Bayern am Pazifik? Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten kein Problem, schon gar nicht, wenn das Christkind involviert ist. Nicht nur in Bayern werden zu Beginn der Weihnachtszeit bunte Lebkuchenherzen, heißer Orangensaft und aus Holz geschnitzter Christbaumschmuck verkauft, sondern auch im Bundesstaat Washington an der Pazifikseite der USA.
In der kleinen Stadt Leavenworth in den Cascade Mountains können Reisende vom 24. bis zum 26. November 2006 einen Weihnachtsmarkt besuchen, wie er deutscher kaum sein kann. Informationen sowie ein detailliertes Programm können Interessierte im Internet unter www.christkindlmarkt.projektbayern.com abrufen. Aber das ist nicht die einzige Merkwürdigkeit von Leavenworth.
Der Bundesstaat Washington im Nordwesten der USA ist immer für eine Überraschung gut – und so verwundert es auch nicht, dass es gerade hier ein urbayerisches Dorf gibt: Leavenworth, in der Gebirgskette der Cascades gelegen, ist weder Filmattrappe noch Domizil bayerischer Immigranten, sondern das Resultat findiger Einwohner, die einen Weg aus der drohenden Arbeitslosigkeit suchten. Denn während Leavenworth Ende des 19. Jahrhunderts durch Eisenbahn, Holzfällerei und Sägewerk einen wirtschaftlichen Boom erlebte, von dem die Einwohner des Ortes viele Jahre lang gut leben konnten, sahen sie mit Beginn der 30er Jahre plötzlich einer Flaute entgegen – die Great Northern Railway Company bediente die Strecke nach Leavenworth nicht mehr, wodurch es mit der Holzfällerei in der Gegend den Bach hinunter ging und das Sägewerk letztendlich geschlossen wurde.
Dreißig Jahre war Leavenworth nahe daran, zu einer Geisterstadt zu werden… bis die noch verbliebenen Einwohner in den 60er Jahr
en den richtigen Entschluss gefasst hatten: Leavenworth sollte bis ins kleinste Detail bayerisch werden, damit man beruflich von Holzfällerei auf Tourismus umsatteln konnte. Denn die Leavenworther kannten schließlich die Vorliebe der Amerikaner für einen Urlaub in Bayern – was lag da näher, als Bayern in die Vereinigten Staaten zu verlegen? Mit vereinten Kräften machten die Bewohner aus ihrem Ort ein vollkommen bayerisches Dorf, in dem äußerlich seither nichts mehr an die USA erinnert. Selbst die Niederlassung einer weltweiten Fast-Food-Kette, der örtliche Supermarkt sowie die Tankstelle bekamen eine bayerische Fassade mit Holzverzierung, großem Balkon und Blumenkästen. Restaurants und Hotels mit deutsch klingenden Namen wie „Alpenrose Inn“, „The Enzian Falls Hütte“, „King Ludwig’s“, „Cafe Christa“ oder „Best of the Wurst“ schossen in Leavenworth wie Pilze im bayerischen Wald aus dem Boden… und sorgen dafür, dass heute jährlich mehr als eine Million Besucher aus aller
Welt in Leavenworth bestens beherbergt werden.
Zu einem rundum perfekten Bayern-Feeling gehören selbstverständlich auch bayerische Festivals. Und die gibt es in Leavenworth zuhauf. Nach Mai-, Sausage- und Oktoberfest stehen nun, am Jahresende, bayerische Weihnachten vor der Tür – natürlich, wie es sich für Leavenworth versteht, mit echtem Christkindlmarkt.
2006 findet dieser vom 24. bis 26. November statt. Zahlreiche Holzbuden mit Weihnachtsschmuck, Geschenkideen, Speisen und Getränken erwarten dann, wenn das Wetter mitspielt sogar in verschneiter Bergkulisse, die Besucher. Ganz wie in Nürnberg oder München steigt einem hier der Duft von Glühwein und frisch gebrannten Mandeln in die Nase, während die Chöre und Spielmannszüge der Stadt den idyllischen Markt mit deutschen Weihnachtsliedern untermalen. Eröffnet wird der Christkindlmarkt in Leavenworth – www.christkindlmarktleavenworth.com ebenfalls nach Nürnberger Tradition: durch das Christkind am Abend des ersten Markttages.
Wenn der Christkindlmarkt am 26. November 2006 seine Pforten schließt, ist Weihnachten jedoch noch lange nicht vorbei: Von diesem Abend an erstrahlt ganz Leavenworth in stimmungsvollem Lichterglanz. Bis in den Januar hinein sind die bayerischen Häuser der Stadt mit Tausenden kleiner Lichter geschmückt, die wie Eiskristalle im Schnee funkeln. An den Adventswochenenden im Dezember trifft man hier den deutschen Nikolaus zusammen mit dem Weihnachtsmann und seinem amerikanischen „Kollegen“ Santa Claus. Gemeinsam mit ihnen kann man an den Adventssamstagen das Christmas Lighting Festival erleben: Bis zum frühen Samstagabend sieht man noch nichts vom Lichterglanz, doch wenn die Dämmerung hereinbricht, versammelt sich ganz Leavenworth in der Innenstadt, um gemeinsam „Stille Nacht“ zu singen und die Verwandlung der Stadt in ein wahres Winterwunderland zu erleben. Denn während alle singen, werden gleichzeitig die gesamten Lichterketten Leavenworths eingeschaltet. Anschließend gibt
es heißen Punsch und frisch geröstete Kastanien – eine Weihnachtstradition, die jedes Jahr aufs Neue unzählige Besucher nach Leavenworth kommen lässt.