Speisewagen-Test

Entgleisung am Herd

Die Deutsche Bahn müht sich, ihren speisenden Gästen Gutes zu tun. Es kann einem aber auch schlecht davon werden, so das Ergebnis eines groß angelegten manager-magazin-Tests. Im kulinarischen Vier-Länder-Vergleich bleibt Deutschland nur der letzte Platz.

Die Karte ließt sich nicht schlecht
Zwei Herren in dunklen Anzügen, ein junger Mann am Laptop, ein älterer, der zur Zeitungslektüre eine Suppe löffelt – nicht viel los im Speisewagen des Vormittags-ICE von Hamburg nach Berlin. Gute Gelegenheit also für ein entspanntes Frühstück. Und es liest sich auch nicht schlecht, was die Karte verheißt.
Fitnessfrühstück (9,90 Euro) mit frischem Obstsalat, Boulevard-Frühstück (9,50 Euro) mit Holsteiner Mettwurst und Schwarzwälder Schinken, ein Business-Frühstück (14,90 Euro) mit Rührei und Bacon.

Auf das Verfallsdatum achten!!

Der Kellner trägt geschäftsmäßig Teller, Tassen und Orangensaft auf, dazu einen Korb, wohl gefüllt mit frischen Croissants und Brötchen. Auch Wurst, Käse und Rührei kommen appetitlich daher. Und das Ganze wird von einer strahlenden Frühjahrssonne in heitere Stimmung getaucht. Alles bestens, wenn sich doch nur das verdammte Butterbehältnis endlich aufreißen ließe. Die Alufolie obenauf sperrt sich gegen alle Versuche, sie abzuziehen. Über diesem Kampf mit der Plastikverpackung fällt der Blick auf deren Boden. Wo eine Prägung das Verfallsdatum nennt. Und siehe – seit zwei Monaten ist das gute Stück überfällig.

„Frische und hohe Qualität“

Einmal aufmerksam geworden, prüft der Gast auch bei anderen Produktpackungen die Daten. Auch die Kaffeesahne von Dallmayr ist schon zehn Tage zu lange auf Achse. So kann es dem Reisenden ergehen, der sich den kulinarischen Verlockungen der Deutschen Bahn hingibt. Deren Vorstandsmitglied Robert Etmans die Restaurantgäste in der Menükarte sechssprachig willkommen heißt und dabei vollmundig versichert: „Frische und hohe Qualität – hierauf haben wir bei der Gestaltung unseres Sortiments besonderen Wert gelegt.“

Deutschland ist Schlusslicht

Dies zu genießen oder aber fürchten zu lernen sind Redakteure von manager magazin auf Reisen gegangen, haben in den Bordrestaurants von ICE-Zügen quer durch die Republik die Speisepläne abgearbeitet. Die Weine dazu probiert. Und mit dem verglichen, was in Zügen Österreichs und der Schweiz auf den Tisch kommt. Deutschland ist – wen überrascht es eigentlich noch – auch hier wieder Schlusslicht, Herr Mehdorn.

Bei der ÖBB ist alles perfekt

Wer von Salzburg nach Innsbruck mit der österreichischen Bundesbahn fährt, findet eine umfangreiche Karte vor, die sogar eine „G’sund & Vital“-Rubrik beinhaltet – mit den Angaben von enthaltenen Kalorien, Fetten, Ballaststoffen bis hin zu Vitaminen. Außerdem: Stoffservietten! Und wer hier ein Wiener Schnitzel (9,90 Euro) bestellt, bekommt das auch – frisch aus der Pfanne. Als Dessert empfiehlt sich ein Kürbis-Schokoauflauf (4,60 Euro) mit Vanillesoße – perfekt nach k. u. k. Zuckerbäckertradition zubereitet.

Gourmetkarte im Zug in der Schweiz

Und dann erst die Schweiz. Hier kann der Gast gar – ein herber Mangel in Deutschland – für den Restaurantwagen Plätze vorab reservieren. Es lohnt sich: Wer den Elvetino – so die Bezeichnung des rollenden Esssalons – etwa von Zürich nach Genf nutzt, der bekommt eine Gourmetkarte vorgelegt, die sogar mit Gerichten nach dem Drei-Sterne-Koch Philippe Rochat glänzt.

Einfach göttlich

Dort gibt es zum Beispiel Saucisson mit Pistazien, serviert auf Linsen mit Balsamico (26 CHF). Eigentlich ein schlichtes französisches Landgericht, aber hier als wahre Gaumenfreude zubereitet. Danach einen lockeren Schokoladenkuchen (5,90 CHF) mit einer handgerührten Halbrahmhaube. Einfach göttlich.

Achselzuckend in Mitropa-Manier

Nicht nur, dass die Milchprodukte das Zeitliche gesegnet hatten – der Orangensaft billigste Konservenqualität, die Konfitüre desgleichen, das „Rührei naturell“ betonartig fest und kaum genießbar. Das auf der Karte geführte gekochte Ei gebe es leider nicht, erklärt der Kellner achselzuckend in Mitropa-Manier.

„Kochen wie ein Weltmeister“

Das Trauerspiel setzt sich beim Mittagsmahl fort. Auf der Strecke nach Westdeutschland geht es durch weites, flaches Land, eine zierliche Köchin mit langem blondem Pferdeschwanz wetzt die Messer, die sie aus ihrem Dienstkoffer unter der Sitzbank holt. Die Tische des eher schwach besetzten Speisewagens sind mit Werbesets geschmückt: „Kochen wie ein Weltmeister“, wird hier großspurig im Hinblick auf die Fußball-WM trompetet. Unter diesem Werbespruch werden regionale Spezialitäten aus Deutschland und aus WM-Teilnehmerländern angeboten, womöglich um bei ausländischen Reisenden einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

„Eiskalt serviert“

Das dürfte mit dem dort vorgestellten Pfefferpotthast – Rindergulasch in Zwiebelsoße mit Kapern, dazu Salzkartoffeln und Gewürzgurken, 10,90 Euro – aufs Trefflichste gelingen.
Tatsächlich auf den Tisch kommen nach einem unerheblichen „Gruß aus der Küche“ (zwei Baguette-Schnitten mit etwas Kräutercreme) nämlich ein paar Fleischstücke in einem gallertartigen braunen Glibber von Allerweltsgeschmack, am Rand drapiert sechs halbe Gurken, einzig die Kartoffeln sind in Ordnung. Der Rotwein dazu – eigentlich ein angenehmer Merlot für 7,20 Euro – wird leider eiskalt serviert. Ein Gruselgedeck, das Gäste sicher nachhaltig erinnern werden.

Lesen Sie bei t-online weiter:
www2.onwirtschaft.t-online.de/c/82/80/62/8280624.html

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