Christian Hümbs ist einer der kreativsten Pâtissiers in Deutschland. Wenige Monate nach seiner Ankunft bei Jan Hartwig bekam das Restaurant Atelier in München seinen dritten Michelinstern. Der gebürtige Oberhausener hat eine doppelte Ausbildung durchlaufen. Er ist Konditor und Koch. Die Integration von Gemüse in Desserts ist zweifellos mit seinem Namen verbunden.
Bei den Berliner Chefdays 2018 trat er zusammen mit Jan Hartwig auf und gewährte „Gourmet unterwegs“ im Anschluss das nachfolgende Interview.
Bernhard Steinmann (B.St.): Lieber Herr Hümbs, kürzlich war ich im Restaurant Atelier in München und hatte mich besonders auf die Desserts gefreut. Mit Ihrem Wechsel aus Hamburg sind Sie äußerst erfolgreich gestartet. Im Nu hatte das Restaurant drei Michelinsterne bekommen. Wie fühlt es sich an in München?
Christian Hümbs (Ch.H.): Es fühlt sich super an. Mit seinem besten Freund zusammen zu kochen ist eine tolle Sache. Nach acht Monaten bekamen wir den dritten Michelinstern. Das war nicht geplant, gefreut hat es uns dennoch sehr. Die Arbeit von Jan und seinem Team war aber auch schon, bevor ich dazu kam, sehr tiefgründig und erfolgreich.
B.St.: Sie haben, um einmal ein großes Wort zu gebrauchen, die Pâtisserie revolutioniert. Weg von den klebrigen Süßspeisen, hin zu Kreationen die nahtlos in das Menü passen und die dennoch einen anderen Touch haben. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass es einen Unterschied gibt, zwischen dem, was Sie in Hamburg gemacht haben und dem, was Sie nun in München kreieren. Ist das so?
Ch.H.: Ja, das denke ich auch. Man entwickelt sich stetig weiter. Die Zusammenarbeit mit Jan ist sehr eng. Er als Küchenchef und ich als Chef der Pâtisserie, das ist eine Konstellation, die mich hat weiter reifen lassen. Natürlich war ich auch schon in Hamburg recht mutig, doch hier gibt es eine andere Handschrift. Es greift ein Rädchen ins andere. Ich kann von dieser Küche sehr profitieren und das Ganze in meine Desserts einfliessen lassen.
Sie haben natürlich Recht, die pappsüßen Desserts in einer Menüreihenfolge haben, meiner Meinung nach, keine große Zukunft mehr. Die Gäste wollen sich bewusst ernähren, wollen sich leichter ernähren, keine megasüßen Süßspeisen haben. Mit Gemüse im Dessert und der Süße, die das Gemüse einbringt kann man durchaus eine andere Aromatik auf den Teller bringen.
B.St.: Das bedeutet also, dass bei den Desserts das Gemüse eine andere Note erhält als in dem Rest des Menüs.
Ch.H.: Genau. Gemüse ist allerdings nicht in jedem Dessert notwendig. Es muss von der Aromatik her schon einen Sinn ergeben. Nehmen wir als Beispiel eine Karotte oder eine Tomate. Die bringen bereits reichlich Süße mit. Letztlich muss ich der Tomate nur noch 80 % Wasser entziehen und erhalte den Geschmack und die Süße der Tomate.
Am Ende eines Menüs braucht der Gast schon eine gewisse Süße. Der Weg dahin ist letztlich dem Pâtissier überlassen. In diesem Bereich gibt es noch viel Zukunft für junge Pâtissiers.
Dieser neue Horizont, diese Kreativität treibt mich an.
B.St.: Sie kommen gerade von der Bühne der Chefdays hier in Berlin. Wie gefällt Ihnen das Format?
Ch.H.: Die Chefdays mit ihrem Austausch finde ich sehr wichtig. Die Bühnenshows sind sehr wichtig.
Wir haben mit unseren Restaurants im Wesentlichen die gleichen Öffnungs- und Schließzeiten. Da kann man solche Veranstaltungen auch mal nutzen, untereinander Kontakt zu halten, Man kann den Austausch mit den Kollegen suchen und den eigenen Horizont erweitern.
B.St.: Sie sind Pâtissier, haben aber auch den Beruf des Kochs erlernt. Damit beherrschen Sie auch andere Stationen im Restaurant.
Ch.H.: Ich beherrsche auch die dunkle Seite der Macht (lacht). Ich habe Konditor gelernt und ich habe Koch gelernt. Habe also zwei Ausbildungsberufe durchlaufen. Irgendwann in meiner Laufbahn kam ich in die Küche von Sven Elverfeld, der hat die gleiche Basis. Er ist ebenfalls Konditor und Koch. Und wenn man das so zusammen antrifft, dann wird schnall klar, dass man schließlich der „süße“ Mann wird.
B.St.: Würde Sie die Position als Küchenchef im eigenen Restaurant reizen?
Ch.H.: Es ist bestimmt reizvoll, ein eigenes Restaurant zu haben. Ich habe mich jetzt 20 Jahre im Dessertbereich spezialisiert. Habe meine eigene Handschrift entwickelt und würde sicher gerne in diesem Metier bleiben und im süßen Bereich weiter arbeiten.
B.St.: Ich finde es interessant, dass Sie immer „süßer Bereich“ sagen.
Ch.H.: Der süße Bereich umfasst ja viele Dinge. Es gibt Eis, Gebäck, Brot. Das zähle ich alles in den Bereich der Pâtisserie. Mit all dem kann man sich sicher einmal selbstständig machen. Nach dem Erreichen des dritten Sterns im Guide Michelin ist die Selbstständigkeit sicher ein weiteres Ziel.
B.St.: Im Restaurant Atelier hat sich in letzter Zeit einiges beim Personal verändert. Es gibt eine neue Restaurantleiterin, der Sommelier ist noch nicht allzu lange da. Hinzu kommen Sie, mittlerweile im zweiten Jahr. Hat man sich nun gefunden. Gibt es Kontinuität beim Personal?
Ch.H.: Kontinuität beim Personal lässt sich immer schwer voraussagen. Es gibt viele persönliche Gründe, weshalb Kollegen das Restaurant verlassen. Es gibt Entwicklungspotenzial bei Kollegen, die sich in einem anderen Restaurant weiterentwickeln möchten. Ich habe auch die Küche bei Christoph Rüffer nach drei Jahren verlassen. Viele fanden, das sei zu früh. Das muss jeder selbst wissen.
Ich würde jedenfalls einen Nachfolger selbst einarbeiten, sollte ich feststellen, dass ich das keine 10 Jahre mehr machen möchte und einen eigenen Laden aufmachen möchte.
Vor allem hoffe ich, dass Frau Engelbrecht, die neue Restaurantleiterin sehr lange bei uns bleibt.
Jochen Benz ist genau so lange da wie ich. Übergangsweise hatte er eine Doppelfunktion.
B.St.: Das Restaurant Atelier ist, meiner Meinung nach, ein sehr gelungenes Gesamtkonzept. Mit Jan Hartwig als kreativem Kopf, mit Ihnen als sehr kreativem Pâtissier und den ansonsten tollen Rahmenbedingungen im Atelier. Das Ambiente ist gut, die Atmosphäre ebenso.
Ch.H.: Es ist unglaublich schön in diesem Team zu arbeiten. Wir verstehen uns sehr gut. Das sind beste Bedingungen um die best mögliche Leistung zu erbringen.
B.St.: Ich konnte in Erfahrung bringen, dass Sie die Chefdays morgen nicht besuchen können, da das Restaurant für den Abend bereits ausgebucht ist.
Ch.H.: Wir sind morgen bei 30 Couverts. Daher fahren wir bald mit dem Zug wieder zurück.
B.St.: Herr Hümbs, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben.