Verschiedentlich wurde von verbesserter Migränesymptomatik nach Behandlung mit Gerinnungshemmern, sogenannten Antikoagulanzien, berichtet. Solche Mittel sind zum Beispiel Heparin oder Gegenspieler des Vitamins K (Vitamin K-Antagonisten). Vitamin K ist ein essentieller Bestandteil bei der Produktion verschiedener Substanzen im Blutgerinnungssystem. Generell scheint die Blutgerinnung im Zusammenhang mit möglichen entzündlichen Erkrankungen der Nerven zu stehen. So hatten neuere Studien bei Multipler Sklerose gezeigt, dass die Hemmung bestimmter Gerinnungsfaktoren (speziell Faktor X, getestet mit Rivaroxaban) das Krankheitsbild im Tiermodell der Erkrankung verbesserte. Könnte eine solche Hemmung auch bei Migräne helfen?
Die Kardiologin Dr. Bungard berichtete nun mit ihrem Kollegen Dr. Nilsson von einer 55jährigen Patientin am Royal Alexandra Hospital in der Provinz Alberta in Kanada. Diese Patientin war aufgrund anderer Probleme mit Warfarin behandelt worden. Warfarin ist ein auf dem amerikanischen Kontinent üblicher Gerinnungshemmer auf der Basis von Cumarin, das auch in Zimt oder Waldmeister zu finden ist. In Europa ist stattdessen das chemisch nahverwandte Phenprocoumon zugelassen.
Ursprünglich litt die Frau unter Migräneattacken mit visueller Aura. Sobald sie mit Warfarin behandelt wurde, stoppten die Migräneanfälle komplett für 12 Jahre. Schließlich wurde, wieder unabhängig von der Migräneerkrankung, die Behandlung auf das Mittel Apixaban geändert. Dieses Mittel ist ebenfalls ein Gerinnungshemmer, jedoch von anderer chemischer Struktur. Innerhalb von 3 Wochen nach diesem Wechsel litt die Patientin wieder unter Migräne. Die behandelnden Ärzte wechselten daraufhin zurück auf Warfarin und beobachteten einen Rückgang der Migränesymptomatik innerhalb von Tagen.
Diese Fallstudie unterstützt einerseits vorherige Berichte über die Relevanz von Gerinnungshemmern bei der Behandlung von Migräne. Jedoch zeigte sich in diesem Fall, dass Gerinnungshemmung allein nicht ausreicht. Wie genau Substanzen wie Warfarin und andere Vitamin-K-Antagonisten, die eventuell auch nicht in der Gerinnungshemmung aktiv sein könnten, auf eine Migräneerkrankung einwirken, muss nun in Folgestudien untersucht werden. Bevor nun Migränepatienten aber versuchen, sich selbst mit Zimt und Waldmeister zu therapieren, muss an dieser Stelle auf eine der Nebenwirkungen einer Überdosierung hingewiesen werden: Kopfschmerzen. Die tolerierte Tagesdosis von Cumarin liegt bei 0,1 mg/kg Körpergewicht. Bei den EU-Höchstwerten für den Zimtgehalt handelsüblicher Zimtsterne (seit 2011: 50 mg/kg) dürften, wenn keine Risiken für Blutungen bestehen, erwachsene Migräneure allerdings bedenkenlos einen kulinarischen Therapieversuch starten.
Referenzen:
Nilsson BG, Bungard TJ. A Case of Migraine With Aura Resolving on Warfarin But Not on Apixaban. Headache. 2017 Sep 27. doi: 10.1111/head.13190.
Zum originalen Volltext-Artikel:
A Case of Migraine With Aura Resolving on Warfarin But Not on Apixaban. Headache.
Kurzfassung
Zimt kann bei Migräne helfen