hibiskussalz und Kakaokrokant-Eis.“

Dass in Bayern nicht nur vortrefflich gekocht, sondern auch gastfreundlich bewirtet wird, demonstriert die Ehrung Sonja Fischers vom „Villino“ in Lindau als „Oberkellner des Jahres“ in Deutschland: „Sie strahlt, als sei es der schönste Job der Welt, Gäste zu verwöhnen. Und geht auf jeden Gast mit so viel Herzlichkeit zu, als würde sie von seiner Anwesenheit ganz besonders beglückt.“

Die Tester beschrieben und bewerteten dieses Jahr insgesamt 148 Restaurants in Bayern. 127 Küchenchefs zeichneten sie mit einer oder mehreren Kochmützen aus, wofür die Künstler am Herd mindestens 13 von 20 möglichen Punkten erreichen mussten, was einem Michelin-Stern nahe kommt. Das schafften außer dem „Il Giardino“ in Bad Griesbach auch die erstmals bewerteten Küchen der Restaurants „Zur Grenze“ in Maierhöfen (Westallgäu), „Dallmayr“ in München (beide 14 Punkte) sowie „Haupt“ in Augsburg, „Nymphenburger Hof“ in München und „Alpenhof“ in Übersee/Chiemgau (alle 13 Punkte)

Im Vergleich zur Vorjahrsausgabe servierte der wegen seiner strengen Urteile und deren zuweilen sarkastischer Begründung von den Köchen gefürchtete, von den Gourmets mit Spannung erwartete Gault Millau in Bayern 13 langweilig gewordene Restaurants ab und nahm 16 inspirierte Küchen neu auf, 11 wurden höher, 13 niedriger bewertet. 2 Küchenchefs verloren die begehrte Kochmütze.
Außerdem testete der im Münchner Christian Verlag erscheinende Reiseführer für Genießer (900 Seiten, 30 €) die beiden nobelsten Kreuzfahrtschiffe der Welt: die „Seven Seas Voyager“, deren Küche der junge Brandenburger Cornel Ruhland dirigiert (zuvor im Club Aldiana in Tunesien), und die „Crystal Serenity“ mit dem US-japanischen Starkoch Nobu Matsuhisa. Ferner beschreibt und klassifiziert er 420 Hotels.

Die besten Restaurants des Gault Millau in Bayern

1. Restaurant Heinz Winkler in Aschau/Chiemgau (19 Punkte),
2. Zum alten Rentamt in Klingenberg/Main,
Königshof und Tantris in München (alle 18 Punkte),
5. Gastronomique* in Heroldsberg bei Nürnberg,
Laudensacks Parkhotel in Bad Kissingen,
Villino in Lindau,
Acquarello, Hippocampus* und Schuhbeck in München,
Essigbrätlein in Nürnberg,
Dichterstub’n in Rottach-Egern,
Bischoff am See in Tegernsee,
Bründlhof in Wartenberg bei Landshut (alle 17 Punkte),
15. Alpenstube in Bayrischzell,
Le Ciel* in Berchtesgaden,
Herrmannsdorfer Schweinsbräu in Glonn bei München,
Il Giardino** in Bad Griesbach,
Christians Restaurant in Kirchdorf bei Wasserburg,
Hoyerberg Schlössle und Schachener Hof in Lindau,
Ederer und Garden-Restaurant in München,
Reiterzimmer in Murnau,
Pflaumen-Garten in Pegnitz,
Landhaus Henze in Probstried,
Gut Apfelkam in Rohrdorf (Chiemgau),
Philipp in Sommerhausen bei Würzburg,
Schreiegg’s Post in Thannhausen bei Augsburg,
Kastell in Wernberg-Köblitz bei Weiden,
Herrmann’s Restaurant in Wirsberg (alle 16 Punkte)

* Aufsteiger **Newcomer

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