Superfoods sind buchstäblich in aller Munde. Die Medien sind voll mit Berichten über die trendigen Lebensmittel. Im Bekanntenkreis werden eifrig neue Chiasamen-Rezepturen ausgetauscht. Kollegen tunen ihr Müsli mit Acai- und Aroniabeeren. Und der Lebensmitteleinzelhandel stockt zügig die Regale mit Granatäpfeln und Algen, Amaranth-, Quinoa- und Hirseprodukten auf. Superfoods haben längst den Sprung vom staubigen Reformhausregal in den heimischen Supermarkt und den Discounter geschafft.
Doch was ist ein Superfood? Das „Oxford English Dictionary“ beschreibt den Begriff Superfood als „ein nährstoffreiches Lebensmittel, das als für Gesundheit und Wohlbefinden besonders förderlich erachtet wird“. Eine klare, fachliche Definition aber fehlt. Das wiederum erweist sich als Glücksfall für die Industrie, die stetig neue vermeintlich ultragesunde Produkte auf den Markt bringt. Laut „Die Welt“ ist die Verkaufsmenge von Chiasamen in den letzten beiden Jahren rapide angestiegen. Verkaufte der deutsche Lebensmittelhandel zu Beginn des Imports im Jahr 2013 gerade einmal 20 Kilogramm des wertvollen Samens, waren es 2015 bereits knapp 664 Tonnen. Es scheint, als greife der gesundheitsbewusste Verbraucher tief in die Tasche, um sein Verlangen nach mehr Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Energie mit exotischen Produkten aus aller Welt zu stillen.
Doch wissenschaftliche Untersuchungen zu den Lebensmitteln selbst sind selten. Die postulierten gesundheitsfördernden Eigenschaften einiger Inhaltsstoffe indes sind nicht neu. Und so geraten bei all dem Wirbel um die neuartigen, exotischen Superfoods aus Asien und Südamerika die Vorzüge der heimischen Nährstoffwunder in Vergessenheit. Hinsichtlich der Nährstoffzusammensetzung, des Preises und der Verfügbarkeit sind diese den regionalen Vertretern aber nur selten überlegen. Den heimischen Nährstoffwundern allein fehlt das übertriebene Marketing. Auch Heidel-, Johannis- und Holunderbeeren, Hagebutten, Karotten und Kürbis liefern jede Menge Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe sowie sekundäre Pflanzenstoffe. Wurzel- und Knollengemüse wie Topinambur, Rote Beete, Pastinaken und verschiedene Kohlsorten wie Grünkohl, Rosenkohl, Rotkohl oder Kohlrabi sind ebenso wichtige Nährstofflieferanten, die unseren Speiseplan bereichern. Im Vergleich zu den enorm gehypten Chiasamen sind Leinsamen als Omega-3-Fettsäuren- und Ballaststoffquelle eine günstige, nicht weniger wirkungsvolle Alternative.
Die Quintessenz: gesundheitsfördernde Effekte lassen sich durch den Verzehr einzelner, zum Teil überteuerter Produkte nicht erzielen. Exotische Superfoods erweitern die Palette unserer täglichen Lebensmittelauswahl, sind aber kein Allheilmittel. Die grundlegende Empfehlung, möglichst frische und unverarbeitete Lebensmittel zu konsumieren und auf Abwechslung und Vielfalt zu achten, bleibt also. Wer weiß, vielleicht entpuppt sich ja die ein oder andere längst vergessene heimische Gemüsesorte als kleines Geschmackswunder für den eigenen Speiseplan.