Unser Weg führt uns diesmal nach Limburg an der Lahn, eine hessische Kleinstadt mit ca. 35.000 Einwohnern. Die Spuren einer ersten Besiedlung des Limburger Raumes gehen bis ca. 5.000 Jahre v. Chr. zurück.
In den letzten Jahren fand Limburg landesweite Beachtung durch den Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst oder durch eine rührige Veganerin, die es schaffte, das Kinderlied „Fuchs du hast die Gans gestohlen“ zumindest zeitweise aus dem Glockenspiel des Rathauses verbannen zu lassen.
Über der Stadt thront der Dom. Anziehungspunkt für Einheimische und Touristen. Auch die Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern lädt zum bummeln ein. Für Autofahrer eine echte Herausforderung. Wer Ziele in der Altstadt anfahren muss, teilt sich die Straße mit flanierenden Fußgängern.
Es gibt reichlich Wirtshäuser, Restaurants und Pizzerien, Weinlokale, sogar Äppelwoiausschank. Lokale kulinarische Spezialitäten gibt es natürlich auch. Beispielhaft sei ein paniertes Kotelett erwähnt, reichlich mit Senf gewürzt, gefüllt mit Essiggurken, Sauerkraut und Dörrfleisch, als Beilagen kommen Bratkartoffeln oder Brot zum Einsatz. Wer die komplette Mahlzeit bestellen möchte, nennt der Bedienung das Zauberwort „Limburger Säcker“.
Solch deftige Kost sollte es aber heute keinesfalls sein und so spazierten wir durch die Altstadt in Richtung Bahnhof und mussten mehrere Passanten nach dem Weg fragen um endlich vor dem schmucklosen Gebäude anzukommen, in welchem der gebürtige Limburger Alexander Hohlwein sein Restaurant betreibt.
Bevor Alexander Hohlwein im November 2016 für das Restaurant 360 Grad mit einem Michelinstern ausgezeichnet wurde, hatte er bereits reichlich mit Michelinsternen Kontakt. Bei Markus Nagy, Chris Rainer, vor allem aber bei Kevin Fehling in Travemünde, konnte Hohlwein wichtige Erfahrungen machen und seine Kenntnisse vertiefen.
Das Restaurant ist groß, hell und man hat einen guten Blick auf die umliegende Stadt.
Hohlwein bietet zwei Menüs zur Auswahl an:
Weltreise und Entdeckungsreise. Wir entscheiden uns für die Weltreise.
Wie in der gehobenen Gastronomie üblich, werden vor dem Menü einige Gratishäppchen gereicht um die Vorfreude zu steigern und den Appetit anzuregen.
Tom Ka Gai, Suppenshot, Fjord Shrimp, Kokos, Ingwer
Rinder-Tatar, Miso, Karotte
Bun, Entenkeule, süss-sauer
Nabemono, Krustentiersud, Garnele, Hummer Dim Sum, Chawanmushi
Die Amuse Gueules sind schon reichlich großes Kino, aufwändig inszeniert und köstlich.
© Bernhard Steinmann
Label Rouge Lachs
roh-mariniert, Gurke, Passionsfrucht, Shiso, Grün, Soja
Es bleibt natürlich nicht aus, dass man bei vielen Restaurantbesuchen auf die immergleichen Zutaten trifft. Deshalb kommt es vor allen Dingen auf Produktqualität und kreative Umsetzung an.
Vor uns steht ein herrliches Lachsgericht. Etwas Säure und ein bisschen Frucht umschmeicheln den roh marinierten Lachs. Der Zauber der Kreation liegt in der spielerischen Leichtigkeit und den klug ausgewählten Begleitern. Dadurch wird aus einem Gericht, welches einem in der gehobenen Gastronomie so häufig begegnet, eine eigenständige und eindrucksvolle Kreation.
Gänseleber „1001 Nacht“
mariniert und pochiert, Feige, Schwarztee, Mandel
Ein echter Hochgenuss. Zumal die Gänseleber „1001 Nacht“ dankenswerter Weise nicht als Miniatur auf den Teller kommt.
Natürlich versucht jeder Koch diesem Produkt eine eigene Note zu verpassen. Sollten die Zutaten zunächst wie zufällig wirken, wird deren Bedeutung erst durch das aromatische Zusammenspiel deutlich. Ein Hauch von Orient weht durch das Restaurant.
© Bernhard Steinmann
Zander a la Bordelaise
gratiniert, Beurre Rouge, Mangold, Petersilienwurzel
Zander a la Bordelaise, irgendwie erinnert mich diese Kreation an längst vergessene Speisen. Na, ich komm jetzt nicht drauf.
Das Gericht macht jedenfalls viel Spass. Der gut gegarte Zander mit der würzigen Auflage und der fabelhaften Rotweinsauce begeistert mit einem ausgezeichnetem Aromenbild.
Ragout Fin 360 Grad
Perlhuhnkeule, Sot L´Y Laisse, Eigelb, Grüner Spargel, Erbse
Ein eher klassisches Gericht modern interpretiert.
Wer es bis hierher noch nicht gemerkt hat, wir befinden uns bei einem Avantgardisten.
Nebraska Beef Gold Label „Ungarisch“
Rücken und Short Rib, Paprika, Roscoff Zwiebel, Langos
Grandios im Geschmack trotz eher puristischer Ausgestaltung.
Apfel und Hibiskus
Ziegenfrischkäse, Granny Smith, Kerbel
Exotic Dream
Kokos, geeist, Koriandersaat, Pattaya Mango, Weisse Schokolade
Die Desserts liegen auf dem gleichen hohen Niveau wie die bisher gezeigten Gerichte. Es überzeugt uns vor allem das Wechselspiel von Aggregatzuständen und Aromen.
Es folgt noch ein süsses Finale mit:
© Bernhard Steinmann
Wiener Melange, Strawberry Cheescake, Rhabarber-Streusel
Wein und Service:
2016 Grand Régnard Chablis, Frankreich
2010 Terre de Pierres, Chateau Moyau, Frankreich Languedoc
Der Service war erfrischend locker, freundlich, auskunftsfreudig und hat somit zu einem gelungenen Abend beigetragen.
Rebekka Weickert dirigiert den Service unauffällig und erfolgreich.
FAZIT:
Alexander Hohlwein hat uns positiv überrascht. Die Ausrichtung seiner weltoffenen Küche ist produktorientiert und hat als Fundament ein beeindruckendes Handwerk.
Nach dem Genuss eines einzigen Menüs kann man die Bandbreite seiner Kreativität nur unzreichend erfassen. Doch schnell wird klar, hier kocht jemand mit Anspruch und großem Selbstbewusstsein. Ich erspare mir den untauglichen Versuch zu ergründen, ob Chris Rainer oder Kevin Fehling den jungen Koch entscheidend beeinflusst haben. Er ist längst auf seinem eigenen Weg.
Zweifelsohne ist er der Star in der Region. Doch der Weg in die bundesdeutschen Feuilletons geht nur über einen weiteren Stern.
Alle Fotos gibt es auf www.bsteinmann-gourmet-unterwegs.de