Restaurant Bareiss

von Bernhard Steinmann
Gerne und recht häufig berichten wir aus Paris von unseren Restaurantbesuchen und schwärmen von der französischen Klassik, dargeboten in Restaurants mit aufwändigen Kreationen und eindrucksvollem Ambiente. Beides, Haute Cuisine und gehobenes Ambiente kann man auch in Deutschland finden. Nicht an jeder Ecke, aber der interessierte Gourmet weiß genau, wohin er muss. Er muss, wie wir an diesen Tagen, nach Baiersbronn. In Mitteltal befindet sich das Hotel Bareiss mit seinem Aushängeschild, dem gleichnamigen Restaurant.
Nun habe ich bereits über das Restaurant berichtet und könnte damit ohne größere Einleitung zum Wesentlichen, dem Essen, überleiten.
Beim Betreten des Restaurants allerdings, beschleicht uns ein Gefühl von Veränderung, ohne dass wir auf Anhieb genau sagen könnten, worin die Veränderungen liegen. Das Restaurant hat eine Auffrischung erhalten, ein Facelift, so behutsam und dezent, dass das Gefühl der Vertrautheit nicht gänzlich weicht. Vorhänge, Fenster, alles wirkt etwas leichter, durchlässiger. Der Blumenschmuck in der Mitte ist noch immer Orientierungspunkt. Der Charakter des Restaurants ist erhalten geblieben. Erhalten geblieben ist auch die freundliche Begrüßung durch Herrn Brandt und der liebenswerte Service.
Wir entscheiden uns für das große Degustationsmenü und rasch wird die Apéro Etagère präsentiert und das Vergnügen beginnt.
Normalerweise erhalten Sie an dieser Stelle zu jedem einzelnen Gericht eine dataillierte Beschreibung und Bewertung. Diesmal möchte ich nur wenige Punkte herausgreifen. 
Das hält die Größe des Berichts im Rahmen und gibt mir die Möglichkeit, mehr auf Grundsätzliches einzugehen.
Amuse Bouche
Zunächst erreicht uns ein erfrischendes Gurkensorbet mit Yuzu und Chiligurke, Buttermilchschaum mit Molke und Nouri-Algen. Jedenfalls, soweit ich mich erinnere.
Leichte Säurenoten und etwas Schärfe waren besonders auffällig.
Ich erwähne diesen Küchengruß aus einem besonderen Grund.
Wir hatten für den nächsten Tag ein Interview mit Herrn Lumpp vereinbart. Dieses Interview können Sie in einigen Tagen an gleicher Stelle nachlesen. Ohne vorzugreifen nur soviel: Herr Lumpp hat am Beispiel des Amuse Bouches einen interessanten Einblick in die Organisation seiner Küche gegeben. Freuen Sie sich darauf, es lohnt sich.
Matjesfilet
Variation von der Gänsestopfleber mit Waldmeister und Rhabarber
Claus-Peter Lumpp arbeitet anscheinend gerne mit der Gänsestopfleber. À la carte wird diese außerordentlich variantenreich und opulent präsentiert.
Im Menü wirkt alles etwas filigraner, zurückgenommer, nur der Geschmack kommt mit voller Präsenz und Wucht. Cremig, aromatisch und würzig fügen sich die einzelnen Komponenten zusammen, sei es als „Crème brûlée“ oder Eis, oder eine als Mousse annoncierte Köstlichkeit, welche in einem weiteren Schälchen gereicht wird. Leicht süßliche Noten bilden einen interessanten Gegensatz zu zarten Säurenoten. 
Natürlich darf auch Brioche nicht fehlen. 
Wir waren uns schnell darin einig, dass es ein sehr pfiffiger Einfall war, mit Waldmeister und Rhabarber als Begleiter zu arbeiten.
Sautierter Langostino mit Erbsencrème, Estragon und Crustacéeglace
Kabeljau in Traubenkernöl pochiert mit Radieschen
Joghurt und Sprossenvinaigrette
Wie bei allen Gerichten stimmen auch beim Kabeljau Idee, Handwerk und Geschmack.
Der Kabeljau wurde pochiert, also auf sehr klassische oder besser gesagt, typische Weise zubereitet. Das schuppenartige Fleisch des beliebten Speisefisches lässt sich spielend leicht auffächern. Es ist zart und weist einen geringen Fettgehalt auf. 
Unter dem Fisch befindet sich eine Sprossenvinaigrette, eine Sauce hollandaise finden wir obenauf. Wir freuen uns über eine ausgesprochen gelungene Balance, die auch von den weiteren Begleitern eingehalten wird. Die Kombination ist feingliedrig und puristisch und geschmacklich vortrefflich.
 
Cassolette vom Milchlamm mit gratiniertem Parmesanbrot, Artischocken, Fèves und Crèmolata 
Gebratener Milchkalbsrücken mit glacierten Morcheln, jungem Lauch und Sherrysauce
(2 Teller)
Bevor nun jemand die Menüfolge kritisiert, Milchkalbsrücken folgt auf Milchlamm, bedarf es des Hinweises, dass wir allein für die Zusammenstellung verantwortlich sind, da wir nach zuletzt reichlichem Genuss von Tauben unterschiedlichster Zubereitungsart, die angebotene Taube abgewählt haben.
 
 
Käseauswahl vom Wagen 
Wo bitte, gibt es noch so üppig beladene Käsewagen. Für mich gibt es an diesem Tag mal wieder Ziegenkäse. Vom Fromelier von mild bis kräftig-würzig als Käseuhr serviert.
Zartbitterschokolade mit Kokos, Schokoladen-Crumble und Safraneis 
Für das Dessert ist Stefan Leitner verantwortlich. Ebenso für die Friandises und die Confiserie und natürlich die Pralinen vom Wagen, und das macht er nahezu perfekt. Nicht umsonst hat der Gault&Millau in seiner aktuellen Ausgabe Stefan Leitner zum „Pâtissier des Jahres“ ausgezeichnet. 
Wir finden hier ein durchaus klassisches Dessert mit einem breiten Geschmacksbild vor, welches sich qualitativ hervorragend in das Menü einfügt. 
Wein und Service:
Grauer Burgunder GG trocken, Seeger Oberklamm, Leimen, Baden.
Cabernet Sauvignon aus der Bareiss Edition von Bender.
An anderer Stelle habe ich schon darüber geschrieben, dass ein guter bis sehr guter Service ein schlechtes Essen nicht besser machen kann, aber ein schlechter Service kann einem guten Essen erheblichen Schaden zufügen.
Nun, im Restaurant Bareiss ist der Service für den Küchenchef ein ebenso wichtiger Garant für den Gesamterfolg wie die Küche selbst. Der Service ist erstklassig, charmant, freundlich und strahlt die notwendige Lockerheit aus. Alles ist so, wie man es in einem Dreisternerestaurant erwarten darf.
Maître Thomas Brandt ist nun schon seit rund 25 Jahren im Restaurant, strahlt Ruhe und Gelassenheit aus und ist zur Stelle, sobald er gebraucht wird. Gerade noch hat man ihn aus den Augen verloren, da taucht er schon wieder neben einem auf. Als eine seiner wesentlichen Eigenschaften möchte ich daher seine „unauffällige Präsenz“ benennen.
2006 war ich zum ersten Mal im Restaurant Bareiss. Herrn Brandt nahm ich als professionell und korrekt wahr, allerdings erschien er mir etwas zu formell. 
Später habe ich charmant und zugewandt hinzugefügt. Darüberhinaus ist er humorvoll, ohne jedoch zu entertainen, sachkundig und hilfsbereit. 
Die Anerkennung, die ihm von seinen Gästen zuteil wird, erhält er auch von seinem Küchenchef. Beide Teams, Service und Küche, haben schließlich das gleiche Ziel.
Normalerweise räumt der Sommelier die mediale Aufmerksamkeit ab. Nachdem Jürgen Fendt zum allgemeinen Bedauern das Restaurant verlassen hat, konnte ich Maître Thomas Brandt etwas mehr in den Fokus rücken. Es wäre bestimmt interessant zu erfahren, was er alles über seine Gäste zu berichten weiß.
FAZIT:
Claus-Peter Lumpp richtet sein Augenmerk auf die große französische Küche, interpretiert modern ohne bemüht zu wirken, ist mediterranen Einflüssen zugewandt und lässt regionalen Produkten genügend Spielraum. Damit wäre der „Küchenstil“ ausreichend beschrieben. Bewusst habe ich die Bezeichnung „Küchenstil“ hervorgehoben da ich finde, dass der Stellenwert des Küchenstils deutlich hinter dem der Produktqualität zurückweichen muss. 
Natürlich ist die Ausrichtung der Küche bei der Restaurantwahl von Bedeutung. Doch wo immer meine Frau und ich einkehren, steht für uns an erster Stelle die Produktqualität. 
Im Restaurant Bareiss dreht sich alles um Qualität. Aus erstklassigen Produkten entstehen erstklassige Kombinationen, entstehen handwerklich erstklassige Präsentationen, entstehen die unterschiedlichsten Geschmacksbilder. 
Ich hätte es auch so ausdrücken können: Drei Michelinsterne, 19 Punkte und vier Hauben im aktuellen Gault&Millau Deutschland, 5 F vom Feinschmecker, nur mal so als Beispiel.
Ohne Produktfanatiker zu sein, erreicht man solche Bewertungen nicht.
Die Küche variiert mit Aggregatzuständen, Texturen und Aromen. Doch keineswegs als Selbstzweck. Allein der Geschmack ist ausschlaggebend. So ist es nahezu spielerisch leicht, den Gast zu verwöhnen ohne ihn zu überfordern.
Schließen wir mit der Handschrift des Küchenchefs ab. Es wird ja gerne danach gefragt. Das Wesentliche an der Lumpp´schen Handschrift ist die Makellosigkeit. Sein Handwerk ist grandios. Die Geschmacksbilder ebenso. Braucht es noch etwas?
 
Den bebilderten Bericht gibt es auf www.bsteinmann-gourmet-unterwegs.de 

 

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