Gault Millau 2007 – Schleswig-Holstein

Seeteufel mit Zitronenmarmelade

Alessandro Pape aus Sylt kocht groß auf im neuen Gault Millau – Weitere Aufsteiger: André Stolle in Husum und Thorsten Voigt in Lübeck – Gelungener Einstand für Dirk Luther in Glücksburg und Götz Rothacker in Alt-Duvenstedt

Küchenchef Alessandro Pape vom „Fährhaus“ in Munkmarsch auf Sylt ist für die französische Gourmet-Bibel Gault Millau der kulinarischen Aufsteiger des Jahres in Schleswig-Holstein. In die kulinarische Spitze des Landes kochten sich André Stolle vom Husumer Restaurant „Eucken“ und Thorsten Voigt vom Lübecker „Buddenbrooks“ in der jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2007.

Der „besser denn je und überraschend mutig kochende“ Pape imponierte durch „hausgebeizten Wildlachs auf aromatischer Blumenkohl-Brandade und zarter Meerrettichmousse in einer Kaviardose, Seeteufel in fruchtig-frischer Orangenkruste mit Ochsenbackenragout in knuspriger Kartoffelspirale oder Saltimbocca von der Jacobsmuschel auf süßlichem Tomaten/Dattel-Tatar“. Dafür bekam er vom Gault Millau, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, 17 von 20 möglichen Punkten, die für „höchste Kreativität und Qualität” stehen. Eine höhere Note haben in Deutschland nur 32 Köche, darunter Jörg Müller auf Sylt.

17 Punkte als Einstandsnote schafften Dirk Luther, der aus dem „Töpferhaus“ in Alt-Duvenstedt in die „Meierei“ nach Glücksburg wechselte, und Götz Rothacker, der vom Zürichsee heraufgekommene Nachfolger Luthers am Bistensee. Der Hamburger Luther „brillierte mit süchtig machendem Rieslingsud zur Seezunge mit frischen Morcheln, wunderbar intensiver Rotbarbe, der er als Farb- und Geschmackstupfer knallgrüne Avocadomousse und orangefarbenes Taschenkrebstatar hinzugab, oder einem Champagner-Schneeball mit Thai-Mango und Himbeeren“. Der Schwabe Rothacker „zündet beste Produkte des Marktes als grandioses Menü-Feuerwerk: ganz kurz gegrillter Thunfisch mit Zitronengrasgelee und marinierten Sojasprossen, zartrosa gebratener Sisteron-Lammrücken mit Pinienkernkruste auf Spinat/Paprika-Gemüse und geschmackstiefer Würzpaste-Sauce sowie gebackener Schokoladentrüffel mit Duftmango und Kokossorbet“.

Stolle bot „provokante Verschmelzung unterschiedlichster Aromen à la Seeteufel mit flüssiger Minze und pikanter Zitronenmarmelade, dazu (fast schon brav) Hummerragout im Glas“. Er verbesserten sich auf 16 Punkte und schaffte damit den Sprung in die Top 10 des Landes. Auf 15 Punkte kam Thorsten Voigt dank „gerösteter Wachtel mit lauwarmem Gelee von Schmorgemüse oder köstlichem Tatar von der Königskrabbe mit perfekt gebratenen Salzwassergarnelen und deliziösem Rucola-Sorbet“.

Die kulinarische Hitparade zwischen Nord- und Ostsee führt – nun schon im 24. Jahr – Jörg Müller vom „Restaurant Jörg Müller“ in Westerland auf Sylt an: „Wer auf Sylt das besondere kulinarische Erlebnis sucht, kommt um den schnauzbärtigen Jörg Müller und seine großzügig gestellten und bemessenen Tische nicht herum.“ Für „gefüllte Zucchiniblüte mit topgegarten Flusskrebsen im hinreißenden Krustentierfond, klassisch mit Stopfleber gefülltes Kalbsfilet mit geschmortem zartem Bäckchen und knallgrünem Erbsenpüree oder traumhaftes Soufflé von Baumkuchen und Grand Marnier auf glacierten Nektarinen mit Kaffee/Karamell-Eis“ wurde er wieder mit 18 Punkten ausgezeichnet. Besser als er sind in Deutschland nur 7 Köche bewertet.

Ihre 17 Punkte aus dem Vorjahr verteidigten souverän mit beeindruckenden Gerichten Holger Bodendorf vom „Bodendorf’s im Landhaus Stricker“ in Tinnum/Sylt („perfekt gegarte Taube im zarten Thymianbisquit mit gebratener Gänsestopfleber und kräftigem Petersilienpüree“), Johannes King vom „Söl’ring Hof” in Rantum/Sylt („grandiose Variation von Hummer und Erbsen: Geeistes Süppchen, Crostini, Mousse mit Erbsen, Tatar, Gelee mit Erbsen und verschiedene Salaten begeistern auch optisch“), Lutz Niemann von der „Orangerie“ im „Maritim Seehotel“ in Timmendorfer Strand („saftige Meerbrasse mit dezentem Fenchelaroma und Tatar vom Hummer“) und Roy Petermann vom „Wullenwever“ in Lübeck („saftiges Steinbuttfilet auf Paprikacoulis erhält durch eine Thymiankruste eine ungeahnt würzige Note“).

Die Tester beschrieben und bewerteten insgesamt 52 Restaurants in Schleswig-Holstein. 46 Küchenchefs zeichnete der Gault Millau mit einer oder mehreren Kochmützen aus, wofür die Künstler am Herd mindestens 13 von 20 möglichen Punkten erreichen mussten, was einem Michelin-Stern nahe kommt. Das schaffte von den erstmals bewerteten Restaurants die „Sturmhaube“ in Kampen auf Sylt.
Im Vergleich zur Vorjahrsausgabe servierte der wegen seiner strengen Urteile und deren zuweilen sarkastischer Begründung von den Köchen gefürchtete, von den Feinschmeckern mit Spannung erwartete Gault Millau zwischen Nord- und Ostsee 3 langweilig gewordene Restaurants ab und nahm 3 inspirierte Küchen neu auf. 6 Köche wurden höher, 1 niedriger bewertet.

Außerdem testete der im Münchner Christian Verlag erscheinende Reiseführer für Genießer (900 Seiten, 30 €) die beiden nobelsten Kreuzfahrtschiffe der Welt: die „Seven Seas Voyager“, deren Küche der junge Brandenburger Cornel Ruhland dirigiert (zuvor im Club Aldiana in Tunesien), und die „Crystal Serenity“ mit dem US-japanischen Starkoch Nobu Matsuhisa. Ferner beschreibt und klassifiziert er 420 Hotels.

Die besten Restaurants des Gault Millau in Schleswig-Holstein

1. Jörg Müller in Westerland/Sylt (18 Punkte),
2. Seehotel Töpferhaus* in Alt-Duvenstedt,
Meierei – Dirk Luther** in Glücksburg,
Wullenwever in Lübeck,
Fährhaus* in Munkmarsch/Sylt,
Söl’ring Hof in Rantum/Sylt,
Orangerie in Timmendorfer Strand,
Bodendorf’s in Tinnum/Sylt (alle 17 Punkte),
9. Eucken* in Husum,
Stolz in Plön,
Dobler’s Restaurant in Timmendorfer Strand (alle 16 Punkte),
12. Andresen’s Gasthof in Bargum bei Niebüll,
September in Kiel,
Buddenbrooks* und La belle Epoque in Lübeck,
Privileg im Historischen Krug in Oeversee,
Stadt Hamburg in Westerland/Sylt (alle 15 Punkte)

*Aufsteiger **Newcomer

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