Auf den Routen des Flamenco durch Andalusien

Vom 14. September bis zum 10. Oktober 2006 können Flamenco-Anhänger in Sevilla die internationale Crème de la Crème des Flamencos erleben. Dann findet dort einmal mehr die im Abstand von zwei Jahren veranstaltete Flamenco-Biennale statt. Neben den Flamencovorstellungen, die Abend für Abend an verschiedenen Veranstaltungsorten der Stadt dargeboten werden, bietet das Rahmenprogramm u.a. Flamencokurse, Vorträge und Ausstellungen
Informationen: www.bienal-flamenco.org

Wer sich für den Flamenco begeistert und etwas über seine Herkunft, die verschiedenen Stile, die großen Künstler und die charakteristischen Orte dieser Musik erfahren will, kann aber auch seinen Andalusien-Urlaub ganz oder teilweise ins Zeichen des Flamencos setzen. Die regionale Tourismusorganisation Turismo Andaluz hat sieben verschiedene Routen quer durch Andalusien auf den Spuren des Flamencos ausgearbeitet, die man individuell bereisen kann. Entlang des Weges werden dann zu jeweils festen Terminen flamencospezifische Aktivitäten angeboten, wie Vorträge über die Flamencogitarre, interaktiven Flamenco-Unterricht zur Unterscheidung der verschiedenen Stile, Bildvorträge zur Entwicklung und Geschichte des Flamenco sowie Vorführungen und Vorträge zu Tanz und Gesang.

Wo genau der Flamenco seine Ursprünge hat, bleibt bis heute ungewiss, finden sich in ihm doch Wurzeln der verschiedensten Kulturen, von byzantinischen, jüdischen, indischen, pakistanischen bis zu arabischen Klängen. Selbst bei der Ableitung des Namens gibt es die unterschiedlichsten Theorien. Sicher ist nur, dass man mittlerweile seine Anhänger bis weit über die Grenzen Andalusiens und Spaniens findet.

Die meisten Historiker vermuten, dass der Flamencogesang, der zunächst vor der Gitarre und dem Tanz entstand, irgendwo im Dreieck Sevilla-Jerez-Cádiz zum ersten Mal zu hören war. Und genau zu diesen vermeintlichen Ursprüngen des Cante Jondo, in das Dreieck zwischen Sevilla mit seinem Stadtteil Triana, Jerez und Cádiz führt die Nummer 4 der Flamencorouten, die „Route des Dreivierteltakts: die „Cantes Básicos“.

Das volkstümliche Triana-Viertel in Sevilla gilt als eine der Wiegen des Flamencos, und seitdem 1862 der Schriftsteller Serafin Estébanez Calderón in seinen „Escenas Andaluzas“ die typische Fiesta des Ortes beschrieb, weiβ man, dass alte Flamencogrößen wie El Planeta oder El Frillo dort wirkten. Mitten im Herzen Trianas liegt die Taverne von Tío José, eine alte Kultstätte des Flamencogesangs und des Stierkampfes, wo heute Hunderte Fotografien von Künstlern aller Zeiten zu bewundern sind. Und gleich um die Ecke, in der Tertulia Flamenca Don Cecilio de Triana, treffen sich jeden Freitag die Flamencoanhänger, aficionados, des Viertels, um über die legendären cantes zu sinnieren. In der Taverne Casa de Anselma dagegen kann man jeden Abend Sevillanas, Rumbas oder Coplas hören. Triana ist auch das alte Töpferviertel Sevillas, wo noch heute die Patios mit ihren Laubengängen zu bewundern sind. Es ist die Heimat von Flamencokünstlern wie den legendären Curro Puya oder Pepe el de la Matrona. Gedenktafeln erinnern an die Legenden von damals, und während der Flamenco-Biennale füllt sich der Innenhof des ehemaligen Hotels Triana mit Hunderten Besuchern zu den Vorstellungen. In den lauen Septembernächten kann man dort inmitten all der Aficionados sitzen, die begeistert mitgehen und mitklatschen. Eine malerische Kulisse sind die Häuserwänden, deren Balkone mit farbenprächtigen mantones, den gefransten Dreieckstüchern der Frauen, geschmückt sind.

Von Triana aus geht die Reise auf der Route des Flamencos weiter in die nahe Umgebung Sevillas, in die typischen andalusischen Dörfer Alcalá de Guadaira und Dos Hermanas. Im von seiner alten Burg gekrönten Alcalá herrscht noch immer der Geist der aus Triana ausgewanderteten Zigeunerfamilien und Flamencodynastien, wie den Los Gordos. Sie und viele andere cantaores, Sänger, holten sich, geprägt von einer tiefen Religiosität, ihre Inspiration in der kleinen Ermita de la Virgen del Águila, der Schutzheiligen des Ortes. Auf kunstvollen Keramikkacheln, den azulejos, die man in ganz Andalusien so überreich vorfindet, sind die Namen der berühmtesten Künstler aus der Region festgehalten.

Ein Abstecher nach Mairena de Alcor führt zur „Casa del Arte Flamenco de Antonio Mairena“, ein Ort, an dem alle Information über den bekannten Sohn des Ortes und Inhaber der begehrten Flamenco-Auszeichnung des Goldenen Schlüssels, aufbewahrt werden.

In Utrera, der nächsten Station der Route, entstand das erste Flamenco-Festival der Geschichte, der „Potaje Gitano“ – zu deutsch „Zigeuner-Eintopf“. Noch heute wird dieses Festival jeden Sommer im Patio des Colegio de los Salesianos veranstaltet. Als Besonderheit wird dann auch dieses Eintopfgericht, das dem Festival den Namen gab, zubereitet.

Auch Lebrija, einige Kilometer weiter, dessen Vergangenheit und Gegenwart eng mit Flamencogesang verbunden ist, ist stolz auf sein berühmtes Festival. Im Rahmen des „Caracolá“ schätzen die aficionados insbesondere die Improvisationskünste der Sänger und Gitarristen nach Abschluss des offiziellen Programms.

Dann geht es nach Jerez de la Frontera, der Stadt des Sherrys und der stolzen andalusischen Pferde, die auf den weissen Cortijos, den großen Landgütern der Umgebung gezüchtet werden. Sie öffnet sich dem Reisenden auf der Flamencoroute insbesondere in den Stadtvierteln von Santiago und San Miguel. In den typischen Patios dieser volkstümlichen Viertel werden bei jeder Fiesta die berühmten Bulerías gesungen. Der Flamencointeressierte startet seinen Rundgang am besten im „Centro Andaluz de Flamenco“ im Palacio de Pemartín. Hier befinden sich Tausende von Ton-, Text- und Bilddokumente der Flamencokunst. Daneben kann man sich auch über sämtliche Veranstaltungen in den besten Peñas und Flamencotavernen der Stadt informieren. In der Taverne El Lagar de Tío Parrilla beispielsweise, serviert der Chef zuerst an den langen Holztischen das Abendessen, um dann später inmitten seiner Familie auf der Bühne Platz zu nehmen und mitreißenden Flamenco zum Besten zu geben.

Den Abschluss des Dreiecks und der Reise bildet Cádiz, von seinen Bewohnern liebevoll „La Tacita“, das „Silbertässchen“ am Atlantik genannt. Die Hafenstadt mit ihren charakteristischen Türmen, von denen zu früheren Zeiten die Kaufleute Ausschau nach ihren Schiffen hielten, und ihrer Kathedrale mit der goldenen von weither sichtbaren Kuppel, ist für ihren weltoffenen, zur Improvisation neigenden Flamencostil bekannt. Das typische Flamencoviertel hier ist Santa María. Dort wuchs der legendäre Enrique de Mellizo auf, ein tiefreligiöser Gitano, der die gregorianische Musik aus der Pfarrei des Viertels zum Vorbild nahm und daraus seine malagueños kreierte. Er war es, der die erste Saeta, jenen flamencoänhlichen Klagegesang, vor einem Heiligenbild während der Karwoche sang. Enrique war nur einer der vielen Gaditanos, wie die Einwohner von Cádiz genannt werden, die Flamencogeschichte schrieben. Und in der Bucht von La Caleta, wo man über den Ozean blickend den einstigen Aufbruch in die Neue Welt erahnen kann, tauchten erstmals die lateinamerikanischen Stile im Flamenco auf, die Guajiras, milongas, vidalitas oder rumbas und später die colombianas. Und der Ein oder Andere bekommt jetzt Lust etwas länger zu verweilen in dieser weißen Stadt am Meer, vielleicht um Flamenco-Unterricht zu nehmen und selbst den „Duende“ zu verspüren.

Die Informationen über die Routen des Flamencos, Termine für die angebotenen Aktivitäten vor Ort und wie man sie reserviert, erfährt man im Internet unter www.andaluciaflamenco.org .
Informationen zu Andalusien im Internet unter www.andalucia.org

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