Ferran Adria

Ferran Adrià wirkt etwas erschöpft, zum Saisonschluss im Restaurant „El Bulli“ an der Costa Brava. Fünf Monate lang hat der spanische Kochrevolutionär den Gästen gelierte Oliven und salziges Eis präsentiert, daneben an neuen Büchern gearbeitet. Doch in diesem Jahr kam noch eine Überraschung hinzu, die ihn Monate lang bewegt hat: die Einladung zur Kunstschau documenta 2007 nach Kassel.

„Ich muss mir nichts mehr beweisen“, sagt Adrià auf der Terrasse des Restaurants bei Roses nördlich von Barcelona. Unten klatschen die Wellen träge auf den grauen Strand der im Herbst wieder ziemlich einsamen Bucht. Der Rang des 44-Jährigen als kreativster und wichtigster Koch der Welt wird heute von kaum einem Kritiker bezweifelt. „Ich bekomme Preise über Preise. Aber die documenta: welche Herausforderung!“

documenta-Chef Roger-Martin Buergel hat von 2001 bis 2004 in Barcelona gearbeitet und den Erfinder von Parmesan-Spaghetti und Gänseleberschnee dort kennen gelernt. In der pulsierenden Olympiastadt mit der avantgardistischen Gaudì-Architektur befindet sich auch Adriàs Küchenlabor. Dort entwickelt er von Oktober bis April mit einem kleinen Team neue Konzepte: leckere Schäume, warme, im Mund zergehendeGelee-Kugeln mit flüssigem Inhalt oder nun auch Meringues ohne Ei.

Der Ruf nach Kassel kam im Januar: „Seitdem ist es der Wahnsinn“, sagt Adrià. Anfangs schien es wie eine Einladung unter guten Bekannten. Die Dimension, als erster Koch zur Avantgarde-Schau moderner Kunst eingeladen zu werden, wurde ihm erst danach klar: „„Was tun?“ habe ich mich monatelang gefragt“, sagt er und lächelt dann doch kurz und erleichtert aus den dunklen Augen: „Jetzt steht das Konzept.“

Aber bis zur documenta-Pressekonferenz im Juni 2007 verrät der Koch nicht, wie er Zehntausenden Besuchern der Ausstellung in Kassel den Einblick in seine Kunst geben wird. Auch Buergel machte, am Telefon befragt, nur Andeutungen. „Es wird nicht darum gehen, ihn kochen zu lassen. Ich habe ein Verfahren entwickelt, das potenziell so etwas wie eine universelle Teilhabe ermöglicht“, sagt Buergel, der Dozent für Visuelle Theorie an der Universität Lüneburg ist. „Er wird einen Workshop machen, aber ich behandele ihn wie einen Tänzer, einen Performer, wie ein Ereignis, das man auch verpassen kann.“

Das entspricht dem Phänomen Adrià: auch im 40-Plätze-Restaurant „El Bulli“ (Bulldogge) können nur wenige Menschen einen Tisch ergattern. Buergel ist von der großen Produktivität, der generellen Neugier des Spaniers fasziniert: „Er passt in mein documenta-Konzept, sich von den westlichen Kunststandards zu lösen, den falschen Gegensatz von freier Kunst und angewandter Kunst zu überwinden.“

Adrià blättert auf der Terrasse des „El Bulli“ im Andruck des neuesten Bandes seines Werksverzeichnisses. „Hier ist die Avantgarde“, sagt er, bevor als „Amuses gueules“ vor dem Essen Erdbeersaft mit Campari und einer Blase mit salzigem Olivensaft serviert wird, gefolgt von einem zarten Blattgebilde aus reinem Mango, mit einer würzigen Blüte, dann Hibiskusgelatine mit Eukalyptus-Samen und getrockneter Tunfisch auf Nusskrokant.

„Kochen ist das Leben – und meine Kunst“, sagt Adrià. „Man isst jeden Tag, das ist nicht wie die Malerei, wo man Pause machen kann und später wieder an die Staffelei geht.“ Man nimmt es dem 44- Jährigen ab, dass ihn großer Reichtum wenig interessiert. „Schauen Sie herum“, sagt er: „Ich habe keinen Jaguar.Mit Reichtum will man doch nur immer mehr. Ich könnte 25 „El Bullis“ in der ganzen Welt eröffnen. Man bietet mir eine Million Dollar für ein Restaurant in Singapur, aber ich will es nicht.“

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