Senföle aus Kapuzinerkresse beeinflussen den zellulären Zucker- und
Entgiftungsstoffwechsel
Die auch als Arzneipflanze bekannte
Kapuzinerkresse enthält Senfölverbindungen, die sich beim Verzehr durch
einen scharfen Geschmack bemerkbar machen. Wie eine gemeinsame Studie
des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) und des
Leibniz-Instituts für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) nun annehmen
lässt, wirkt Senföl aus Kapuzinerkresse antidiabetisch und aktiviert
Enzyme des Entgiftungsstoffwechsels.
Das Wissenschaftlerteam um Valentina Guzmàn-Pérez, Christiane
Bumke-Vogt sowie Andreas Pfeiffer vom DIfE und Monika Schreiner vom IGZ
publizierte seine Ergebnisse kürzlich in der open access-Fachzeitschrift
PLOS ONE (Guzmàn-Pérez et al. 2016, DOI:10.1371/journal.pone.0162397).
In der Natur kommen Senföle vor allem chemisch gebunden als sogenannte
„Senfölglycoside“ (Glucosinolate) in Kreuzblütlern vor. Zu diesen
Pflanzen gehören beispielsweise Senf, Brokkoli, Pak Choi, Radieschen,
Meerrettich, Garten- und Kapuzinerkresse. Aus der Naturheilkunde ist
seit langem bekannt, dass Senfölverbindungen aus Meerrettich und der
essbaren Großen Kapuzinerkresse (Tropaeolum majus) antibakterielle
Eigenschaften besitzen. Seit kurzem gibt es aber auch wissenschaftliche
Hinweise auf antidiabetische Effekte dieser bioaktiven
Pflanzeninhaltsstoffe. So zeigen zum Beispiel neuere klinische Studien,
dass senfölhaltige Extrakte aus Brokkoli-Sprossen nicht nur die
Cholesterin- und Entzündungsmarker-Werte von Patienten mit
Typ-2-Diabetes günstig beeinflussen, sondern auch deren
Zuckerstoffwechsel. Ebenso hatten in anderen Studien
Meerrettich-Extrakte positive Effekte auf die Wirkung des Botenstoffs
Insulin. Doch welche zellulären und molekularen Mechanismen liegen
dieser antidiabetischen Wirkung zugrunde? Um eine Antwort auf diese
Frage zu finden, untersuchten die Forscher die Stoffwechseleffekte von
Senföl aus Kapuzinerkresse mit Hilfe von Testsystemen, die auf in Kultur
gehaltenen menschlichen Zellen basieren.
Hierzu gaben die Wissenschaftler unterschiedliche Konzentrationen einer
aus Kapuzinerkresse isolierten Senfölverbindung (aromatisches
Benzylglucosinolat) in das Nährmedium der Testzellen und fügten
gleichzeitig das pflanzliche Enzym Myrosinase* hinzu, das die Verbindung
in das Senföl Benzylisothiocyanat überführt. Wie die Forscher
beobachteten, modulierte das im Zellkulturmedium freigesetzte Senföl
dosisabhängig die intrazellulären Signalwege des Botenstoffs Insulin.
Ebenso verringerte es in den untersuchten menschlichen Leberzellen die
Produktion von Enzymen, die für die Zuckerneubildung notwendig sind.
„Hieraus schließen wir, dass Senföl auch in der Leber die
Zuckersynthese vermindert. Dies ist ein sehr wichtiges Ergebnis, da
hinsichtlich einer Diabeteserkrankung eine überschießende, körpereigene
Zuckerproduktion zu erhöhten Blutzuckerspiegeln führen kann. Unsere
Resultate könnten zudem die positiven Ergebnisse der klinischen Studien
erklären, welche die Wirkung von Brokkoli- oder Meerrettich-Extrakt auf
den menschlichen Zuckerstoffwechsel untersuchten“, sagt Erstautorin
Guzmàn-Pérez. „Ein weiteres interessantes Ergebnis ist, dass das Senföl
auch Schutzmechanismen gegen oxidativen Stress aktiviert, indem es die
Produktion von Enzymen des zellulären Entgiftungsstoffwechsels
stimuliert“, so die Wissenschaftlerin weiter.
„Sicher ist es noch zu früh, um zu sagen, inwieweit der Verzehr von
Kapuzinerkresse dazu beitragen kann, den Zuckerstoffwechsel von Menschen
mit Typ-2-Diabetes zu verbessern oder der Erkrankung vorzubeugen“,
sagt Studienleiter und Diabetologe Andreas Pfeiffer. „Dennoch tragen
unsere Ergebnisse schon heute dazu bei, die molekularen Mechanismen
besser zu verstehen, die den potentiell antidiabetogenen Effekten von
Senfölen zu Grunde liegen“, meint Christiane Bumke-Vogt, die
federführend an der Studie beteiligt war. „Dies ist eine wichtige
Voraussetzung, um neue Ernährungsstrategien und eventuell auch
Diabetesmedikamente zu entwickeln“, ergänzt Ernährungsmediziner
Pfeiffer. „Zukünftig wollen wir unsere gemeinsamen Untersuchungen
vertiefen, indem wir ausreichende Mengen der Senfölverbindungen aus
Kapuzinerkresse isolieren und deren Wirkung weiter in Ernährungsstudien
untersuchen“, sagt Monika Schreiner, die sich mit ihrer Forschung auf
sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe spezialisiert hat.
Link zur Publikation:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5021297/