Billy Wagner* gegen den Guide Michelin

Der Inhaber des Berliner 1 Sternerestaurant Nobelhart & Schmutzig, Billy Wagner, schreibt auf seiner Facebook Seite:

Gestern wurde der neue Michelin Guide veröffentlicht. Wie in der französischen Ausgabe findet sich darin ein neues Emblem für Restaurants, die sich durch besonderen Einsatz in Sachen Nachhaltigkeit auszeichnen: Das grüne Blatt. Selbiges heftete der Guide Michelin kurzerhand dem Nobelhart & Schmutzig sowie 18 deutschen Restaurants an den Latz.

Natürlich, ehrt und freut mich das. Und es ärgert mich zugleich. Es ärgert mich, da Michelins Auszeichnung für Nachhaltigkeit intransparent, irreführend und letztendlich nicht nachhaltig ist.

Nun magst du einwenden, der Name Michelin stünde genauso wenig für Transparenz wie Billy Wagner Nobelhart & Schmutzig für lammfromme Enthaltsamkeit. Es liegt sozusagen in der Natur der Sache und ist daher auch keine legitime Kritik. Was die Restaurantbewertungen angeht, mag das so sein. Da wissen und akzeptieren wir: Die Wege des Guide Michelin sind unergründlich. Die Tester sind anonym; erfahren Speis und Trank wie jeder olle Gast an jedem ollen Tag.

So ist er eben, der Guide Michelin. Da hat die Intransparenz durchaus ihren Platz. Wo Intransparenz keinen Platz hat? In Sachen Nachhaltigkeit.

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Lieber Guide Michelin, 

woher wollt ihr denn wissen, dass wir beim Nobelhart & Schmutzig wirklich so nachhaltig sind? Klar: Ich quatsche viel, gern und vor allem auch laut. Zum Beispiel über regionale Nahrungsmittel, über die Zusammenarbeit mit kleinen Produzenten, über alte Hühnerrassen oder saisonales Grünzeug. Es freut mich, dass einiges davon auch bei euch angekommen ist.

Aber ist mein Gelabere denn wirklich genug, dass wir dafür eine Nachhaltigskeitszertifizierung verdienen? Was ist mit den Kollegen, die nicht so laut krähen, aber trotzdem nachhaltig arbeiten?

Und überhaupt:

… Seid ihr euch sicher, dass wir im Nobelhart & Schmutzig nicht tonnenweise Müll produzieren?

… Wisst ihr eigentlich, ob wir nicht doch denn dreckigsten, billigsten CO2-Schleuder-Stromvertrag haben?

… Und kann es nicht sein, dass ich Großmaul nicht einfach nur erzähle, wie toll nachhaltig wir doch sind? Habt ihr es denn nachgeprüft? Belohnt ihr uns nicht vielleicht einfach für fein grünes Marketing?

Billy Wagner

Lieber Guide Michelin, 

ein Abendessen kann man durchaus mit seinen professionell gespitzten Sinnen im jeweiligen Moment genießen und auf dieser Grundlage seine Bewertung verfassen. Aber Nachhaltigkeit?

Um dazu eine qualifizierte Aussage zu treffen, gilt es, bloßen Hype zu hinterfragen und Fakten zu kontrollieren. Ein echtes Nachhaltigkeitssiegel müsste im Restaurant und über seine Lieferkette hinweg hinter die Kulissen schauen. Tatsächlich haben wir im Nobelhart schon viel Zeit und Aufwand in das Thema Nachhaltigkeit investiert. Täglich lernen wir dazu. Das Nachhaltigkeitssiegel des Guide Michelin maskiert die Komplexität, welche das Thema Nachhaltigkeit im Restaurantbetrieb tatsächlich innehat: Verwendet man Glas anstelle von Plastikbehältnissen, nutzt man biologisch abbaubares Markierband anstatt der konventionellen Alternative, usw. Und trotzdem: Wir vermuten, man hat uns das grüne Blättchen nicht für unsere realen Anstrengungen verliehen, sondern für unser Marketing.

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Lieber Guide Michelin 

man befördert Nachhaltigkeit nicht dadurch, dass man den schönen Schein oder grünes Marketing auszeichnet. Ebenso befördert man Nachhaltigkeit nicht dadurch, dass man sie als wert- und sinnentleerte Chiffre lediglich im Sinne des eigenen Marketing anführt.

Es tut mir leid, es so sagen zu müssen: Euer kleines grünes Blättchen? Leider gar nicht nachhaltig. Bei der Nachhaltigkeit muss Intransparenz aufhören. Aber genug der Beschwerden. Lieber Ralf Flinkenflügel, ich lade Sie hiermit herzlich ein, uns tagsüber zu besuchen und mit uns über Nachhaltigkeit zu sprechen: Was dies im Restaurantalltag bedeutet, was wir bereits geleistet haben und wo Probleme bestehen.

Vielen Dank für’s Zuhören. (Bzw. Lesen)

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Billig Wagner zum Michelin: Euer kleines grünes Blättchen? Leider gar nicht nachhaltig. Bei der Nachhaltigkeit muss Intransparenz aufhören. Aber genug der Beschwerden

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