Kurz bevor ich der Coronaheimsuchung trotze und auf Reisen gehe, habe ich dem Berliner Restaurant Tulus Lotrek noch schnell meine Aufwartung gemacht. Auch die gewöhnungsbedürftige Homepage des Restaurants konnte mich von einem Besuch nicht abhalten. Es war auch nicht nur die Menükarte, die mich anlockte sondern die allseits gepriesene Unverkrampftheit und der humorvolle Service, der von vielen Bloggern und Journalisten bescheinigt wird. So etwas macht neugierig.
Casual fine dining. Das Zauberwort für alle, die keine Krawatte binden können und sich beim Anblick von Tischdecken in Panikattacken flüchten. – Kleiner Scherz.
Casual fine dining setzt sich immer mehr durch und wird gerne als besonders bedeutsam für einen jüngeren Gästekreis angepriesen, die sogenannten Millennials. Ihre fast schon krampfhafte Unverkrampftheit spart den Restaurantbetreibern so manche Nebenkosten ein. Bald schon werden sie die Baby-Boomer-Generation zahlenmäßig überholen. Besonders solvent sollen sie ebenfalls sein.
Millennials, ich schreibe das für die älteren Herrschaften unter uns, sind nicht nur die um die Jahrtausendwende Geborenen, wie man vielleicht dem Namen entnehmen könnte. Je nach Sichtweise umfasst die Altersgruppe, auch „Generation Y“ genannt, die Geburtenjahrgänge von 1983-1998 oder von 1980 bis 1996. Millennials sind heute also zwischen Anfang 20 und Ende 30. Die neue Mittelschicht liebt es ungezwungen, nicht nur bei der Kleidung sondern auch im Restaurant. Sogenannte „Luxusrestaurants“ mit Luxusprodukten meidet diese Klientel, seit sie, um es mal etwas überspitzt zu formulieren, in Flip Flops und mit Rucksack Flugzeuge bestiegen haben und in fernen Ländern und dunklen Gassen Fleischspieße am Straßenrand für die Spitze der Kulinarik gehalten haben.
Casual rund ums Essen ist mir eher gleichgültig. Ich komme aber auch gut ohne Tischdecken und Servicemitarbeiter im Smoking aus. Beim „fine dining“ verstehe ich aber keinen Spass. Hier liegt die Latte hoch. Im Drumherum ist das Tulus Lotrek klar casual. Das Essen schauen wir uns gleich genauer an.
Vielleicht noch etwas zum Namen des Restaurants. Nein, der Name entstammt keiner Rechtschreibstörung. Zwar soll er eine Anspielung auf den französischen Maler und Bohémien Henri de Toulouse-Lautrec sein, die Verballhornung allerdings soll der Erwartung vorbeugen, dass hier exakt eine klassisch-französische Küche zelebriert wird. Darauf muss man erst mal kommen.
Maximilian Strohe hat mit seiner Crew einen Michelinstern erkocht. Strohe hat nicht, wie viele andere vor ihm, in ausgewiesenen Spitzenküchen gearbeitet. Er absolvierte im Hotel-Restaurant Hohenzollern in Bad Neuenahr-Ahrweiler unter Inhaber Ludger Volkermann und Küchenchef Martin Anton Reuter eine Ausbildung zum Koch. Nach einigen beruflichen Stationen – unter anderem auf der Insel Kreta und in Hannover – zog es ihn 2009 nach Berlin, wo er sich 2015 mit Ilona Scholl selbstständig machte.
Lebensgefährtin Ilona Scholl fungiert als Gastgeberin. Wahrscheinlich war sie auch an unserem Tisch, doch erkennen konnte ich sie mit Mund-Nasenschutz nicht. Die Crew geistert als Tapete verkleidet durch das Restaurant. Darüber ist schon genug geschrieben worden.
Nach branchenüblichem Empfang werden wir zu unserem Tisch geleitet und los geht das Vergnügen.
Macaron aus Rote Bete mit Hibiskus
„Pizzahappen“ mit Olive, Parmesan und Anchovicreme (o.ABB.)
„Peffermakrele“
Zwei sehr schöne Stücke, an der Haut gegart. Genau genommen, geschmolzen.
Dazu wurde ein gekühlter Makrelensud (o.Abb.) gereicht, der das volle Aroma der Makrele spiegelte. Ein wuchtiges und aromatisches Geschmacksbild.
Steinbutt, an der Gräte gegrillt.
Beurre blanc von Champagner und geräuchertem Steinbuttfett
Ein überaus köstliches Teil vom Steinbutt mit einer leicht süßlichen Note durch den Sud. Mit erheblicher Verspätung wurden die Reste der aromatischen Kreation mit einigen Herzmuscheln bereichert. Zu diesem späten Zeitpunkt eher störend als begeisternd.
St. Jakobsmuschel X.O., Yuzu, Karotte
Bretonische Jakobsmuschel in einer Dashi von Krustentieren mit brauner Butter, Yuzu-Gel und Karottenpürree
Strohe arbeitet anscheinend gerne mit Jakobsmuscheln, denen er unterschiedliche Begleiter zur Seite stellt. Das Gericht war schmackhaft, zitronig und mit spürbaren Schärfenoten versehen.
N25 Kaluga Kaviar „a la bordelaise“
Dashi von gedörrten Champignons, Eierstich und Petersilienöl
Der Kaviar des Huso dauricus Kaluga-Störs gilt als besonders edel. Der Kaluga-Kaviar hat eine elegante, einzigartige und langanhaltende Geschmackstiefe. Dieser Kaviar wird von den reifsten Störarten im Alter zwischen 15 und 25 Jahren produziert. Der Kaviar hat einen wunderschönen nussigen Geschmack, große Perlen, eine feste, glatte Textur und eine goldene Farbe.
Der N25 Kaviar kommt aus dem Yunnan Plateau in der Grenzregion China-Tibet. Hier befindet sich auf 2200 Meter Höhe das perfekte Mikroklima mit frischem Quellwasser und reiner Luft für die Aufzucht einzigartiger Kaluga-Störe.
Der Kaviar wurde mit den oben genannten Begleitern serviert. Insgesamt ein sehr schönes Aromenbild, dem das gestockte Ei etwas Biederkeit verlieh.
Carabinero,
in der Schale frittiert, Bouillabaissesud und Korianderöl
Sehr schön zubereitet. Nichts fehlte, nichts war zuviel.
BBQ-Kalbsfilet und Bries,
Chablis und grüner Spargel
Das Bries wurde angebraten und kurz in Butter geschwengt und mit ein paar Holunderbeerkapern versehen. Wer möchte, kann hier sehr viel Frankreich erkennen.
Frozen Yoghurt und Zitrone
Süß und sauer kam das Dessert mit etwas Kalamansi angereichert prächtig zur Geltung.
Haselnussnougateis,
Meersalz
Wein und Service:
Zunächst gilt es festzustellen, dass die Servicemitarbeiter keine Comedians sind, wie man eventuell aus so manchen euphorischen Berichten entnehmen könnte. Der Service ist überaus professionell, engagiert und ungezwungen.
Die Weinkarte ist erfreulich gut sortiert. Man findet darin viele Flaschen, die Spass machen können.
Bei der Weinbegleitung ist die Freude nicht ganz so groß. Das möchte ich auch gerne näher ausführen.
Schon oft habe ich darüber geschrieben, dass Weine zum Essen, aber auch zum Gast passen müssen. Von den Weinen an diesem Abend hätte ich keinen käuflich erworben. Mein Geschmack blieb sozusagen außen vor. Daher erspare ich mir auch deren Beschreibung.
Zu den Speisen allerdings, passten die Weine wunderbar. Da hat man sich wirklich etwas Tolles einfallen lassen. Mit diesem Zwiespalt muss ich nun leben.
FAZIT:
Maximilian Strohes Küche möchte, wie die Namensgebung des Restaurants verrät, nicht allzu sehr mit Frankreich in Verbindung gebracht werden. Die Wurzeln sind jedoch klar erkennbar. Er zählt zweifellos zu dem Kreis kreativer Köche, die das Verständnis für eine deutsche Spitzenküche beleben, der es gelingt ein jüngeres Publikum zu begeistern.
Seine Gerichte sind schmackhaft, in Teilen allerdings zu würzig geraten, um die erstklassigen Produkte für sich sprechen zu lassen. Strohe bereits jetzt der Avantgarde zuzurechnen, ist nach einem einmaligen Besuch nicht zweifelsfrei zu konstatieren. Entwicklungspotenzial ist jedenfalls reichlich vorhanden.
Summary
Kurz bevor ich der Coronaheimsuchung trotze und auf Reisen gehe, habe ich dem Berliner Restaurant Tulus Lotrek noch schnell meine Aufwartung gemacht. Auch die gewöhnungsbedürftige Homepage des Restaurants konnte mich von einem Besuch nicht abhalten.
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