Spricht man mit Foodies über Björn Swanson, landet man irgendwie immer in Schweden. Vielleicht liegt dies am Namen, an schwedischen Wurzeln oder an beidem. Jedenfalls scheint ein Hauch nordischer Küche den Berliner Küchenchef zu umgeben und man vergisst leicht, dass das Wesentliche dieser Nordküche die Rückbesinnung auf Produkte ist, die quasi um uns herum wachsen.
Swanson, dem regionale Produkte nicht fremd sind, geht allerdings viel weltoffener zu Werke, ohne bestimmte Prinzipien zu vernachlässigen. Dazu gehört beispielsweise der Verzicht auf Thunfisch, den ich durchaus nachvollziehen kann.
Gerne wird auch von einer „produktbezogenen Küche“ gesprochen. Der Begriff muss jedoch mit Leben gefüllt werden und darf nicht als schlichte Phrase dienen. Die Küche des Golvet ist kompromisslos produktbezogen. Das ist, meiner Meinung nach, ein großes Plus. Ebenso möchte ich sie modern und überaus zeitgemäß nennen, ohne allzu kurzlebige Trends konstatieren zu müssen.
Das Restaurant ist groß, bietet eine angenehme Atmosphäre. Ohne den tollen Ausblick aus dem 8. Obergeschoss, der Heimstatt des Restaurants Golvet in der Berliner Potsdamer Straße, zu erwähnen, kommt wohl kein Bericht aus. Dennoch steht für uns die Kulinarik klar im Vordergrund. Deshalb sind wir schließlich erneut hier und kommen ohne Umschweife zum Menü.
Von den Amuse Bouches hatte es uns das
Zweierlei von der Steckrübe, Ravioli und Würfel in Molkeschaum, am meisten angetan. Ein aromatisch sehr gelungener Einstieg.
Zum Menü:
Fake Toro, Bauch vom Wildlachs mit Kürbiskern-Mayo, Brühe und Rosenkohl
„Toro“, so habe ich recherchiert, ist eigentlich der Oberbegriff für diverse Teilbereiche des Bauchfleischs vom Thunfisch. Gemeint sind damit Schnitte aus dem fettigen Bauchteil (Harakami) des Blauflossen-Thunfischs. Der grandiose Geschmack ist nicht zuletzt dem hohen Fettgehalt geschuldet.
Da Swansons Küche auf die Verwendung von Thunfischen verzichtet, kommt hier der Bauch vom Wildlachs zum Einsatz. Mag das Wort „Fake“ auch für die Benennung des Gerichtes ein geschickter Kunstgriff sein, ein Fake war die Kreation jedenfalls nicht.
Obwohl mir noch immer völlig unverständlich ist, weshalb Rosenkohl zu den beliebtesten Wintergemüsen in Deutschland zählt, überzeugte mich das Gericht, das mit sehr reduzierten Bitternoten auskam. Trotz kräftigem Aroma wurde der Kohl von der intensiven Brühe und dem tollen Geschmack des Wildlachses gebändigt.
Spitzkohl,Mille Feuille vom Spitzkohl mit Périgord-Trüffel, geräucherter Crème fraîche und Haselnuss
Spitzkohl hat fast das gesamte Jahr über Saison und ist äußerst wohlschmeckend. Eine Vinaigrette mit Haselnuss, mehr jedoch noch ein Ring aus einem Trüffel-Champignon-Gel gab dieser Kreation den entscheidenden Kick.
Es folgte Bellota, Nacken vom iberischen Schwein mit Estragon, Himbeer-Essig und gefüllter Schalotte
und im Anschluss geeister Cidre mit Apfel, Bergamotte und geflämmter Sardine.
Taube,Brust von der Étouffeé Taube mit Karotte, Petersilie und Graupen.
Ein überaus gelungener Gang, der uns vor allem wegen des nicht übermäßigen Fleischanteils so gut gefallen hat. Ich erwähne dies, da oftmals der sogenannte Hauptgang mit übermäßig viel Fleisch serviert wird. Die Taubenbrust war genau richtig gegart und wurde von einem Taubenjus, Karottenragout und Karottenpüree perfekt begleitet. Die „Beilagen“ rückten zu beachtlichen Nebendarstellern auf. Die gesamte Kreation gewinnt dadurch an Aroma und Balance.
Die Pizza war eine pfiffige Kreation.
Vollkornpizza mit Vacherin Mont-d’Or, Kartoffel, Majoran und Wachtelei, serviert in einem kleinen Pizzakarton. Insgesamt vielleicht etwas zu käselastig im Geschmack.
Vordessert:
Grünkohl mit frittiertem Grünkohl und Banane und Kokoseis.
Das Dessert: Hellmuth´s Kohl, Rotkohl mit weißer Schokolade und PX-Eis, war eindeutig auf dem Niveau des Menüs.
Weinbegleitung:
2016 Xarel.Io „Spill“ Ton Rimbau, Vilobi del Penedes
2016 Grauburgunder „Am Altenberg“ -the human wine- Johannes Kopp, Sinzheim, Ortenau
2013 Pinot Blanc, Weinmanufaktur Mario Burkhart, Malterdingen, Breisgau
1997 Riesling „Geisenheimer Rothenberg“ Spätlese, Weingut Wegeler, Oestrich-Winkel, Rheingau
2013 Ognissole „Romanico“ -Nero di Troia- Tenuta di Cefalichhio, Ohnissole, Sava, Apulien
2015 Godello „Guitian“ Bodegas La Tapada, Valdeorras, Galizien
Obvious Giallo Oro Toscana Bianco, Salcheto, Montepulciano, Toskana
Es macht einfach unheimlich viel Vergnügen Benjamin Becker die Zusammenstellung einer Weinreise zu überlassen. Immer wieder findet er etwas Besonderes. Diesmal z. B. einen Grauburgunder von Johannes Kopp aus dem Gemeinschaftsprojekt „THE HUMAN WINE“ von Winzern, Prominenten und Gastronomen. Eine Anregung zum Nachdenken über die Menschenrechte und zum spenden für „Water Is Right“. Bei Interesse finden Sie hier mehr: https://www.humanwine.de/index.htm
FAZIT:
Längst hat sich das Golvet als beliebtes Casual-Fine-Dining-Restaurant in Berlin etabliert. Die anspruchsvollen Kreationen von Björn Swanson sprechen alle Sinne an. Aromatiefe und Harmonie kennzeichnen die einzelnen Gerichte, die nie überwürzt sind sondern mit einer erstaunlichen Balance beglücken.
Der Bericht erschien zuerst bei Bernhard Steinmann http://www.bsteinmann-gourmet-unterwegs.de