Bernhard Steinmann interviewt Christian Scharrer

© Bernhard Steinmann

Eingebettet in einen traumhaften Park liegt das Schlossgut Weissenhaus mit einem direkten Zugang zum Ostseestrand. Natürlich gehört zu dem aufwendig renovierten Gebäudekomplex auch ein Restaurant mit feiner Gourmetküche. Christian Scharrer, der bereits in Travemünde zwei Michelinsterne erkochen konnte, hat dies im Restaurant Courtier eindrucksvoll wiederholt. 

Scharrer absolvierte seine Ausbildung in seinem Geburtsort Waldshut. Bemerkenswerte Stationen folgten. Beispielhaft nenne ich Jörg Müller auf Sylt, das Hotel Fürstenhof in Landshut, die Villa Hammerschmiede in Pfinztal,   die legendäre Schwarzwaldstube der Traube Tonbach in Baiersbronn mit dem Ausnahmekoch Harald Wohlfahrt und das Buddenbrooks in Travemünde.

Durchweg gute Bewertungen erhält die Küche des Restaurants Courtier von den wichtigsten Restaurantführern. Der „Große Guide“ bewertete die Leistung mit fünf Kochmützen und zeichnete Christian Scharrer nun schon zum zweiten Mal nach 2011 als „Koch des Jahres“ aus. Das ist gerade vor dem Hintergrund einer steigenden Zahl von Spitzenköchen bemerkenswert.

Vor dem Besuch des Restaurants Courtier bekam ich die Gelegenheit, das nachfolgende Interview mit Christian Scharrer zu führen.

Bernhard Steinmann (B.St.): Kurz bevor wir hier ankamen sagte meine Frau, sie wäre jetzt wohl lieber im Schwarzwald, da die Landschaft gerade etwas eintönig sei. Wie geht es Ihnen? Sie kommen schließlich aus dem Schwarzwald.

Christian Scharrer (Ch.S.): Ich bin überrascht, dass Sie das sagen, das sehe ich überhaupt nicht so. Die Rapsblüte ist gerade vorbei. Es gibt nichts Schöneres als den Hochsommer an der Küste zu verbringen. Auf den Feldern herrscht tüchtiges Treiben, die Ähren werden gerade geschnitten. Der tägliche Weg in meine Küche ist gesäumt von vielen wunderbaren Eindrücken dieser Art. Natürlich denke ich auch mal an den Schwarzwald zurück, aber jede Region hat seine Vorzüge. Man kann an der Ostsee ganz hervorragend Fahrrad fahren und wandern, das macht den Kopf frei und entspannt. 

B.St.: Sie waren bei Jörg Müller und Harald Wohlfahrt. Sieht man das noch an Ihren Kreationen?

Ch.S.: Am Anfang meiner Karriere waren die Spuren noch sehr deutlich zu erkennen. Doch heute, nach drei wundervollen und lehrreichen Jahren auf Weissenhaus, habe ich immer mehr zu meinem eigenen Stil gefunden und entwickle diesen permanent weiter. Trotzdem erinnere ich mich gern und in kurzen Sequenzen an die Zeit bei Harald Wohlfahrt und Jörg Müller zurück. 

B.St.: Das ist ja nun nicht gerade ein Nachteil.

Ch.S.: Natürlich nicht, ich sehe sogar eher einen Vorteil darin. Man kann und sollte seine Wurzeln niemals verbergen. Gerade Harald Wohlfahrt hat mich in meiner Karriere stark geprägt. Ebenso war es bei anderen Stationen. Man nimmt überall etwas mit und lernt dazu.

B.St.: Klassische Gourmetküche steht auf der Homepage des Restaurants. Ein, wie ich finde, sehr unbestimmter Begriff. Wie interpretieren Sie diesen Begriff? Wie beschreiben Sie Ihre Küchenphilosophie?

Ch.S.: Ich möchte nicht von einer generellen Küchenphilosophie reden. Ich mag es nicht, in eine bestimmte Schublade gesteckt zu werden. Ich koche vor allen Dingen das, was ich selbst mag. Meine Ausbildung war klassisch. Wir sind hier französisch orientiert.

Viele unserer Produkte kommen aus der Region. Das ist jedoch nicht mein Hauptanliegen. An erster Stelle möchte ich das beste Produkt verarbeiten, das man auf dem Markt bekommen kann. Heute Morgen war ich bereits beim Gärtner und habe Obst und Gemüse mitgebracht, das wir nun verarbeiten. Unser Design ist modern, handwerklich arbeiten wir traditionell.

B.St.: Sie haben Frankreich erwähnt. Hat die große Küche noch immer eine französische DNS?

Christian Scharrer
Scharrer absolvierte seine Ausbildung in seinem Geburtsort Waldshut. Bemerkenswerte Stationen folgten. Beispielhaft nenne ich Jörg Müller auf Sylt, das Hotel Fürstenhof in Landshut, die Villa Hammerschmiede in Pfinztal, die legendäre Schwarzwaldstube der Traube Tonbach in Baiersbronn

Ch.S.: Ich denke schon, dass man das nicht verleugnen kann. Die französische Küche ist das Herzstück der europäischen Küche. Natürlich hat auch die italienische Küche eine starke Strahlkraft. Die Küche ist heutzutage weltweit ausgerichtet. Es ist überaus interessant, andere Länder und deren Küchen zu betrachten. Das ist auch ein Teil des Spaßes, möchte ich mal sagen. Man sollte sich nicht einschränken und behaupten, wir schauen nur auf Frankreich. Auch die nordischen Länder sind überaus interessant.

B.St.: Dagegen steht die streng regional ausgerichtete Küche, sie liegt derzeit hoch im Kurs. Ist dies die Zukunft oder eine Modeerscheinung? Wie regional muss gute Küche sein?

Ch.S.: Gute Küche war schon immer regional ausgerichtet. Der Gedanke ist gut und richtig und hat etwas mit positiven Ökobilanzen, mit der Umwelt zu tun. Das alles hat seine Berechtigung. Der Ansatz ist der richtige.

Man muss natürlich auch auf der anderen Seite sehen, dass die Produktqualität im Vordergrund steht. Das kann den Radius erweitern. Nehmen wir einmal als Beispiel das Geflügel. Sie können in Deutschland sehr gutes Geflügel kaufen. In Frankreich kommt zu gutem Geflügel noch die Garantie, dass jedes Teil die gleiche ausgezeichnete Qualität besitzt. Das ist natürlich wichtig für meine Küche. Da muss schon ein Teil dem anderen gleichen.

Das wird auch bei uns bei steigender Nachfrage wachsen. Es ist wichtig, dass sich die Produzenten am Markt orientieren.

B.St.: Veganes und vegetarisches Essen ist en vogue. Gehen Sie diese Entwicklung mit? Bieten Sie vegetarisches Essen an?

Ch.S.: Wir kochen gern vegetarisch. Das mache ich bei mir zu Hause auch. Das gehört zum Zeitgeist, andererseits aber auch zur Evolution und damit mittlerweile zum Standard.

Trotzdem haben wir kein vegetarisches Menü auf der Karte. Das ist auch nicht schlimm. Wir können jederzeit eines anbieten.

Im Vorfeld eines Restaurantbesuches erfragen wir selbstverständlich Allergien, Vorlieben und Unverträglichkeiten. Damit hat der Gast die Gelegenheit seine Wünsche, auch nach einem vegetarischen Menü, zu äußern. Das gibt auch uns die Zeit, uns darauf einzustellen.

Ein veganes Menü bieten wir nicht an, das wäre zu komplex. Ich denke, dass wir mit einer vegetarischen Variante gut aufgestellt sind.

B.St.: Ich habe gelesen, dass Sie kein Freund davon sind, aus einem Tier ausschließlich das Filet herauszuschneiden und den Rest zu vergessen. Sie verarbeiten viel lieber weitere edle Teile.

Ch.S.: Das ist richtig. Der Gedanke ist ja bereits relativ alt und nicht von mir. Das war eigentlich schon immer so. Ein Tier, welches zur Schlachtung geführt wird, hat sehr viele verwertbare Teile, nicht nur die Filetstücke. Die Bewegung „from nose to tail“ ist ja nicht neu. Früher hat man fast alles verarbeitet. Und das soll auch gern so bleiben.

Es ist ebenfalls unser Anspruch, die Gäste anzuregen auch andere Teile des Tieres zu verspeisen. Innereien gehören nun mal auch in die Küche. Sie sind schließlich ein Zugewinn für den Gast. Ich freue mich immer darüber, wenn der Gast sich darauf einlässt.

B.St.: Gerade in Deutschland habe ich häufig gehört, dass die Koch“kunst“ besonders wichtig ist. Steht nicht an erster Stelle ein solides Handwerk?

Ch.S.: Zunächst einmal ist es ein zu erlernendes Handwerk. Grundsätzlich erlernt man dies in drei Jahren. Allerdings, so meine Erfahrung, hört man nie auf zu lernen. Immer lernt man neue Dinge dazu. Es gibt jedoch in der Küche, wie in jedem Business, hochbegabte Menschen, die über das Handwerk hinaus zum Künstler werden.

Meiner Meinung nach ist es ein Handwerk, ein großartiges noch dazu, das viel Spaß bereitet und das man mit viel Herzblut angehen muss – die schönste Sache der Welt.

B.St.: Die Visitenkarte eines Koches ist oftmals der sogenannte „Signature Dish“. Haben Sie auch so eine Visitenkarte?

Ch.S.: Nein, da ich viel zu gern gute Gerichte nehme und daran weiterarbeite, sie weiterentwickle, um sie noch besser zu machen. Was mich im letzten Jahr noch begeistert hat, wurde heute schon wieder abgelöst. Nur einzelne Zubereitungsarten und die Verwendung von ganz bestimmten Lebensmitteln finde ich immer wieder spannend. Das könnte man mein Signature Dish nennen.

B.St.: Der Große Restaurant & Hotel Guide hat Sie zum zweiten Mal zum Koch des Jahres gekürt. Wie wichtig ist eine solche Auszeichnung?

Ch.S.: Auszeichnungen sind wichtig. Das darf man schon sagen. Sie sind wichtig für mich, stärken mein Ich und bestätigen unser Konzept. Ich sehe darin Anerkennung für erbrachte Leistungen. Es ist aber auch eine tolle Sache für das gesamte Team. Das sind alles junge Menschen, die täglich ihre Leistung erbringen. Eine solche Auszeichnung ist auch für das Team ein tolles Feedback.

Auch für unsere Gäste ist das wichtig. Sie kommen teilweise von weit her und brauchen einen Anhaltspunkt um unser Courtier im Vergleich zu anderen Restaurants einzuordnen. Auszeichnungen sind immer ein Indikator dafür, dass gute Arbeit geleistet wird. Schließlich ist es auch ein Werbetool. Rundherum gibt es um eine Auszeichnung mehrere Aspekte, die zu beachten sind.

B.St.: Besetzen Sie noch einen Posten in der Küche oder weisen Sie nur Ihr Team an?

Ch.S.: Tatsächlich bin ich der zweite Mann am Posten, der von meinem Sous-Chef ausgeführt wird. Ich bin in der Küche mit vielen Dingen beschäftigt und achte auf alle Einzelheiten. Natürlich koche ich jeden Tag mit dem Team. Hinzu benötige ich jedoch viel Zeit für andere Dinge. Mal kommt ein externer Dienstleister, mal muss etwas repariert werden. Dann ist der Chef gefragt. Grundsätzlich leite ich nicht nur das Team, sondern koche noch immer mit.

B.St.: Vielen Dank, Herr Scharrer, für das überaus interessante Gespräch.

Summary

Scharrer absolvierte seine Ausbildung in seinem Geburtsort Waldshut. Bemerkenswerte Stationen folgten. Beispielhaft nenne ich Jörg Müller auf Sylt, das Hotel Fürstenhof in Landshut, die Villa Hammerschmiede in Pfinztal, die legendäre Schwarzwaldstube der Traube Tonbach in Baiersbronn

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