Edelsüße Weine sind flüssiges Gold und eine Investition für die Ewigkeit. Stimmt! Man kann die Sache aber auch anders sehen. Dr. Tom Drieseberg, Chef der Weingüter Geheimrat J. Wegeler, Oestrich-Winkel/Bernkastel/Deidesheim, fühlt sich mehr im Hier und Jetzt verwurzelt. Das Leben ist kein Wartezimmer und deshalb empfiehlt Drieseberg: „Nicht warten – starten!“ Das gilt auch für den Genuss edelsüßer Weine. Noch immer fristen sie ein Dasein in der Dunkelheit – eingelagert für besondere Anlässe wie Kindstaufen, Hochzeiten und runde Geburtstage.
Einfach nicht tot zu kriegen ist der Irrglaube, dass man die Pretiosen erst einmal ein halbes Leben lang liegen lassen müsse, damit sie ihr volles Potential entfalten. Das sind alte Kamellen. Die Wirklichkeit sieht anders aus. „Im Gegensatz zu den großen Rotweinen dieser Welt haben gerade edelsüße Rieslinge in jungen Jahren einen ausgesprochen exotischen Charme“, so Drieseberg. Und es gibt neben dieser neuen Interpretation noch weitere stichhaltige Argumente, die für den Zeitgeist der edlen Tropfen sprechen. Mit gerade einmal 7 bis 9 Prozent Alkohol liegen edelsüße Rieslinge weit unter dem, was so mancher süße Kultwein an Alkoholgehalt in sich vereinigt. Vierzehn, ja sogar 15 Prozent sind hier keine Seltenheit. Das macht schnell satt und matt.
Why not: Edelsüße Spitzen – cool and stylish serviert
Erfrischend anders präsentieren sich die edelsüßen Rieslinge: Voller Fruchtgeschmack bei wenig Alkoholgehalt – das könnte eine echte Alternative auch für Nachwuchs-Genießer sein. „Gerade junge Leute sind aufgeschlossen für neue Geschmackserlebnisse, doch die dürfen bei allem Qualitätsstreben auf Seiten der Weinmacher nicht zu kompliziert dargestellt werden. Intellektuelle Überfrachtung schreckt nur ab. Gefragt sind Klarheit im Ausdruck und im Outfit“, sagt Drieseberg.
Der Marketing-Mann, der sein Glück und sein „Traum-Thema“ im Wein gefunden hat, tritt nur allzu gerne für eine entkrampfte, unkomplizierte Kommunikation von Wein ein und praktiziert diese. Zum Beispiel dann, wenn es um das Thema Riesling-Revival geht. Ganz sicher ist er sich dabei in einem Punkt: „Das Potential, das im Riesling steckt, ist riesig. Es fehlen aber immer noch mutige Vorreiter, die sich auf Experimente einlassen. Edelsüße Rieslinge im offenen Ausschank als Aperitif oder als Begleiter feiner Tapas, das könnte ein neuer Trend in den Wein Bars und in der Szene-Gastronomie werden. Wer 25 Euro für einen Whisky ausgibt, der wird auch beim edelsüßen Riesling nicht plötzlich zum Sparbrötchen“, erklärt der Wahl-Rheingauer. Aber wie immer im Leben geht auch hier Probieren über Studieren. Ein kleines Geschmacks-Experiment könnte selbst eingefleischte
Trocken-Trinker schon nach wenigen Schlückchen eines Besseren belehren: Ein edelsüßer Riesling im Glas und dazu eine Mini-Portion Gänseleber – schöner kann man einen Abend einfach nicht einläuten.
Übrigens: In 2005 durfte man sich im Rheingauer Gutshaus der Weingüter Wegeler über ein ganz besonderes Ereignis freuen: Mit 309 Grad Oechsle konnte der größte Wein in der Geschichte des Weinguts geerntet werden – ein Riesling aus der Lage Geisenheimer Rothenberg. Er gilt auch technisch gesehen unangefochten als Nummer eins in Deutschland, denn ein höheres Mostgewicht konnte kein anderer deutscher Riesling in diesem Jahr für sich reklamieren.
Die internationale Erfolgsgeschichte der Weingüter Wegeler begann im Oktober 2003 am Time Square. Auf der New York Wine Experience, wo nur handverlesene Top-Güter geladen waren ihre Weine zu präsentieren, konnte Tom Drieseberg mit einem 2001 Geisenheimer Rothenberg Eiswein begeistern. Inzwischen startet der Qualitätsführer im Bereich trockene Rieslinge durch, um sich weltweit auch eine Spitzenposition mit edelsüßen Spitzen zu erobern.