Star-Patissiers bauen Skulpturen aus Teig und Schokolade, feilen an Farben, Aromen und Textur und setzen auf ungewöhnliche Zutaten wie Rosmarin und kubanische Zigarren. Jörg Zipprick (FTD) traf die Meister der süßen Zunft.
Dunkle Zylinder streben himmelwärts, stützen einen durchbrochenen Ball, bilden einen Wald voller rechteckiger Orgelpfeifen. Ein massiver weißer Block wird von einem kubistischen Schattenriss durchzogen, eine helle Stele von winzigen Kugeln gesäumt, einer weiteren wachsen dornige Enden …
Keine Ausstellung moderner Kunst, sondern Desserts von Oriol Balaguer. Balaguer, 33, gehört zu Spaniens Superstars der süßen Sachen. Der junge Mann ist auffallend schlank, wirkt mit seinem Kurzhaarschnitt und seiner schmalen Brille eher wie ein Uni-Dozent als ein Zuckerbäcker, spricht wenig. Balaguer ist Purist. Seine Boutique in Barcelona gleicht dem Atelier eines Juweliers: Ganz in Weiß gehalten, effektvoll ausgeleuchtet. Hier werden schmackhafte Einzelstücke präsentiert. Früher, da hat Balaguer für den genialen Ferran Adria in Rosas, der mit seiner „Dekonstruktion“ der Küche Furore macht, die Desserts komponiert. Heute ist er selbst ein Star, berät Restaurants und Unternehmen, kennt seinen Marktwert. Comme des Garçons bat ihn, ein Parfüm des Hauses als süßen Leckerbissen nachzubilden. „Schokolade in acht Konsistenzen“, eines seiner Werke, wurde 2001 zum besten Dessert der Welt gewählt. „Brutal“ fand er die dunkle Farbe des Desserts, die Jury überzeugte letztlich das Spiel mit verschiedenen Sorten und Aggregatzuständen der Schokolade – von der Kuvertüre bis zum flüssigen „Coulant“.
„Patisserie ist die Suche nach Ausgewogenheit“, erklärt Balaguer. Ausgewogenheit, die bei ihm oft mit einer Prise Salz erreicht wird. „Denn eine Spur Salz öffnet die Geschmacksnerven.“
Avantgardist Balaguer ist ein Phänomen, aber keine Ausnahme. Die Zeit der Erdbeertörtchen ist vorbei, die Patisserie vollzieht gegenwärtig eine Entwicklung nach, die man in der Küche seit 30 Jahren kennt. Genau wie der Koch früher im Schatten des Inhabers eines Restaurants stand, wirkte der Patissier im Verborgenen. Zu Nouvelle-Cuisine-Zeiten avancierte der Herr am Herd zum Star, benannte sein Lokal plakativ seinem Namen und präsentierte sich fortan als Künstler des guten Geschmacks. Doch dem Patissier blieb nach wie vor nur eine dunkle Ecke der Küche. Meist beschränkte er sich auf einen süßen Magenfüller, ein grazil gearbeitetes Törtchen, vielleicht verziert mit einem Klacks Eiscreme oder einem präzis geschnittenen Goldrand. Kaum ein Kritiker, kaum ein Feinschmecker wusste, wer in den renommierten Lokalen der Welt in der süßen Brigade arbeitete. Jeder kannte Ferran, niemand Oriol – das System war in fast jedem besseren Restaurant der Welt dasselbe. Doch es gab Ausnahmen: Jordi Roca, Patissier im Celler de Can Roca in Gerona, erfand etwa den „olfaktorischen Ansatz“ für neue Süßspeisen: „Mit Früchten und Blüten empfinde ich ganze Parfüms nach.“ Im Winter serviert er „Eternity“ frei nach Calvin Klein mit Mandarine, Orange, Bergamotte, Vanillejoghurt und Orangenblütengelee. Im Frühling orientiert er sich an „Trésor de Lancôme“ mit Aprikose, Vanille, Lilie sowie einer Spur Pfeffer und Zimt. Und im Sommer wird Minzgranité, Melone („aber bitte nicht zu süß!“), Zitronen- und Ahornsirup, Orangenblüte, Eukalyptus und Mohn zum kulinarischen Doppelgänger von „Woman“ aus dem Hause ….
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Die besten Patissiers der Welt:
Sadaharu Aoki 56 – www.sadaharuaoki.com
Oriol Balaguer – www.oriolbalaguer.com
Pierre Hermé – www.pierreherme.com
Jordi Roca – www.cellercanroca.com
Bernd Siefert – www.cafesiefert.de