Jetzt der offizielle Bericht zu den 2019 GM Preistägern
Der neue Gault&Millau begrüßt die zunehmende Unbeschwertheit in der Gastronomie und die Entwicklung einer authentisch deutschen Küche – Die neuesten Genusstrends – Besondere Würdigung von elf „Jungen Talenten“
„Zwei Jahrhunderte lang war Spitzengastronomie auch hierzulande untrennbar mit luxuriösem Ambiente verbunden, das ist vorbei“, konstatiert der Gault&Millau in seiner jetzt erscheinenden Deutschlandausgabe 2019. „Die neue Unbeschwertheit trägt dazu bei, dass sich Deutschland als kulinarische Nation emanzipiert. Das treiben vor allem jene herausragenden Köche voran, die bei aller Weltoffenheit eine eigene, authentisch deutsche Handschrift entwickeln, die sich an heimischen Lebensmitteln und wiederentdeckten kulinarischen Traditionen inspiriert.“ Die Restauranttester sind überzeugt: „Klassische Gourmettempel-Insignien gehen ebenso an den Wünschen des Publikums vorbei wie der in ambitionierten Küchen immer häufiger praktizierte Menü-Zwang. Die Gäste sehen gehobene Gastronomie immer selbstverständlicher als Teil des Alltags, den sie entspannt genießen möchten.“
Als weitere kulinarische Trends beobachten die Tester in diesem Jahr:
Die klassischen Luxusprodukte, meist französisch, sind auf dem Rückzug – sie werden ersetzt durch High-end-Zucht aus aller Welt und die Entdeckung der Natur vor der eigenen Haustür als Schatzkammer.
Immer mehr Köche verfallen der schönen, bunten Instagram-Welt, in der plakative Optik wichtiger ist als guter Geschmack und bestes Handwerk.
Die Küche des östlichen Mittelmeerraums spielt mit ihrer geballten Aromatik und reichen Tradition auch bei uns eine immer größere Rolle.
Das „Koch des Jahres-Duo“ setzt auf heimischen Fisch, Strandgewächse und Knickfrüchte
Für ihre „gemeinsam entwickelte authentisch norddeutsche Küche, die ganz auf die Qualität hochwertiger und vergessener regionaler Produkte setzt“, kürt der Guide Johannes King, 55, und Jan-Philipp Berner, 30, vom „Söl’ring Hof“ in Rantum auf Sylt zum „Koch des Jahres“. King, seit der Eröffnung im Jahr 2000 prägender Kopf der Küche, und Berner, seit 2013 als Küchenchef an seiner Seite, „setzen darauf, dass eine Makrele, ein Knurrhahn oder Wittling aus nahen Gewässern in Qualität und Frische und damit auch im Geschmack die aus dem Ausland herbeigeschafften Fische übertrifft, und demonstrieren, dass neben Salzwiesenlamm, Austern und Seeigel aus der Nordsee auch Strandgewächse der Insel und Knickfrüchte, die am Wegesrand wachsen, genug Delikatesse für Spitzenküche mit norddeutscher DNA haben“.
Die schmeckt man von einer Vorspeise wie Apfel-Selleriesalat mit gestocktem Austernschaum und frischem Dill bis zum Dessert „Sylter Rose“ aus Schokolade mit Moosbeerensaft, gepopptem Amarant und knusprigen Miniaturen aus Weizen, Hafer, Mandel und Haselnuss. Und auch dazwischen, wenn Edles wie Kaisergranat subtil mit frischen Kräutern gekrönt oder vermeintlich Einfaches wie der heimische Steinköhler mit geliertem Dill, Karottenstampf, Eismeergarnelen und Felchenrogen in die Gourmetklasse gehievt wird. Für solche Gerichte erhalten die beiden Köche, die ihre Freizeit am liebsten in der Natur verbringen, „weil sie den Kopf frei macht“, 18 von 20 möglichen Punkten. Sie stehen in dem Guide, der nach dem französischen Schulnotensystem urteilt, für „höchste Kreativität und bestmögliche Zubereitung”.
Die Auszeichnungen des Gault&Millau
Neben dem Koch des Jahres vergibt der Guide weitere Auszeichnungen an führende Gestalter einer genussreichen Gastronomie in Deutschland:
Gastgeber des Jahres: Nils Blümke vom „Français“ in Frankfurt, der „die hierzulande im Service so selten erfolgreiche Gratwanderung zwischen formvollendet und locker, hochprofessionell und humorvoll perfekt beherrscht“.
Aufsteiger des Jahres: Daniel Schimkowitsch vom „L.A. Jordan“ in Deidesheim/Pfalz, der „vom Jungen Wilden zum prägnanten Küchenchef mit eigener kulinarischer Handschrift wurde: auf das Wesentliche konzentriert, intelligent durchstrukturiert, optisch ansprechend und mit Mut zu raffinierter (gerne euro-asiatischer) Würze“.
Entdeckung des Jahres: Torben Schuster vom „Gut Lärchenhof“ in Pulheim bei Köln, der „mit virtuosem Aromenspiel und feinsinnig-ideenreichen Kompositionen im Menü beeindruckt und die klassische Lehre ebenso wie die Vielfalt asiatischer Gewürze, Produkte und Techniken beherrscht“,
Sommelier des Jahres: Stephanie Hehn vom „Lakeside“ in Hamburg, die „mit Bravour die seltene Chance nutzte, einen Keller von null aufzubauen, und ihre Gäste mit ebenso großem Sachverstand wie Feingefühl und Charme berät“.
Pâtissier des Jahres: Tatsuya Shimizu vom „Steinheuers Restaurant Zur Alten Post“ in Bad Neuenahr, der „mit intuitivem Gespür für Aromen, virtuosem Handwerk und japanischem Perfektionismus phantasievolle Dessert-Kunstwerke wie den „Kussmund“ oder „Sakura“, eine süße Hommage an die Kirschblüte, kreiert“.
Gastronom des Jahres: Frank Marrenbach vom „Brenners Park-Hotel“ in Baden-Baden, der „in einem der traditionsreichsten deutschen Hotels mit Innovationsgeist, Gestaltungsfreude und Mut eine Gourmet-Zeitenwende bewirkte: Alles Überkommene wich zeitgemäßer Lockerheit auf weltstädtischem Niveau“.
Bester deutscher Koch im Ausland: der gebürtige Niederbayer Peter Knogl vom „Cheval Blanc“ in Basel, der „zum Blick auf den Rhein in seinem ganz großen Gaumenkino beste Produkte und subtil austarierte Aromen in leichten, verführerischen Gerichten vereint und in der Schweiz zum ‚König aller Saucen‘ gekrönt wurde“.
Die „Jungen Talente“ des Gault&Millau
Von jeher engagiert sich der Guide besonders für die Nachwuchsförderung und gilt als Talentscout, der aufstrebende junge Köche einem breiten Publikum bekanntmacht. Neben der „Entdeckung des Jahres“ werden in der neuen Ausgabe elf Newcomer als „Junges Talent“ hervorgehoben. Sie wurden in dieser Testsaison erstmals Küchenchef und haben das Zeug dazu, das kulinarische Deutschland zu bereichern:
Christoph Kunz vom „Alois“ in München (17 Punkte),
Ronny Bell vom „Weinhaus Uhle“ in Schwerin, Thomas Gilles vom „Clostermanns Le Gourmet“ in Niederkassel bei Köln, Grischa Herbig vom „La Société“ in Köln, Alexander Müller vom „17Fuffzig“ in Burg/Spreewald, Marc Pink vom „Landwerk“ in Wallerfangen (Saarland), Valentin Rottner vom „Waidwerk“ in Nürnberg und Simon Schlachter vom „Falkenstein“ in Pfronten/Allgäu (jeweils 16 Punkte),
Maike Menzel vom „Schwarzreiter“ in München, Phillip Schneider vom „Der Schneider“ in Dortmund und Daniel Weimer vom „Oscars“ in Hinterzarten/Schwarzwald (jeweils 15 Punkte).
Deutschlands beste Köche
19,5 Punkte, die für Küchen von Weltklasse verliehen werden, erkocht sich neu auf „seinem Parcours durch Asiens Aromenwelt“ Tim Raue in seinem nach ihm benannten Restaurant in Berlin. Raue, der 2007 „Koch des Jahres“ war, „brilliert mit dem einzigartigen Zauber seiner hochentwickelten und ganz eigenständigen Küche. Typisch ein Hauptgang wie ‚kalb, erbse & kamebishi soja 10y‘: Das Fleisch vom Kalbskamm ist zart geschmort, hat aber Fasern wie beim Pulled Pork, es liegt in einem glänzenden Spiegel aus Sojasauce, die zehn Jahre lang in Zedernfässern reifte und mit Chili stark eingekocht wurde. Die Schärfe dieser Aromenbombe federt ein Klecks elegantes Erbspüree ab, der weichen Konsistenz bietet sich gepuffter schwarzer Quinoa als Kontrast. Als Sidekicks beleben Tupfen vom gelierten Apfel und eine daumengroße grüne Röhre, aus der die Frische von Zuckerschote, Staudensellerie, Apfel, Ingwer und Jalapeño zu ahnen ist.“
Mit Raue stehen sieben weitere Köche mit je 19,5 Punkten an der Spitze der kulinarischen Hitparade des Gault&Millau:
Christian Bau vom „Victor’s Fine Dining by Christian Bau“ im saarländischen Perl ist „mit seiner japanisch inspirierten Qualitätsphilosophie bei allem Meeresgetier in Bestform, so bei dezent mariniertem Langoustinen-Carpaccio mit Imperialkaviar, Kampachi-Makrele mit diversen Muscheln, Algen, Misomayonnaise und Krustentier-Eis oder köstlichem Bauchfleisch vom Thunfisch, umrahmt von gegrillter Avocado, fermentiertem Rettich, Edamame-Bohnen und winzigen Pilzen – mehr Meer geht nicht“.
Sven Elverfeld vom „Aqua“ in Wolfsburg „beschäftigt sich intensiv wie kaum ein deutscher Spitzenkoch mit der kreativen Verfeinerung heimischer Produkte und Traditionsgerichte. Im Frühjahr servierte er das deutsche Lieblingsgemüse Spargel in überraschender Variante: Die Basis bildet weißer, roh über Holzkohle gegrillter und in der eigenen Hitze im Vakuum gegarter Spargel, mit Barbecue-Sauce lackiert. Dazu gibt es klassisch gekochtes und fein gezupftes Eisbein, Sauerkrautgelee, etwas Hollandaise, Bärlauchcreme, die gepuffte Schwarte vom Schwein sowie eine kunstvolle Rolle aus weißem und grünem Spargel“.
Klaus Erfort vom „GästeHaus“ in Saarbrücken ist „wie kaum ein Koch hierzulande so sicher im Umgang mit unterschiedlichen Aromen, dass er eine Stopfleberterrine in ein hauchdünnes Algenblatt hüllen, karamellisierte Reiscreme, etwas gehobelten Rettich und Korianderöl hinzugeben und einen harmonischen Kontext erzeugen kann“.
Christian Jürgens von der „Überfahrt“ in Rottach-Egern am Tegernsee „vereint klassische Geschmackstiefe mit optischer Verführung, wenn seine hinreißend aussehende ‚Tegernseer Perle‘ beim Essen Schicht um Schicht ihr köstliches Innenleben enthüllt: In einer Halbkugel aus Saiblingsmousse, überzogen mit zart am Gaumen zerplatzendem Saiblingskaviar und Limettenabrieb, versteckt sich erfrischendes Gurkeneis, mit kleinen Gurkenstückchen gespickt.“
Torsten Michel von der „Schwarzwaldstube“ in Baiersbronn (Nordschwarzwald) „gelingen Gerichte von großer innerer Harmonie, die alle Sinne glücklich machen. Sein Stil verneint nie die edle französische Basis, interpretiert sie aber zeitgemäß. Auf der satten Tranche von glasiertem Rochenflugel leuchtete, sehr grafisch angerichtet, schwarzer Kaviar neben pochierten Gillardeau-Austern auf dem schneeweißen Fisch. Austern-Nage mit Champagner umfing diese Kreation voller Harmonie, Eleganz und Finesse.“
Clemens Rambichler vom „Waldhotel Sonnora“ in Dreis bei Wittlich (Südeifel), der „das kulinarische Vermächtnis des 2017 verstorbenen Helmut Thieltges bewahrt und weiterführt. Das gelingt ihm mit Medaillons von den besten Langoustinen, die wir kennen, in intensiver Krustentieressenz mit pfirsichfruchtiger Note ebenso wie mit der roh gerollten Gänseleber zu zarten Scheiben vom Blue Fin Tuna in Ingwer-Limonenvinaigrette von sanfter Schärfe.“
Joachim Wissler vom „Vendôme“ in Bergisch Gladbach bei Köln „folgt in seiner offensichtlich nie versiegenden Kreativität keinen Moden, Trends und Hypes, wenn er beispielsweise zu dem auf Holzkohle angegrillten Lammnacken, confiert mit Holzkohlenbutter, gelbe Safran-Butterbohnen, ein grün gefärbtes weißes Bohnenpüree und luftige Ricottagnocchi in hinreißendem Orangen-Pfifferling-Sud mit allerkleinsten Pfifferlingen und tiefgründigem Lammfond anrichtet“.
19 Punkten bekamen für ihre inspirierten Gerichte wieder:
Claus-Peter Lumpp vom „Bareiss“ in Baiersbronn („Steinbutt auf Passepierre-Salat und provenzalische Mandelcreme, zu dem ein weißer Tomatensud angegossen und sich separat als eigenes Gericht im Schüsselchen unter einem Mandel-Esspapier Fregola sarda, Steinbuttwürfel und Mandelgrieß verstecken“);
Christoph Rüffer vom „Haerlin“ in Hamburg („Taube mit einem süß-herben Klecks Püree von violetten Auberginen und mexikanischer Mole, die entschärft, aber nicht gezähmt wurde. Tunkt man die Praline von der Keule hinein, entfaltet sich eine geradezu weihnachtliche Fülle von Aromen“);
Peter Maria Schnurr vom „Falco“ in Leipzig („gefrostete Entenleber gehobelt als vielschichtige ‚Hong Kong Foi‘ auf in Sake eingelegter, pochierter Auster mit ‚Duck-Tea-Gelee‘, Litschi-Marmelade und gereiftem süßen Reiswein“);
Hans Stefan Steinheuer von „Steinheuers Restaurant zur alten Post“ in Bad Neuenahr („mit Schwertmuschelwürfelchen bestreuter Steinbutt in Taubnesselvelouté mit einem wie Reis roh gerührten Kartoffelrisotto“).
Auf 18 Punkte steigern sich außer dem Sylter „Koch des Jahres“-Duo auch Sebastian Frank vom „Horváth“ in Berlin, Benjamin Gallein vom „Ole Deele“ in Burgwedel, Christoph Rainer vom „Luce d’oro“ in Elmau/Oberbayern und Daniel Schimkowitsch vom „L. A. Jordan“ in Deidesheim/Pfalz.
Auf 17 Punkte verbessern sich Daniel Fehrenbacher vom „Adler“ in Lahr/Schwarzwald, Ali Güngörmüs vom „Pageou“ in München, Alexander Hohlwein vom „360°“ in Limburg, Maximilian Lorenz in seinem nach ihm benannten neuen Restaurant in Köln, Thomas Martin vom „Jacobs“ in Hamburg, André Münch vom „Der Butt“ in Rostock, Markus Philippi vom „Casala“ in Meersburg, Andreas Rieger vom „Einsunternull“ in Berlin, Mario Sauer vom „Le Gourmet“ in Heidelberg, Torben Schuster vom „Gut Lärchenhof“ Pulheim und Coskun Yurdakul vom „Tiger-Gourmetrestaurant“ in Frankfurt am Main. Dieselbe Note erreicht auf Anhieb Cornelius Speinle im neueröffneten „Lakeside“ in Hamburg.
Die neue POP-Kultur
Dass sich in Deutschland – nach dem Vorbild französischer Neo-Bistros und lässiger skandinavischer Gastkultur – immer mehr junge, unkonventionelle gastronomische Konzepte neben dem klassischen Restaurantformat entwickeln, die kulinarischen Anspruch mit viel Lockerheit verbinden, würdigt der Guide mit seinem neuen POP-Signet. Es zeichnet insgesamt 70 Bistros, Szenetreffs und andere Adressen aus, die nicht im Gault&Millau punkten, wo aber begeisterte Gastgeber ihre Vorstellungen von unkompliziertem Genuss umsetzen.
Insgesamt beschreibt und bewertet der Gault&Millau in seiner neuen Ausgabe 1026 Adressen, darunter 216 neu aufgenommene. 848 Gourmetlokalen und Landgasthöfen, Bistros und Hotelrestaurants verleihen die 32 Tester die begehrten Kochmützen. Der Guide erscheint im Münchner ZS Verlag (768 Seiten, 39,99 €).
Übersicht über die Ausgezeichneten bis 16 Punkte inkl.
Alle Infos zu den einzelnen Bundesländern finden Sie hier:
Baden-Württemberg
Bayern
Berlin
Brandenburg
Bremen
Hamburg
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Thüringen
Zum Vergleich: Der Gault Millau 2018
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Die offizielle Pressemitteilung zum Gault Millau 2019 kam nun doch noch