Über Dresden könnte man so viel schreiben. Die Stadt ist reich an Kunst und Kultur in barocker Kulisse. Frauenkirche oder Semperoper, die Staatlichen Kunstsammlungen oder das reizvolle Elbtal. Doch unser Interesse gilt, wie könnte es für Foodblogger auch anders sein, dem Relais & Châteaux Hotel Bülow Palais mit seinem Gourmet-Restaurant Caroussel.
Küchenchef ist Benjamin Biedlingmaier, der nach seiner Ausbildung weitere Stationen zur Fortbildung absolvierte:
– TraubeTonbach (Restaurant Silberberg)
– Hotel am Schlossgarten in Stuttgart
– Mandarin Oriental in München
– Schloss Velden am Wörthersee
Zuletzt war er stellvertretender Küchenchef im Restaurant La Mer im Grand Spa Resort A-Rosa auf Sylt. 2013 folgte der nächste Schritt, er wurde Küchenchef im Restaurant Caroussel.
Seitdem erkocht er Jahr für Jahr mit seiner Crew einen Michelinstern. Erst vor ein paar Tagen konnten Sie bei Gourmet-Report unser mit ihm geführtes Interview lesen.
Ralf J. Kutzner, der geschäftsführende Hoteldirektor, mit dem wir am nächsten Tag ein sehr interessantes und informatives Gespräch führen konnten, war selbst einmal als Koch in der benachbarten Bülow Residenz tätig. Er war dabei sogar überaus erfolgreich. Konnte er doch 1997 für das Unternehmen den ersten Stern erkochen.
Auf dem Weg durch das Hotel in das Restaurant kommen wir von der Lobby durch die Bar und das Bistro. Kurz vor der Bar befindet sich auf der linken Seite eine Bildergalerie. Direktor Kutzner ist dort jeweils mit mehr oder weniger prominenten Menschen abgelichtet. Schauspieler, Politiker, wer auch immer. Und obwohl ich am unteren rechten Rand noch eine kleine Lücke erblicken konnte, habe ich nur wenig Hoffnung, dort ebenfalls eines schönen Tages aufzutauchen.
Das Restaurant wirkt luxuriös, es gibt große Tische und sehr bequeme Stühle, alle mit Armlehnen ausgestattet, so kann man es einige Stunden aushalten.
Wir suchen uns ein Menü aus, ändern es leicht ab und kurz darauf erreichen und die ersten Amuse Gueules.
Macademiapraline, geeistes Tomatengazpacho mit Basilikumespuma, Pilzmousse
und
Moleschaum mit Gurkenschnee und Dillpuder
Das Menü:
Stör, Zitrus und fermentierter Knoblauch
Ein kleines Stück abgeflämmter Stör, Störmousse, dazu eine Sphäre aus schwarzem Knoblauch, Crème fraîche und Bergamottetupfen
Eine sehr gefällige Kreation, die schon optisch einen tollen Eindruck hinterlässt. Die „feminine Anrichteweise“ haben wir dem vorangegangenen Interview mit dem Küchenchef bereits ausreichend thematisiert.
Weiße Tomatenessenz, Estragon und Mandel
Die Mandeln sind etwas angeräuchert, außerdem gibt es noch Kräutergnocchi.
Faux Gras
aus Kakaobutter, Öle, Nüsse
Meine französischen Freude müssen jetzt sehr tapfer sein, aber der Kulturspeise Foie gras, in Frankreich zum schützenswerten Kulturgut erklärt, wird hier im Restaurant abgeschworen. Die Alternative ist eine vegetarische Variante, die, da bin ich sicher, so manchen Gourmet verblüffen wird.
Doch möchte ich nicht verschweigen, dass die Stopfleber auch in Frankreich unterschiedliche Emotionen auslöst. Dabei haben die Franzosen die gezielte Überfütterung von Tieren nicht einmal erfunden. Den Ursprung dafür findet man vor ungefähr 4500 Jahren in Ägypten.
Auch ist Benjamin Biedlingmaiers Version einer „Foie gras“ nicht der erste Versuch in diese Richtung. Doch sein Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen. Dabei geht er weder als kulinarischer Ideologe noch als Moralist an die Sache heran.
In einer längeren Versuchsreihe wurden schließlich Kakaobutter, Öle und Nüsse zusammengerührt, bis die richtige Konsistenz und das bekannte Aroma nahezu erreicht wurde.
Die weiteren Begleiter, ein erfrischendes Kirschsorbet, Kirsche, Kirschgelee, es wird mit verschiedenen Texturen gespielt, fügen weitere Geschmacksnoten hinzu.
Steinpilz, Eigelb, Parmesan und Cima de Rapa
Cima de Rapa, auch italienischer Brokkoli genannt, hat ein kräftiges Aroma und wird gerne dann verarbeitet, wenn andere Produkte eines Essen kaum oder nur sehr wenig Eigengeschmack entwickeln. Diesmal jedoch hat man mit Steinpilzen und Parmesan schon deutlichere Geschmacksträger.
Steinpilzpüree, alter Balsamico, Bioeigelb, geraspeltes Eigelb,
Parmesanchip- und Schaum ergeben insgesamt ein recht breites Aromenspektrum.
Iberico Secreto, Mais und pickled Blumenkohl
Das geheime Filet, man kann die deutliche Marmorierung auf dem Bild gut erkennen, ist zwischen Rücken und Rückenspeck versteckt.
Hinzu kommt Mais, gegrillt und mariniert, Blumenkohl in Texturen. Die unterschiedliche Verarbeitung eines Produktes wiederholt sich auch bei diesem Gericht.
Vielleicht noch ein Wort zum Porzellan.
Im Restaurant Caroussel kommt ausschließlich weißes Meissener Porzellan zum Einsatz, welches nahezu ausnahmslos aus der Serie „Wellenspiel Relief“ stammt. Die verschiedenen Formen sind nicht nur optisch sehr ansprechend, sondern auch überaus zweckmäßig.
Auswahl von Rohmilchkäsen.
Predessert:
Kopfsalat, grüner Apfel, Zitronenmelisse und weisse Schokolade
Brombeer und Himbeer,
Schokolade, Fichte und Buchweizen
Fichtensprossengranitee, Himbeersorbet, dunkle Schokolade
Die wenigen Blätter des Kopfsalates im Predessert mögen nicht sonderlich ins Gewicht fallen, doch der Trend Gemüse oder Salate in Desserts zu integrieren, hat offensichtlich auch Dresden erreicht.
Fast zwangsläufig muss man dabei an Christian Hümbs denken, den wir damals noch im Restaurant Haerlin im Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg erleben konnten und der auf fast geniale Weise Gemüse in Desserts integriert hatte.
Und wie dort, geht es auch im Caroussel nicht um die Wahl beliebiger Beilagen, sondern um bewusstes und gewolltes Abweichen von allzu bekannter Dessertaromatik.
Friandises
Praline aus Vanille, weisser Schokolade und Basilikum
Macaron
Profiterole
Wein und Service:
2015, Kerner „R“ trocken, Pillnitzer Königlicher Weinberg, Sachsen
2015, Scheurebe, Schloss Proschwitz, Sachsen
2015, Riesling, Kapitelberg, Schwarz, Sachsen
2014, Weisser Burgunder Lösswand, Weingut Arndt Köbelin, Kaiserstuhl
2013, Rosso Toscana, Prelato di Massanera
2013, Cuvée Rot „Casòn Hirschprunn“, Tenutae Lageder, Dolomites
Mit der Sommelière und stellvertretenden Restaurantleiterin Jana Schellenberg haben wir vor dem Restaurantbesuch ein interessantes Interview geführt, das wir in Kürze ebenfalls hier veröffentlichen.
Die Weinbegleitung hat uns sehr gut gefallen, die Weine waren toll auf die Speisen, aber auch auf unseren persönlichen Geschmack, abgestimmt.
Jetzt könnte man auf die Idee kommen, dass uns alleine schon durch das Interview eine gewisse Bevorzugung zuteil wurde, doch auch an den Nachbartischen wurde die Weinberatung ebenso gewissenhaft und ausführlich gestaltet.
Wie die Weinberatung war auch der übrige Service dem Niveau des Restaurants angemessen. Freundlich, engagiert, sachkundig und zu allen Auskünften bereit.
FAZIT:
Benjamin Biedlingmaier kreiert eine ausbalancierte Küche mit fein austarierten Geschmacksnoten. Dabei ist die Präsentation eines Produktes in verschiedenen Formen und Texturen eine sehr beliebte Spielart.
Die Anzahl der verwendeten Produkte richtet sich natürlich nach dem gewünschten Geschmacksbild. Daher kann eine Kreation auch schon einmal etwas reichhaltiger bestückt sein.
Man spürt förmlich den abgelaufenen Gestaltungs- und Denkprozess, die Idee hinter dem Gericht, wenn beim Essen einzelne Teile gekostet oder mehrere zugleich probiert werden.
Ungern möchte ich das an diesem Abend verkostete Menü als „klassisch-französisch“ überschreiben. Dies könnte durchaus als rückwärtsgewandt fehlinterpretiert werden. Biedlingmaier hat in Dresden eine deutliche Handschrift entwickelt, die Gerichte zeitgemäß interpretiert ohne verkrampft dem Zeitgeist hinterherzujagen.
Der Guide Michelin Deutschland führt mittlerweile eine stattliche Zahl von Restaurants auf, die mit einem Stern ausgezeichnet sind. Das Dresdner Caroussel ist, da waren wir uns schnell einig, sehr weit vorne zu finden.
Weitere Fotos finden Sie auf meiner Homepage http://www.bsteinmann-gourmet-unterwegs.de