von Bernhard Steinmann
Nachdem wir zuletzt im Jahr 2014 bei Thomas Bühner im Osnabrücker Dreisternerestaurant La Vie zu Gast waren, wurde es höchste Zeit mal wieder dort einzukehren.
Thomas Bühner muss man sicherlich nicht mehr vorstellen. Sein Restaurant im Osnabrücker Tenge-Haus ist seit vielen Jahren Treffpunkt von Gourmets aus aller Welt.
Insgesamt sind seine Kreationen intelligent gemacht, jedoch nicht verkopft. Sie erschließen sich dem aufmerksamen Gourmet sehr schnell, entweder indem man die einzelnen Komponenten probiert oder gleich mehrere Komponenten zusammen verkostet.
Kommen wir nun ohne Umschweife zum Menü, wobei ich die Schreibweise der Menükarte übernommen habe:
rotbarbe I sauer mariniert
ketjab manis
Der zarte Fisch wurde von feinen Säurenoten begleitet. Die luftgetrocknete Tomate und etwas Fenchelsalat passten vortrefflich dazu.
Die dickflüssige dunkle Sauce Ketjab Manis ist in Indonesien und Malaysia beheimatet. Für die dort heimische Küche stellt sie sozusagen die Basis-Würze dar. Salzig mit mild-süßer, oftmals auch etwas herber Note ist sie der Sojasauce nicht unähnlich.
wagyu japanisch 30 d dry aged | salad
kabeljau consommé
Ein leichtes und zurückhaltend gewürztes Gericht, welches mit Safran seine Intensivnote erhielt. Unter dem dünn geschnittenen Fleisch versteckte sich pochierter Kabeljau.
red gamba | mandarinen – sojabutter
zitronenthymian
Den eher einfachen Gang peppte eine angegossene Soja-Butter-Jus aufs Beste auf.
octopus | wildschwein – emulsion
kimchi | rosenkohl
Hinzu kamen Schweinebauchwürfelchen und eine grandiose und intensive Wildschweinemulsion.
Etwas Apfel, für Fruchtnoten und Frische, rundete das Ganze ab.
trüffel périgord | mountain yam
flusskrebs | bellota ham | ei
Stimmig mit köstlichem spanischen Schinken.
caviar impérial | süßkartoffel
Ein sehr schöner Zwischengang aus der Luxusabteilung.
auster (gillardeau) | kalbsbries
portulak | austernsauce
Erneut finden wir eine nicht alltägliche Kombination vor: Auster und Kalbsbries. Meer trifft auf Innerei.
Ein gelungener Gang.
hummersuppe I vadouvan
Die sehr heiße Suppe wurde in einem Trinkgefäß serviert, was wohl auch die Servicecrew überrascht hat. Der zuvor gereichte Löffel erwies sich nämlich als untauglich und verzichtbar. Bei den Details zur Gewürzmischung waren wir uns uneinig. Ein unverkennbares vorweihnachtliches Aroma erinnerte jedoch stark an Kardamom.
Die Diskussion hält allerdings noch an.
étouffée taube | wacholderrauch
karamellisierter kürbissaft
Die Étouffée-Taube bedarf einer besonderen Erwähnung. Allein schon deshalb, weil ich Tauben auf dem Teller nicht mag. Ich mag das kräftige Aroma des Federwildes einfach nicht. Wer Fleisch zum Essen möchte, muss sich auch darüber im Klaren sein, dass man ohne Schlachtung nicht auskommt. Die erdrosselte Bluttaube wird jedoch nie zu meinen Favoriten zählen.
Ungeachtet davon war Bühners Taube wunderbar zart und besonders wohlschmeckend, wozu der karamellisierte Kürbissaft seinen Teil beisteuerte. Bei der Frage nach einer weiteren Begleitung für die Taube schien man wohl nicht so recht zu einem nachvollziehbaren Ergebnis gekommen zu sein. Letztlich entschied man sich dafür, etwas Löwenzahl auf dem Teller zu verteilen, was rein optisch etwas kläglich wirkte.
bison I kanadisch
sauce foyot I chicorée
Sauce Foyot ist eine Ableitung der klassischen Sauce Bérnaise.
Bitternoten durch den Chicorée und dreierlei von der Blutwurst (Blutwurstmuffin- creme- und fond) ergänzten eine Hauptkomponente, die wir schon aus dem Jahr 2014 kannten.
le phébus | pinienkerne
kaki | sojasauce
Um den Käsewagen nicht die Treppen raufwuchten zu müssen, entschied sich die Küche wohl für dieses Gericht mit kräftigem Käsegeschmack.
neues gold aus kalkriese
Die einfallsreichen Dessertköche bei Bühner haben sich da etwas sehr außergewöhn-liches einfallen lassen. Man scheut hier nicht den Bezug zur katastrophalen Niederlage dreier römischer Legionen im Jahr 9 n. Chr. im Teutoburger Wald. Nicht nur Leben, auch weitaus weniger bedeutsame Dinge gingen damals dort verloren. Sieben Goldmünzen wurden bis zum Sommer 2016 an der Stelle der kriegerischen Auseinandersetzung gefunden und dann folgte eine wahre Sensation: Acht weitere Goldmünzen, mehr als 2000 Jahre alt, wurden im Museumspark Kalkriese gefunden. Nicht nur Archäologen waren begeistert, galt doch bisher als größter Fund die eiserne Helmmaske eines römischen Reiters.
Professor Thomas Derhake und sein Team von der Hochschule Osnabrück scannten die Münzen ein und stellten mittels 3-D-Drucker Duplikate und Formen her. Und an dieser Stelle kommt auch das Restaurant La Vie ins Spiel.
Thomas Bühner und seine Küchencrew entwickelten ein Dessert um die Münzen auch den Gourmets näherzubringen.
Seitens der Servicecrew wurde auf Nachfrage mitgeteilt, dass für die Münze an diesem Abend Süßholz verwendet wurde, die dadurch eine cremige Konsistenz aufwies.
Zerkleinerte Luftschokolade sollte die Erde darstellen. Hinzu kam Karotte und Karottengrün.
Letztlich hat mich das Dessert, über das ich im Vorfeld so viel gelesen habe, weder geschmacklich noch texturell überzeugt. Die Geschichte des Desserts mit dem regionalen Bezug war am Ende interessanter als dessen geschmackliche Qualität. Ich möchte aber nicht ausschließen, dass bei der Vielzahl der einzelnen Gänge am Ende die Ermüdungserscheinungen für die kritischere Wahrnehmung verantwortlich sind.
tonkabohne | edelweiss geeist
grüner apfel confiert I selleriemilch
Ein gelunger Abschluss eines sehr, sehr großen Menüs.
Es ist wie verhext. Bei unserem ersten Besuch im La Vie, damals zierten lediglich zwei Michelinsterne das Restaurant, gab es vor den regulären Gängen jeweils eine kleine kulinarische Einstimmung. Das Konzept war genial, die Umsetzung grandios. Sobald ich an das La Vie denke, fallen mir diese Dinge sofort wieder ein. 2010 änderte Bühner sein Konzept und, kaum zu glauben, der dritte Michelinstern rauschte an. Weshalb man beim Michelin die Genialität, die Kreativität und die berauschenden Geschmackswelten erst honoriert hatte, als das Konzept geändert wurde, habe ich nie nachvollziehen können. War man überfordert, oder hatte es am Ende nur mir gefallen?
Sei´s drum. Bühners Küche mit der sich stets verändernden Handschrift, ist im Vergleich mit den deutschen Dreisternen eher in der zweiten Häfte angesiedelt. Allerdings sind die Abstände winzig. Das verkostete Menü zeigt deutlich, dass die selbstbewusste Küche auf hohem Niveau agiert. Produktqualität, Ideenreichtum und handwerkliche Umsetzung lassen keine Wünsche offen.
Fotos hierzu gibt es wie immer auf meinem Blog www.bsteinmann-gourmet-unterwegs.de. Dort habe ich jedoch auf die ausführliche Beschreibungen der einzelnen Gänge verzichtet.
Dies habe ich nur für Sie, die Leserinnen und Leser des Gourmet Reportes, gemacht.