Steht man vor der fünfstöckigen, aufwendigen Jugend-Stil-Fassade vom “Goldenen Kreuz” (erbaut 1892/93) in der Lichtentaler Straße 13 ahnt man noch nicht, dass sich im Innenhof eines der besten Feinschmecker-Restaurants in Baden-Baden befindet. Man quert eine kleine Passage und tauscht den Lärm der Stadt gegen die gedämpfte Atmosphäre unter hohen, roten Backsteinmauern und hört en passant das Plätschern von Wasser.
Schon rein architektonisch ist das Le Jardin de France eine Meisterleistung. Unter einer imposanten Glasdachkonstruktion sitzt man – très chic wie in einem Gartenpavillion – hell und exklusiv. Seit August 2002 ist das Goldene Kreuz die Heimstatt und das Kochrevier von Sophie und Stéphan Bernhard. Hier kann man richtig gut essen. Der gebürtige Elsässer (35) bekam bereits im Dezember 1999 den ersten Stern durch den Guide Michelin verliehen. Ein echter Vorzeige-Koch. Denn er war damals mit 28 Jahren der jüngste Patron, obendrein mit eigenem Restaurant, der je in Deutschland mit einem Stern ausgezeichnet wurde (das Le Jardin de France befand sich zu dieser Zeit noch in der Rotenbachtalstraße in Baden-Baden).
Bernhards Wertegang liest sich so zielstrebig schnell wie die Punkte auf einer Checkliste. “Ich bin sehr ehrgeizig”, sagt er und das kommt hin! Eigentlich hat der Meisterkoch schon immer auf Sterne-Niveau gekocht, denn 1987 bis 1989 absolviert er seine Lehre im elsässischen Mittelbergheim im Restaurant “am Lindenplatzel”, bis zur Meisterprüfung 1991 kocht er im Restaurant “La Couronne” in Baldenheim (*Michelin). Weitere Namen sternegekrönter, linksrheinischer Gourmet-Tempel pflastern den beruflichen Weg des an sich bescheidenen Franzosen (Restaurant “Au Valet de Coeur” in Val de Ville, “Château d’Adoménil” in Luneville, Restaurant “La Chenaudière” in Colroy La Roche und als Chef de cuisine kehrt er 1995 zurück ins “Au Valet de Coeur”).
Nirgends hält es Bernhard länger aus als zwei Jahre bis er schließlich im Mai 1998 zusammen mit Ehefrau Sophie das Le Jardin de France in Baden-Baden eröffnet. Beide spüren, dass die Kurstadt sie “will”. Die Vorzeichen sind gut, der Standort und die Nachfrage nach exzellenter französischer Küche bestens. Vielleicht oder gerade deswegen lässt der Segen aus den Fachkreisen nicht lange auf sich warten. Nur ein halbes Jahr nach der Eröffnung erhält Bernhards Kochkunst 15 Punkte vom Gault Millau und knapp ein Jahr später fällt der erste Michelin-Stern vom Kochhimmel. “Eine Bestätigung für die konsequente Arbeit einer ganzen Mannschaft!”, sagt er.
Die Bernhards sind sesshaft geworden, dank der Töchter Lara (5) und Leonie (1). Bernhard ist ein Familienmensch. Jenseits von Kulinarik schiebt er schon mal den Kinderwagen durch die Allee, trocknet Tränchen und mimt den Babysitter an seinen freien Tagen. “Das ist für mich Entspannung!”, und wir glauben es sofort! Ansonsten ist der Platz des Meisters am Herd. Seine Inspirationen kommen ihm “kurz vor dem Ausprobieren” – wie Geistesblitze, die er schon im Kopf “schmecken” kann bevor es der Gaumen tut – genial für ihn, manchmal eine Tortour für die Crew!
Bernhards Küche ist jung und frech und französisch. Er ist nicht ängstlich. Er passt sich nicht an, was ihn und seinen Gast zu den außergewöhnlichsten Kreationen führt. Mesclum Salat an Orangen-Lakritz-Vinaigrette, gebratene bretonische Langustinen oder die Entenleber an Apfel-Rhabarber-Kompott und würziger Jus mit Nußwasser. Großartige Kochkunst, die auf einfachen Regeln basiert: Produkt bleibt Produkt und kann an sich nicht manipuliert werden. “Zuerst kommt die Qualität der Ware”, sagt der Patron. Das setzt die Nähe zum Erzeuger, zum Bauern, Fischer oder Lieferanten voraus. Vertrauen ist Ehrensache und wird per Handschlag bekräftigt. Der beste Wildfang kommt innerhalb 36 Stunden vom bretonischen Fischer, den Bernard schon mal in den Ferien besucht. Viktualien liefert die kleine Landwirtschaft seiner Schwiegereltern, Tauben z. B. kommen von Theo Kieffer aus dem Elsass, vermeintliche Unkräuter, zu Spitzengewürzen avanciert, eilen per Kurier von einem Ende Deutschlands zum anderen, von Meck-Pom nach Baden. Warum also um seine Kreationen ein Geheimnis machen? “Das Geheimnis ist, dass es keines gibt!”, bekundet Bernhard bescheiden. Die Qualität ist da, der Rest ist Können und Intuition und damit reine Chefsache.
Um der Kochkunst, der es an Zeitgeist nicht fehlt, den richtigen Rahmen zu geben, braucht es der Liebenswürdigkeit von Sophie Bernhard. Auch sie bleibt im harten Geschäft der Spitzengastronomie authentisch. Ihr unverwechselbarer französischer Charme “weht” durch das Restaurant. Als Mittlerin zwischen Gast und Küche, verwöhnt sie zum richtigen Zeitpunkt mit den richtigen Empfehlungen und “petites attentions” die Feinschmecker. Ihr Auftrag: “Jeder soll sich wohlfühlen in unserem “französischen Garten” und pflücken, nach was ihm der Sinn steht”. Sophie Bernhard zeigt sich auch für die Weinkarte verantwortlich. Da stehen große Weine aus aller Herren Länder (insgesamt ca. 300 Positionen). Den ersten Seiten sind die edlen Tropfen von kleinen Weingütern aus der Region gewidmet, die Sophie Bernhard bevorzugt empfiehlt – eine Hommage an Baden, an die neue deutsche Heimat.