Bernhard Steinmann interviewt Thomas Schanz

Zweifellos gehört er zu den Stillen im Lande. Kochen auf höchstem Niveau mit Präzision und Finesse, das ist genau sein Ding. Thomas Schanz verzaubert an der Mosel seine Gäste mit kreativer und gradliniger Küche, kombiniert mutig, aber nicht übermütig und präsentiert seine Gerichte äußerst attraktiv. 

Nach einem tollen Abend im Restaurant hatte ich am nächsten Tag die Möglichkeit ein Gespräch mit ihm zu führen. Hier nun das Interview:

Bernhard Steinmann (B.St.): Balance, Leichtigkeit, Kreativität, Akkorde und Texturen, all dies taucht in Berichten über Ihr Restaurant auf. Wie beschreiben, wie sehen Sie Ihre Küche?

Thomas Schanz (T. Sch.:) Die Richtung ist eine kreative, spannende Küche auf Basis der französischen Küche. Dabei ist allerdings eine gewisse Leichtigkeit von großer Bedeutung die trotzdem viel Geschmack, Würze und eine gewisse Aromendichte präsentiert. Oftmals zunächst vermeintlich bekannte Aromen in unerwarteten Darstellungen und Kombinationen. Dabei geht es auch um Nuancen, alles muss passen. 

Am Ende des Abends soll der Gast nach sechs oder sieben Gängen gesättigt aber nicht übersättigt nach Hause gehen.

B.St.: Sie haben einen sehr eigenständigen Stil entwickelt, der zumindest mich nicht immer und unmittelbar an die französische Klassik erinnert.

T.Sch.: Das stimmt!

Mit der französischen Küche im klassischsten Sinne hat das nicht mehr so viel zu tun. Es ist vielmehr eine individuelle Weiterentwicklung des Erlernten.

Das Handwerk wie ich z.B. Fonds, Saucenansätze und die Produktbehandlung kommen aus der französischen Küche. Mit dieser Basis kann man in alle Richtungen experimentieren.

B.St.: Bevor Sie Ihr eigenes Restaurant eröffnet haben, waren Sie bereits in erstklassigen Häusern beschäftigt. Auch wenn Sie sich stilistisch emanzipiert haben würde ich gerne wissen, wie sehr Sie beispielsweise Erfort oder Thieltges beeinflusst haben?

T.Sch.: Ich habe mir damals Restaurants ausgesucht, bei denen ich sicher sein konnte viel zu lernen. Es geht um Geschmack und Qualität.

Beeindruckt haben mich beide mit ihrem absoluten Produktfetischissmus, Klarheit und kulinarischer Weitsicht.

B.St.: Ist es nach dem Hype um den zweiten Michelinstern etwas ruhiger geworden? Ist jetzt mehr Routine eingekehrt?

Thomas Schanz (© Bernhard Steinmann)

T.Sch.: Von Routine möchte ich nicht sprechen. Es geht um eine ständige Weiterentwicklung. Das nächste Gericht muss ein bisschen besser sein oder zumindest ebenbürtig. Es darf kein Stillstand entstehen.Es macht auch unheimlich viel Spass zu sehen, wie das Restaurant wächst, wie neue Gäste gewonnen werden. 

B.St.: Die Verzierung mit Blüten, so mein Eindruck, nimmt allmählich überhand. Sehen Sie darin tatsächlich unverzichtbare Aromastoffe?

T.Sch.: Es kommt immer darauf an, wie das Gericht aufgebaut ist. Blüten können dann sogar kulinarisch förderlich sein. Beispielsweise bei einem Gericht wie Hummer mit Maracuja. Dort können Blüten durchaus sinnvoll unterstützen bzw. im Kopf eine Richtung oder eine Erwartung animieren. 

B.St.: Regionalität erscheint vielen Gästen als Qualitätsnachweis. Wie regional muss gute Küche sein?

T.Sch.: Gäste sprechen die Regionalität manchmal an. Wichtig ist, das haben Sie bestimmt schon häufig gehört, die Qualität. Obst und Gemüse beziehe ich fast ausnahmslos aus der Region weil die Qualität einfach top ist. Beim Fisch sieht das etwas anders aus. Da nehme ich die beste Qualität, die es auf dem Markt gibt. Regionalität kann da nicht dogmatisch im Vordergrund stehen. Ich bin ohnehin der Meinung, dass man sich keine Selbstbeschränkung auferlegen soll. Man kocht immer das am Besten was man selber gerne mag!

B.St.: Werden bei Ihnen häufig vegetarische oder vegane Menüs angefragt?

T.Sch.: Vegane Menüs biete ich nicht an. Sie erfordern einen erheblichen zusätzlichen Zeitaufwand.

Vegetarische Menüs, auch wenn sie nicht auf der Karte stehen, machen wir gerne und diese kommen auch sehr gut an.

B.St.: Sternekoch Christian Bau beklagte in einem Interview mit den Restaurant-Ranglisten einen fehlenden Zusammenhalt unter den deutschen Spitzenköchen. Er möchte die Darstellung im Ausland verbessern. Ist das auch ein für Sie wichtiger Punkt?

T. Sch.: In vielen Punkten stimme ich Christian Bau zu.

Ich denke international können wir nichts mit der Brechstange erreichen. Wir müssen uns in der Breite individuell weiterentwickeln und unsere Stärken ausspielen. Meiner Meinung nach haben wir von unseren einheimischen Gästen großen Zuspruch. Wie sonst kann es sein, dass über 300 Sternerestaurants bei anspruchsvollsten Gästen funktionieren.

Das ist doch was! Und die gesunde Basis auf der wir auch in Zukunft internationional einen Namen aufbauen.

B.St.: Eine Folge des mangelnden Zusammenhalts seien, so Bau, die schlechten Platzierungen deutscher Restaurants in internationalen Rankings, wie der Liste der „The World’s 50 Best Restaurants“. 

Genügt es nicht einfach besser zu kochen?

 T.Sch.: (Lacht). Es geht bei dieser Liste um angesagte Restaurants. Natürlich sind das top Küchen. Da kommt es stark auf die Außendarstellung der Protagonisten an. Ich glaube, dass es tatsächlich fast unmöglich ist eine Liste mit den 50 besten Restaurants der Welt zusammenzustellen. Nach einer Kategorie ja, aber nicht nach Platzierungen.

Wer testet das? Welche einheitlichen Kriterien werden aufgestellt? Verschiedene Nationen zu vergleichen ist sehr schwierig da auch ein unterschiedliches Essverhalten herrscht. 

Es ist aber insgesamt eine sehr spannende Sache, schließlich wird ein bestimmtes Klientel dabei angesprochen. Wenn dadurch Leute für einen Restaurantbesuch animiert werden, ist das durchaus positiv zu sehen.

B.St.: Eine Liste, die auch Sie interessieren dürfte ist die von Rolling Pin bei den diesjährigen Chefdays. Gästen hilft ein Ranking bei der Einordnung von Restaurants. Haben Rankings auch für Sie eine besondere Bedeutung?

T.Sch.: Natürlich helfen solche Ranglisten den Gästen bei der Einschätzung oder Einordnung von Restaurants. Ich glaube allerdings, dass die meisten Gäste sich an der Kategorie der Sterne und dem Netz orientieren oder durch Mund-zu-Mund-Propaganda auf die Restaurants aufmerksam werden. 

Empfehlungen durch Gäste sind immer noch etwas Besonderes.

B.St.: „No shows“ scheinen zu einem größeren Problem zu werden. Restaurants werden daher verstärkt zum „ticketing“ sprich Vorkasse greifen. Hat das Problem die Mosel schon erreicht?

T.Sch.: Es gibt schon Tage, da passiert das auch hier, was natürlich ziemlich ärgerlich ist. Auf das Jahr hochgerechnet fällt das aber kaum ins Gewicht. Ich kann mir vorstellen, dass das Problem in Großstädten eher verbreitet ist.

B.St.: Haben Sie auch noch die Möglichkeit bei Kollegen essen zu gehen, mal zu schauen, was die Mitbewerber so machen?

T.Sch.: Das würde ich schon gerne öfters tun, aber das eigene Restaurant lässt hier nicht allzuviel Spielraum zu. Ich interessiere mich schon sehr dafür, was die Kollegen machen.

Allerdings ist es Anfangs sogar wichtig, wenn man sich beim Finden der eigenen Handschrift auf die persönlichen Vorlieben konzentriert und sich nicht an zu vielen verschiedenen Stilen begeistert.

B.St.: Wie gehen Sie bei der Konzeption eines neuen Menüs vor? Gibt es den berühmten Roten Faden an dem Sie sich entlanghangeln? Bestimmt die Saisonalität und Regionalität der Produkte die Menüauswahl?

T.Sch.: Ich entwickle grundsätzlich nie ein neues, komplettes Menü. Das würde auch schnell eine Küche überfordern. Es geht bei uns um eine ständige Entwicklung von neuen Gerichten, die in einer schönen Regelmäßigkeit auf die Karte finden.

Saisonalität, der Spannungsbogen bei den Produkten und Aromen, sowie ein balanciertes Säure-, Würze- Fruchtspiel spielen bei der Konzeption eine große Rolle.

B.St.: Auf Ihrer Karte gibt es noch à la carte Gerichte. Das ist in der Spitzengastronomie nicht überall so. Häufig werden nur ein oder zwei Menüs angeboten. Ich hatte gestern den Eindruck, dass die Gäste dennoch überwiegend das Menü ordern. Sehe ich das richtig?

T.Sch.: Bei uns wird das Menü zu etwa 80 bis 90 Prozent geordert.

À la carte ist aber dennoch sehr wichtig und ich biete es immernoch gerne an.

Es ist eine sehr gute Alternative zum Menü. Viele unserer Gäste kommen aus Luxemburg und Frankreich, die gerade im Mittagsservice gerne á la carte bestellen. 

Auch bei Stammgästen, die häufiger im Jahr kommen, kann ich dadurch flexibler reagieren. Sie bekommen mit Hilfe der à la Carte Karte immer neue Menüs zusammengestellt. Quasi ein anderes Menü im gleichen Küchenstil. 

Diese Flexibilität ist mir sehr wichtig.

B.St.: Als wir früher Restaurants besuchten waren wir oftmals eher bei den jüngeren Gästen. Heutzutage sieht das etwas anders aus. Junge Gäste sind wichtig. Wie sieht es bei Ihnen aus. Kommen eher die älteren Semester oder überwiegend jüngere Gäste?

T.Sch.: Das ist sehr gemischt. Ich bin sehr froh darüber, dass auch Leute die 30 Jahre oder jünger sind, sozusagen der Nachwuchs, bei uns zu Gast sind.

Das liegt auch an unserer offenen Präsentation. Wir haben keinen steifen Service. Natürlich hält der Service die Regeln ein, allerdings mit einer gewissen Lockerheit.

Die Gäste sollen einen schönen Abend bei uns verbringen. Dazu gehören auch Gespräche, man darf auch mal herzlich lachen.

Das war früher bestimmt anders. Damals hatte man mit dem Ablegen des Bestecks wohl das lauteste Geräusch verursacht. Das ist heute nicht mehr zeitgemäß. Die Leute möchten Spaß haben und Spannung bei richtig guten Gerichten, sich unterhalten und lachen.

B.St.: Ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das interessante Gespräch. 

Summary

Thomas Schanz verzaubert an der Mosel seine Gäste mit kreativer und gradliniger Küche, kombiniert mutig, aber nicht übermütig und präsentiert seine Gerichte äußerst attraktiv.

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