Am 23. Dezember 2001 übernahm Holger Bodendorf das Landhaus Stricker. 20 Jahre später zieht der Hotelier, Sternekoch, Manager und Familienvater nun im Interview Resümee, erinnert sich an besondere Meilensteine und erklärt, warum seine Mitarbeiter für ihn immer an erster Stelle stehen.
Holger Bodendorf ist angekommen. Auf Sylt schon lange, weit über seine Zeit im Landhaus Stricker hinaus. Aber auch in seinen verschiedenen Rollen inner- und außerhalb des Hotels und Restaurants. Zentral wichtig hierfür ist sein Team, das so viel mehr tut, als ihm den Rücken freizuhalten – denn das Landhaus Stricker ist ein „Familienhotel“ im wortwörtlichen Sinne.
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Herr Bodendorf, was macht in Ihren Augen das Landhaus Stricker so besonders, dass fast die Hälfte aller Gäste Stammkunden sind?
Wir haben uns vor 20 Jahren direkt als bekennendes Familien- und Urlaubshotel positioniert. Und mit Familie meine ich nicht nur die Gäste, sondern im Gegenteil sogar eher meine Mitarbeiter. Im Team lege ich großen Wert auf respektvollen und hilfsbereiten Umgang miteinander und dass der eine für den anderen einsteht. Ich bin sicher, diesen Zusammenhalt spüren auch die Gäste.
Das klingt, als legten Sie großen Wert auf Ihre Mitarbeiter.
Sie sind das Wichtigste für mich! Natürlich leben wir davon, dass Menschen Zimmer buchen und bei uns essen. Aber nur, wenn man gute Mitarbeiter hat, bekommt der Gast das Erlebnis, das er sich vorstellt. Mir ist unglaublich wichtig, hinzuhören, wie es meinen Leuten geht, sie zu fördern und zu schulen. 95 Prozent der Sorgen, die sich ein Mitarbeiter macht, kann ich in irgendeiner Weise lösen. Mein Team soll gerne zur Arbeit kommen und seine Leistung durch Motivation mit Freude abrufen. Das gilt natürlich ebenso für externe Partner, sei es der Landwirt, der uns mit tollem Gemüse versorgt, oder der Handwerker, der auch abends um elf kommt, wenn wir einen Notfall haben.
Worauf achten Sie beim Thema Förderung besonders?
Unsere aktuell 54 Mitarbeiter sind nicht nur Köche, Housekeeping oder Serviceprofis, sondern sie sind alle auch Gastgeber. Mir ist wichtig, dass jeder dem Gast gegenüber kompetent und qualifiziert auftreten kann, sei es bei Fragen zum Abendmenü, der nächsten Apotheke oder Ausflugsmöglichkeiten. Außerdem ist es bei uns keine Seltenheit, dass ein Mitarbeiter morgens auf der Etage hilft und abends im Service, ich bin ein großer Fan des generalistischen Denkens. Und zu guter Letzt finde ich es zentral, dass die Mitarbeiter den Betrieb durch Feedback – positiv wie negativ – weiterbringen. Da müssen wir ganz genau hinhören, nicht nur auf die Meinungen der Gäste.
Sie haben in den letzten 20 Jahren viel erreicht: Sie sind Inhaber eines sehr gut laufenden Hotels, halten seit 2002 einen Michelin-Stern, wurden dieses Jahr in den Relais & Châteaux Culinary Council berufen und außerdem Vize-Delegierter für Deutschland. Was waren Ihre Ziele, und hätten Sie sich Ihre Entwicklung so vorgestellt?
Am Anfang war das Thema Hotel für mich natürlich Neuland. Glücklicherweise haben wir sehr entspannt angefangen und uns die ersten neun Monate zu hundert Prozent auf die beiden Restaurants fokussiert. Erst am 23. Dezember 2001 wurde dann das Hotel eröffnet. Schon damals war unser größtes Ziel, unser Haus richtig am Markt zu positionieren, weshalb wir uns direkt vom Dehoga haben klassifizieren lassen. Zu der Zeit waren wir eines von nur zwei Fünf-Sterne-Hotels auf Sylt, das hat uns natürlich ungemein geholfen.
Wenn man die Anfangszeit mit heute vergleicht, haben wir eine Wahnsinnsentwicklung durchgemacht. Ich glaube, wir hatten an Anfang zwei Emailadressen, und von sowas wie Flachbildfernsehern in den Zimmern konnten wir nur träumen. Die Vermarktung des Hotels lief schwerpunktmäßig über den Printbereich und Reiseveranstalter. Das ist übrigens eine der größten Veränderungen: Heute verbringe ich jeden Tag unglaublich viel Zeit mit der Zusammenarbeit mit Online-Buchungsplattformen, die Verwaltung des Hotels ist wesentlich aufwendiger geworden. Beim Kochen sieht das genau andersrum aus, denn durch neue Techniken ist dieser Teil viel einfacher und besser vorzubereiten als noch vor 20 oder 30 Jahren.
Was waren für Sie persönlich die bedeutendsten Meilensteine in den letzten 20 Jahren und auf was sind Sie besonders stolz?
Wenn ich als Koch spreche, war natürlich der Stern ein ganz wichtiger Meilenstein, und ich bin sehr stolz, dass die Guides die Bewertungen meines früheren Gourmetrestaurants direkt im ersten Jahr auf das Bodendorf’s hier im Landhaus Stricker übertragen haben.
Als Hotelier gefragt, muss ich natürlich Relais & Châteaux nennen. Als begeisterter Fan waren erst die Aufnahme in den exklusiven Kreis, zwei Jahre später dann die Auszeichnung als Grand Chef und zuletzt die Berufung in den Culinary Council etwas ganz Besonderes für mich. Aktuell freue ich mich außerdem sehr, dass wir auch dieses Jahr wieder zu den 101 besten Hotels in Deutschland gehören.
Aber, und das kann ich gar nicht oft genug betonen, am meisten erfüllt es mich mit Stolz, wenn wir ein guter Arbeitgeber sind. Meine Mitarbeiter stehen und standen schon immer im Vordergrund, und ich habe mein Ziel erreicht, wenn sie gerne auf die Arbeit kommen und wir das Hotel gemeinsam jedes Jahr ein Stückchen weiter in die Zukunft bringen.
Wer oder was hat Sie auf dem Weg zu dem Unternehmer, der Sie heute sind, maßgeblich geprägt?
Da gibt es natürlich meine Lehrmeister wie Horst Petermann, Wolfgang Staudenmaier oder Heinz Wehmann, die mir in der Küche einiges beigebracht haben. Aber den größten Eindruck hat sicher Rudi Göhler, Eigentümer des Landhauses Stricker, auf mich gemacht. Ich hatte im Veneto hier auf Sylt einen Stern gekocht, und dann kam auf einmal Rudi Göhler zu mir und bat mir an, dieses fantastische Hotel zu übernehmen. Wir hatten ein großartiges Verhältnis und haben uns blind vertraut, und er bestand darauf, dass ich das Haus unter meinem eigenen Namen führe – Landhaus Stricker by Holger Bodendorf. In vielen, vielen Gesprächen brachte er mich dazu, alles zu hinterfragen und keine Angst davor zu haben, neue Wege zu gehen.
Neben allem, was Sie täglich im Landhaus Stricker leisten, schreiben Sie Bücher, sind regelmäßig im TV zu sehen oder kochen national und international. Wie schaffen Sie das alles auf so einem kontinuierlich hohen Niveau?
Ganz einfach: Alle meine leitenden Mitarbeiter haben sehr viele Freiheiten. Sie sind nicht meine Abteilungsleiter, sondern meine Partner, und dadurch halten sie mir den Rücken frei. Ich kann mich darauf konzentrieren, wie ich mich definiert habe und was für mein Leben wichtig ist: So nehme ich TV- und Gastkoch-Auftritte wahr und zahle damit natürlich auch auf die Außenwirkung des Hotels ein. Das macht mir einfach wahnsinnig viel Spaß. Genauso wenig lasse ich es mir aber nehmen, an fünf Tagen die Woche abends im Gourmetrestaurant einen Posten zu kochen.
Wie sehen Sie die Tourismus- und Gastronomie-Landschaft auf Sylt?
Sylt ist ein Ort, an dem man sich seinen Status erarbeiten muss. Das fängt dabei an, wie man seine Meinung verteidigt, geht darüber, wie man mit Kollegen umgeht und hört noch nicht bei den Mitarbeiterstrukturen im eigenen Haus auf. Aber ich bin sehr dankbar, dass wir so ein kollegiales Verhältnis mit den Mitbewerbern haben. Beispielsweise kooperieren wir mit den Privathotels Sylt, helfen uns gegenseitig, stellen Fragen und suchen gemeinsam Wege, wenn es Probleme gibt.
Prinzipiell war es immer meine Idee, neue Gaststrukturen nach Sylt zu bekommen, die über die klassischen Inselliebhaber hinausgehen. Natürlich ist Sylt eine bekannte Marke für sich. Aber wenn ich durch meine Aktivitäten im TV, als Gastkoch oder auf der MS Europa dazu beitragen kann, dass ein paar Menschen sagen „Hey, Sylt – lass uns doch da mal hinfahren“, dann bin ich glücklich.
Wie finden Sie Ruhe im stressigen Alltag zwischen Küche, Hotel und Familie?
Ehrlich gesagt habe ich keinen Stress. Wenn man in seinem Traumbetrieb arbeitet, tolle Mitarbeiter und Gäste, meine wundervolle Frau Nina und großartige Kinder hat, dann geht es einem gut. Logischerweise haben wir alle Arbeit, aber wir versuchen, den Stress aus Laden rauszunehmen, anstelle immer noch mehr Gästen hinterherzujagen. Anders als in früheren Zeiten gibt es zum Beispiel bei uns keinen Mittagsservice mehr, und wir haben die Anzahl der Plätze im Siebzehn84 auf 80 reduziert.
Aber natürlich brauche ich auch einen Ausgleich. Die meiste Zeit, die ich nicht in der Küche stehe, verbringe ich mit meiner Familie. Schließlich möchte ich meine kleine Tochter aufwachsen sehen. Ansonsten sind meine Leidenschaften Motorräder und alte Autos, und Sport spielt eine sehr wichtige Rolle. Sei es Laufen oder Stand-Up Paddling, ich liebe alles, was mit Sport zusammenhängt, und bewege mich, so oft es geht. Eine halbe Stunde am Tag muss einfach drin sein, sonst kriegt man den Kopf nicht frei, um ein guter Koch und vor allem ein guter Chef zu sein.
Apropos Sport: Sie haben immer wieder in das Spa und den Fitnessbereich investiert. Warum war Ihnen das schon so früh so wichtig?
Als wir vor 20 Jahren aufgemacht haben, hatten wir wahrscheinlich den größten Spabereich auf der Insel. Das war damals auch genau richtig so. Aber vor drei Jahren haben wir gemerkt, dass das Konzept nicht mehr zeitgemäß ist, und einen kompletten Neustart hingelegt. Zum Beispiel ist unseren Gästen das Sportangebot wichtiger als Kosmetik, das reflektieren wir mit einem hochmodernen Fitness-Bereich, der an einen Box-Club angelehnt ist. Unsere Wellness-Lounge mit Saunen, Dampfbad und Relax-Area ähnelt einem riesigen, exklusiven Wohnraum mit edlem Parkett und Kaminen, also ein wichtiger Wohlfühlort. Zwei Behandlungsräume gibt es natürlich auch.
Wenden wir uns der gastronomischen Seite zu: Was hat sich in den letzten Jahren an Ihrer Stilistik und Herangehensweise an die Gourmetküche geändert?
Ich glaube, dass wir generell keinen Trends hinterherjagen. Wenn ich sehe, wie die Mannschaft und ich damals mein Kochbuch gestaltet haben, sind wir unserem Stil treu geblieben. Es kommt heute sicher noch mehr darauf an, dass man das Bestmögliche aus einem Produkt herausholt – es soll genauso schmecken, wie der Gast sich das vorstellt. Und es wird vermehrt erwartet, dass man auf jedem Teller noch eine überraschende Raffinesse zaubert. Aber insgesamt würde ich sagen, gehen viele Köche wieder ein bisschen zurück zur Klassik, sowohl was das Kochen als auch das Anrichten angeht.
Warum haben Sie sich für entschieden, mit einem Küchenchef zu arbeiten?
Seit ich im Landhaus Stricker angefangen habe, hatte ich immer einen Küchenchef. Das hat einen einfachen Grund: Ich möchte sicher sein, dass auch, wenn ich mal nicht da bin, die größtmögliche Qualität auf die Teller kommt. Man kann nicht in teures Equipment oder einen tollen Weinkeller investieren und dann an der Mitarbeiterkompetenz sparen.
Das Landhaus Stricker hat eine außergewöhnlich umfassende Wein- und Champagnerkarte mit wahnsinnig vielen offenen Positionen. Warum?
In meinen vielen Jahren in der Sternegastronomie habe ich gelernt, dass guter Champagner und eine attraktive Weinauswahl für einen Gast, der viel Geld für ein Menü ausgibt, ebenso dazugehören wie das Essen, Kaffee, Digestif und ein guter Service. Wir wollen einfach ein rundes Erlebnis bieten.
Bitte beschreiben Sie kurz, was die Miles Bar so besonders macht und wie Sie sie dorthin geführt haben.
In der Bar musste was passieren, das Konzept war einfach in die Jahre gekommen. Und so habe ich zu meinem Architekten gesagt: „Bau mir eine Bar im Stil des Interconti Düsseldorf!“ Dort habe ich viele schöne Stunden verbracht, und dieses Gefühl wollte ich in unser Hotel holen. Wir haben großartigen Erfolg damit. Benannt ist sie übrigens nach dem Künstler Devin Miles, dessen Exponate bei uns im ganzen Haus zu sehen sind.
Was sind Ihre Pläne und Ziele für das Landhaus Stricker in den nächsten Jahren, was möchten Sie noch erreichen?
Zuerst einmal hätten wir natürlich gerne unser Jubiläum groß gefeiert, aber das kann ich aufgrund der aktuellen Situation meinen Gästen und Mitarbeitern gegenüber einfach nicht verantworten. Die Party holen wir dann zum 25-Jährigen nach!
Natürlich wünsche ich mir das Gleiche wie alle: ein stabiles Hotel, höhere Umsätze, geringere Wareneinsätze. Aber es ist mein größtes Anliegen, dass wir uns gemeinsam weiterentwickeln, die Prozesse in allen Abteilungen optimieren und die Mitarbeiter perspektivisch weniger und leichter arbeiten.
In den nächsten Jahren wird sich viel im Landhaus Stricker tun, wir werden uns weiter erneuern. Wir ruhen uns nicht auf den modernisierten Restaurants, der Bar und dem Wellnessbereich aus, als nächstes folgen alle Zimmer. Das ist ein wichtiger Schritt in unsere Zukunft, und wir stecken auch schon mitten in den Planungen. Es bleibt also spannend bei uns auf Sylt.
Vielen Dank für das Gespräch!
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Landhaus Stricker
Zusammenfassung
Am 23. Dezember 2001 übernahm Holger Bodendorf das Landhaus Stricker. 20 Jahre später zieht der Hotelier, Sternekoch, Manager und Familienvater nun im Interview Resümee, erinnert sich an besondere Meilensteine und erklärt, warum seine Mitarbeiter für ihn immer an erster Stelle stehen.