Die Erbse

Besondere Kennzeichen: Keine! Die Erbse ist ein solider
Durchschnittstyp, verlässlich, gesund und sympathisch. Trotzdem hat
sie es nie so ganz geschafft, über den Beilagenstatus hinauszukommen.

Während andere alte Gemüsearten wie Pastinake oder Rote Bete
laufend von der modernen Küche wiederentdeckt und neuinterpretiert
werden, verfolgt die Erbse hartnäckig der Ruf des etwas farblosen
Sattmachers. Das hat vielleicht auch mit den bekanntesten Gerichten
auf Erbsenbasis zu tun, die eher nach Notversorgung klingen als nach
kulinarischem Highlight: Erbsensuppe, Erbsen zu Fischstäbchen und
Kartoffelpüree oder noch schlimmer – Erbswurst.

Möglicherweise begleitet die Erbse den Menschen auch einfach schon
zu lange, als dass man ihren wahren Wert noch zu schätzen wüsste.
Immerhin isst man sie schon seit über 9.000 Jahren, wie Funde im
heutigen Syrien belegen. In Mitteleuropa wurde sie ab dem 13.
Jahrhundert zum Fleisch des kleinen Mannes, weil sie ein billiger
Proteinlieferant war und sich getrocknet gut lagern ließ. Als
Pflanze, die sich ihren Stickstoff selbst aus der Luft holte, passte
sie zudem perfekt in die Dreifelderwirtschaft der Bauern und war eine
willkommene Ergänzung zum täglichen Getreidebrei, wenn auch als
langweiliges Mus.

Immerhin glänzt sie heute mit einem beeindruckenden Sorten- und
Varietätenreichtum, der mehr als 100 Arten bzw. Unterarten umfasst.
Die Liste reicht von Ackererbsen als hochwertiges Eiweißfuttermittel
für Tiere über Markerbsen, die meist als Konserve angeboten werden,
bis zur Zuckererbse, bei der man die fleischig süße Hülse mit den
noch unentwickelten Körnern isst.

In dieser Form war ihr sogar ein kurzer Höhenflug als angesehene
Delikatesse vergönnt. Dafür sorgte Ende des 17. Jahrhunderts der
französische Sonnenkönig Ludwig XIV. Er liebte die unreifen kleinen
Erbsen samt süßlicher Schote über alles und ließ sie sogar in
Glashäusern anbauen und züchten, um das Trendgemüse aus Italien das
ganze Jahr über genießen zu können. Doch der Ruhm verblasste nach
wenigen Jahren, die Erbse blieb letztlich ein Gemüse für Jedermann.
Dazu trugen auch neue Verfahren zur Haltbarmachung bei wie die
Konserve und später auch das Tiefkühlen, bei dem sie sogar ihre
leuchtend grüne Farbe behält und fast alle wichtigen Inhaltsstoffe.

Wenn auch nicht in der Spitzengastronomie, so erlebt die Erbse
zurzeit immerhin auf deutschen Äckern ein Comeback. Nach
jahrzehntelangem Rückgang der Anbauflächen setzten Landwirte in den
vergangenen Jahren wieder verstärkt auf Erbsen als proteinreiches
Futtermittel. Auch der Anbau von Frischerbsen für den Handel ist seit
2013 deutlich gestiegen. Ganz offensichtlich hängen die Deutschen
mehr an ihrem Lieblingsdurchschnittsgemüse als sie zugeben. Und das
hat die sympathische Erbse auch wirklich verdient. Jürgen Beckhoff, www.aid.de

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