Das Thunfischangebot der deutschen Supermärkte und Discounter hat sich in Sachen Nachhaltigkeit verbessert – bei den meisten preisgünstigen Dosenprodukten ist jedoch weiterhin Vorsicht geboten.
Ob auf der Pizza, auf dem Grill oder im Salat: Der Appetit der Deutschen auf Thunfisch nimmt weiter zu. Um fünf Prozent ist der hiesige Thunfischkonsum 2019 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, von gut 61.000 auf 65.000 Tonnen. Damit hat der Thunfisch nun endgültig den Hering von Platz drei der beliebtesten Speisefische Deutschlands verdrängt.
Acht von zehn Einzelhändlern verbessern ihr Thunfischsortiment. EDEKA, Netto und Lidl haben die Nase vorn.
Acht der zehn größten deutschen Supermärkte und Discounter haben heute einen höheren Anteil nachhaltiger, MSC-zertifizierter Ware in ihrem Thunfischsortiment als noch vor einem Jahr. Den größten Sprung hat Netto gemacht: Der Discounter hat seinen Anteil nachhaltiger Thunfischprodukte innerhalb eines Jahres vervierfacht. Bei den Supermärkten hat derzeit das Thunfischsortiment von EDEKA die Nase vorn, bei den Hard-Discountern hat Lidl das nachhaltigste Thunfischangebot.
Auf den Gesamtmarkt gerechnet hat sich der Anteil von MSC-zertifiziertem Thunfisch in den Kategorien Tiefkühlung, Frischfisch/Kühlung und Konserve mit einem Anstieg von acht auf 23 Prozent fast verdreifacht, so die aktuelle Marktanalyse, die die Marktforschungsinstitute DTO Research und IRI Infoscan im Auftrag des MSC durchgeführt haben.
Stefanie Kirse, Leiterin des MSC Deutschland/Österreich/Schweiz: „Diese Entwicklung im Thunfischsegment war lange fällig und ist sehr erfreulich! Je deutlicher der Handel – und die VerbraucherInnen – Fisch aus nachhaltiger Fischerei einfordern, umso größer der Anreiz für Fischereien, ihre Fangaktivitäten auf nachhaltige Beine zu stellen. Auf dieser Grundannahme fußt unser Programm. Es ist schön zu sehen, dass sich die Nachhaltigkeitslücke, die es in Deutschland beim Thunfisch gibt, nun ein Stück weit schließt.“
Die Kehrseite der Medaille: Wenig Nachhaltigkeit bei den günstigen Dosenprodukten
Dass nach den Sortimentsumstellungen des vergangenen Jahres heute ein Viertel des im deutschen Einzelhandel verkauften Thunfischvolumens aus kontrolliert nachhaltiger Fischerei stammt, bedeutet im Umkehrschluss leider auch: 75 Prozent der in Deutschland verkauften Thunfischmenge kommt weiterhin ohne kontrollierte Nachhaltigkeit und ohne gesicherte Rückverfolgbarkeit auf unsere Teller.
Die Crux sind hier die Dosenprodukte, die in Deutschland 70 Prozent des Thunfischkonsums ausmachen: Während die Nachhaltigkeit bei Premiumprodukten und saisonaler Aktionsware, wie z.B. tiefgekühlten Thunfischsteaks oder gekühlten Frischfisch, sehr hoch ist, ist das Nachhaltigkeitsdefizit beim umsatzstarken Dosenthunfisch im unteren Preissegment weiterhin groß.
Nachhaltigkeit braucht Transparenz, Rückverfolgbarkeit und unabhängige Kontrollen
„Im Fokus der Nachhaltigkeitsbemühungen von Handel und Herstellern“, so Stefanie Kirse, „müssen verstärkt die preisgünstigen Dosenprodukte stehen. Aus welchen Fischereien kommen diese Mengen? Wurden sie legal und nachhaltig gefischt? Welchen verlässlichen, unabhängigen Nachweis gibt es über die eingesetzten Fangmethoden, über Beifang und Fangmengen? Nachhaltigkeit braucht Transparenz, Rückverfolgbarkeit und unabhängige Kontrollen!“
Erste positive Entwicklungen gibt es jedoch auch in diesem Bereich zu verzeichnen: real, EDEKA und Netto haben als erste Einzelhändler auch Produkte im Preiseinstiegssegment auf MSC-zertifizierten Thunfisch umgestellt.
Die Situation der globalen Thunfischbestände
Die weltweite Thunfischfangmenge ist 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 10 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg geht auf das Konto des Echten Bonito, des kleinsten aller Thunfische: Seine Fangmenge stieg im vergangenen Jahr um 12 Prozent an, während die Fangmengen der anderen vier kommerziell genutzten Thunfischarten – vom Weißem Thunfisch bis zum Blauflossenthunfisch – jeweils leicht rückläufig waren [1]. Diese Entwicklung ist insofern erfreulich, als die Bestände des Echten Bonito derzeit in allen Ozeanen eine gesunde Bestandsgröße haben, also nicht überfischt sind.
Von den 18 Beständen der übrigen vier Thunfischarten haben aktuell zehn eine gesunde Bestandsgröße, vier gelten als überfischt [2]. Auch wenn damit 65 Prozent aller weltweiten Thunfischbestände in einem guten Zustand sind: Wie fragil diese Situation sein kann, zeigt der Gelbflossenthunfisch im Ostpazifik, dessen Bestand innerhalb eines Jahres von „grün“ auf „rot“ gekippt ist. Umgekehrt können strenge Fangregulierungen und eine nachhaltige Befischung auch positive Auswirkungen auf die Entwicklung von Thunfischbeständen haben: Der Fall des Ostatlantischen Blauflossenthuns, der jahrzehntelang überfischt war und sich nun erholt hat, ist ein Beispiel hierfür.
Der MSC Thunfisch-Bericht 2020 zeigt die Veränderungen des deutschen Thunfischmarktes im vergangenen Jahr auf und beleuchtet aktuelle globale Entwicklungen dieses Sektors mit Daten, Schaubildern und Infografiken. Auch wichtige aktuelle Themen wie Hai-Beifang und Hai-Finning, Menschenrechte oder Unterstützungsmöglichkeiten für Thunfischfischereien im globalen Süden werden behandelt.
Das Update 2020 ergänzt den letztjährigen MSC Thunfisch-Bericht 2019, welcher neben aktuellen Markt- und Bestandsdaten auch auf viele fischereispezifische Themen wie Fangmethoden, den Einsatz von Fischsammlern (FADs), illegale Fischerei oder die Beifangproblematik eingeht.
[1] FAO (Food and Agriculture Organisation of the United Nations)
[2] ISSF (International Seafood Sustainability Foundation)
Summary
Thunfisch-Bericht: Der Appetit der Deutschen auf Thunfisch nimmt weiter zu. Um fünf Prozent ist der hiesige Thunfischkonsum 2019 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, von gut 61.000 auf 65.000 Tonnen. Damit hat der Thunfisch nun endgültig den Hering von Platz drei der beliebtesten Speisefische Deutschlands verdrängt.