Kartoffelschaum mit Blutwurstpulver
Michael Kammermeier in Wiesbaden kocht sich im neuen Gault Millau in die deutsche Küchenspitze – Juan Amador in Langen und Martin Göschel in Frankfurt holen frühere Höchstnoten zurück
Michael Kammermeier von der „Ente“ in Wiesbaden und Markus Medler vom „Hessler“ in Maintal sind für die französische Gourmet-Bibel Gault Millau die Entdeckung des Jahres in Hessen. Höheren Ruhm erkochten sich auch Juan Amador in seinem Langener Restaurant und Martin Göschel vom Frankfurter „Tiger-Restaurant“ in der jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2007: Sie holten sich ihre im Vorjahr eingebüßten Bewertungen zurück.
Bei Kammermeier, der in der Wiesbadener „Ente“ Gerd Eis ablöste, loben die Kritiker: „Er wagt nach der euro-asiatischen Erfolgsbilanz des Vorgängers die Trendwende zur wohlkomponierten europäischen Küche. Sie ist durchdacht und hält das bisherige Niveau bei Paella mit Wolfsbarsch, Langostinos und Muscheln, schön gegengefedert durch die matte Süße der Rosinen oder zartrosa Lammbraten unter einer Bilderbuchkruste mit dem Aha-Erlebnis von Tomaten/Brotsalat-Ravioli“.
Er erhielt vom Gault Millau, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, 17 von 20 möglichen Punkten. Sie stehen für „höchste Kreativität und Qualität“ und erheben Kammermeier in die Phalanx der 100 besten deutschen Köche. Diese Note erkochte sich auch Raffaele Cesare Cannizzaro vom „Schwarzenstein“ in Geisenheim-Johannisberg, der jedoch unmittelbar vor Erscheinen des neuen Guides am Herd Platz für Sven Messerschmidt machte, der im Badischen ebenfalls 17 Punkte bekam („Klostermühle“ in Ehrenkirchen).
Eine höhere Note hat in Hessen nur Juan Amador, der seinen letztes Jahr eingebüßten 18. Punkt wiederbekam, weil seine Gerichte „wieder wahre Begeisterung hervorrufen, ob Entenleber mit kandierten Zwiebeln, Mocca (Sauce) und Macadamia (nussiges Püree) oder in Kürbiskernöl gegartes Lamm mit Curry, Kürbis und Olivensauce. Gewürdigt wurde nebenbei, dass er „zur hervorragenden Brotauswahl auch eine äußerst leckere Mischung aus Kakaobutter und Olivenöl bietet“. Amador führt mit seiner „großen phantasievollen Küche“ wieder allein die kulinarische Hitparade in Hessen an.
Auch Martin Göschel wetzte seine Vorjahrsscharte aus und steigerte sich auf seine frühere 17-Punkte-Wertung. Er „servierte abwechselnd geschichtete marinierte Steinbutt- und Gänsestopfleberscheiben mit rotem Zwiebelchutney oder rosa gebratenem Entrecôte mit Kräutern auf warmem Artischockensalat in Kapern/Sardellen-Jus wie alle Gerichte sehr artifiziell nach dem Motto ‚Das Auge isst mit’.“
Ihre 17 Punkte aus dem Vorjahr verteidigten locker Albert Baur vom „Landhaus Baur“ in Fischbachtal bei Darmstadt („Thunfisch-Sashimi mit Erbsen, Hummersahne und Kaffeeöl“), Patrick Bittner vom „Gourmet-Restaurant français“ in Frankfurt („vollendete Harmonie am Gaumen hinterlässt der Bretonischer Wolfsbarsch im subtil gepfefferten Vanilleschaum mit Saubohnen/Aprikosen-Salat“), Carmelo Greco von der „Osteria Enoteca“ in Frankfurt („das Parmesansoufflé auf Orangen/Espresso-Salsa vereint zwei normalerweise nicht vereinbare Komponenten wie Kaffee und Käse“) und Mario Lohninger vom „Silk“ in Frankfurt („ungemein duftig die Verbindung von Loup de mer und einer grünen Landschaft aus bolivianischen Grassamen, Shiso-Kresse, Macadamia-Crème und Anis“).
Auf Anhieb 16 Punkte, die einen „hohen Grad an Kochkunst, Kreativität und Qualität“ bedeuten, erreichten der neue Küchenchef des „Hessler“ in Maintal, Markus Medler, und Benedikt Faust vom neueröffneten „L’étable“ in Bad Hersfeld. Der aus dem „Schwarzenstein“ in Geisenheim gekommene Faust imponierte mit „Blutwurstpulver (im Thermo-Mix getrocknet und pulverisiert), das er über warmem Kartoffelschaum mit Schmand streute, oder einen kecken Klacks Ziegenfrischkäse und spanische Bohnen von nussigem Geschmack zum.gebratenen Rehfilet“. Medler bot als „schönes Mitbringsel seiner Wanderjahre, die ihn bis in die USA führten, farbenfrohe Tellerarrangements: Gebratene Jacobsmuscheln setzt er auf Salat aus kleinen Kartoffel- und Lauchwürfeln, die mit Sauerrahm gebunden sind, und gibt dazu noch etwas Krustentiersauce und ein wenig Löwenzahnsalat. Gegrillte Ananas umrahmt er mit Ananas/Curry-Sorbet.“
15 Punkte erkochten sich erstmals Jens Huthmann vom „Hofgut Dippelshof“ in Darmstadt, Josef Laufer jr. vom „Krug“ in Eltville und Uwe Weber vom „Emma Metzler“ in Frankfurt.
Die Tester beschrieben und bewerteten dieses Jahr insgesamt 77 Restaurants in Hessen. 58 Küchenchefs zeichneten sie mit einer oder mehreren Kochmützen aus, wofür die Künstler am Herd mindestens 13 von 20 möglichen Punkten erreichen mussten, was einem Michelin-Stern nahe kommt. Im Vergleich zur Vorjahrsausgabe servierte der wegen seiner strengen Urteile und deren zuweilen sarkastischer Begründung von den Köchen gefürchtete, von den Feinschmeckern mit Spannung erwartete Gault Millau in Hessen 10 langweilig gewordene Restaurants ab und nahm 8 inspirierte Küchen neu auf; 19 wurden höher und 5 niedriger bewertet. 3 Küchenchefs verloren die begehrte Kochmütze.
Außerdem testete der im Münchner Christian Verlag erscheinende Reiseführer für Genießer (900 Seiten, 30 €) die beiden nobelsten Kreuzfahrtschiffe der Welt: die „Seven Seas Voyager“, deren Küche der junge Brandenburger Cornel Ruhland dirigiert (zuvor im Club Aldiana in Tunesien), und die „Crystal Serenity“ mit dem US-japanischen Starkoch Nobu Matsuhisa. Ferner beschreibt und klassifiziert er 420 Hotels.
Die besten Restaurants des Gault Millau in Hessen
1. Amador* in Langen (18 Punkte),
2. Landhaus Baur in Fischbachtal bei Darmstadt,
Gourmet-Restaurant français,
Osteria Enoteca,
Silk
und Tiger-Restaurant* in Frankfurt,
Schwarzenstein* in Geisenheim-Johannisberg,
Ente in Wiesbaden (alle 17 Punkte),
9. Dombäcker in Amöneburg,
Kronenschlösschen in Eltville,
Erno’s Bistro, Micro und Villa Merton in Frankfurt,
Zur Krone in Höchst/Odenwald,
L’étable** in Bad Hersfeld,
Hessler* in Maintal,
V. M. 1 in Pfungstadt (alle 16 Punkte)
*Aufsteiger **Neueröffnung