Rosa-violett-pastel oder das Farbenspiel von Toulouse – Die südfranzösische Hauptstadt der Midi-Pyrenäen im Zeichen des Kolorits
von Philip Duckwitz
Mein erster Eindruck schien bereits meine Sinne zu täuschen – alles rosa hier? In der Tat schienen Gebäude und Straßen in einem rosafarbenen Lichte zu glänzen, das ihr der Schein der Frühjahrssonne verlieh. Toulouse, die rosarote Stadt. So wird sie beschrieben und so erscheint sie selbst dem unaufmerksamen Besucher der Hauptstadt der Midi-Pyrénees im Süden Frankreichs.
Die meisten Gebäude – vor allem die öffentlichen – sind aus Ziegeln erbaut, die die Gründer der Stadt in Ermangelung von Steinbrüchen und Baumaterial in der umliegenden Gegend verwendeten, um die nunmehr 2000 Jahre alte Metropole an der Garonne zu errichten.
Rosarote Vergangenheit – die gallisch-römischen Wurzeln von Toulouse
Diese ehemals gallische Stadt, die im Jahr 106 v. Chr. Unter dem Namen Tolosa von dem Stamm der Tholosen errichtet wurde, zeichnet sich vor allem durch seine zahlreichen, Gärten aus, die wie grüne Oasen inmitten der rosaroten Architektur einen erfrischenden Kontrast bilden. Der Kanal du Midi und er Garonne-Seitenkanal verbinden die Metropole mit dem Mittelmeer. Anmutig liegen die kleinen Hausboote, Kähne und Jachten an den Ufern des sich bedächtig um den Stadtkern herum schlängelnden Kanal du Midi, der mich gerne zu einer beschaulichen Rundfahrt auf einem seiner urwüchsigen Schiffchen einlädt. Von hier aus sieht die Stadt mit ihren prachtvollen Gebäuden ganz anders aus, fast beschaulich und kleinstädtisch.
Dabei ist die alte Metropole und viertgrößte Stadt Frankreichs alles andere als provinziell. Allein der sich überdimensional ausrollende Platz vor dem markanten Capitol, die alles überragende Basilika St-Sermin oder die Kuppel des Hospital de la Grave – mit 69 Metern das höchste Gebäude der Stadt – am anderen Ufer der Garonne zeugen von der Größe und Ehrwürdigkeit dieser farbenprächtigen Stadt. Die Rue d´Alsace Lorraine, Pracht-Einkausstraße von Toulouse, zeigt eindrucksvoll die reichhaltige verzierten Jugendstilgebäude der Stadt. Hier und da sieht man noch Reste des Römerwalls, die von der antiken Vergangenheit Toulouse`zeugen. Zahlreiche Museen bringen mir die Kunst der Region näher. Und natürlich kann ich mich auch in in einem Besuch der modernen Produktionsstätte des Airbus-Werks vor den Toren der Stadt begeistern lassen von den technischen Errungenschaften der Region.
Alles Violett?
Mich aber reizt heute das Spiel der Farben. Denn Rosa ist längst nicht das Einzige, was die Stadt zu bieten hat. Violett und Pastel sind nicht nur allerorts präsente Kollorite, diese Farbtöne haben auch tiefe Wurzeln in der Geschichte der Stadt. Seit rund 150 Jahren wird das Veilchen vor allem an den Ufern der Garonne im Norden der Stadt kultiviert, auf fast allen Märkten angeboten und zahlreich verarbeitet. Jedes Jahr im Februar findet das Veilchen-Fest der „Féte de la Violette“ auf dem Platz vor dem Kapitol statt. Überhaupt erscheint mir in Toulouse alles von dem markant-violetten Farbton durchsetzt zu sein. Nicht nur in zahlreiche Souvenirs wie dem klassischen Veilchen-Bonbon über das süßliche Veilchen-Parfúme, Seifen, Düfte oder der Veilchen-Likör, Sirup und Essig, findet sich der Farbton wieder. Die Menschen scheinen diese Farbe zu lieben und zu leben. Violette Hüte, Jacken, Mützen oder Schirme sind keine Seltenheit in dieser Stadt. Und bei soviel lilafarbenem Farbrausch kann es durchaus zu einer Sinnesveränderung kommen. So kann es passieren, dass man beim Anblick einer weißen Wand meint, sie wäre in zartem Violett getüncht. Selbst der Champagner in den Restaurants ist mit jenem Farbton angehaucht. Wie mir ein eifriger Gaston erklärt, liege das an einem im Schaumwein aufgelösten Veilchen-Zucker, der hierzulande traditionell jenem Gtränk beigemischt würde.
Es geht auch in Pastel – die Wurzeln der Färbekunst
Nach soviel violettem Fetisch verwundert es mich kaum noch, dass noch ein weiterer Farbton das Bild der Stadt dominiert, wenn auch dezenter als Violett es tut. Pastel. Dieser hellblaue Farbton, gewonnen aus den Blättern der gelben Planze „Färberwaid“ oder auch „Pastel des teinturiers“ , die vor allem in dieser Region verwendet wird, gibt diesen bläulichen Farbton. Usrpünglich aus Asien stammend, wurde sie seit dem Mittelalter von Färbern zur Herstellung des Färbemittels genutzt. Die Kunst des Meister-Färbers, dem „maître pastellier“, bestand darin, aus den pigmenthaltigen Kugeln ein Färbebad zu bereiten. Der Vorgang war lang und kompliziert, aber die Belohnung folgte sofort, dann nämlich, wenn der gefärbte Stoff aus dem Farbbad noch gelblich-grün auftaucht und sich wie durch einen Zauber beim Kontakt mit dem Sauerstoff der Luft blau färbt.
Man erhält mit dem Pastel jede Farbnuance von Blau, vom Allerhellsten bis zum Tiefdunklen. Und dieses Blau färbt nicht ab und hält seine Farbe durch die Jahrhunderte… Pastel besitzt all diese Vorzüge noch heute. Die prunkvollste Zeit waren die Jahre von 1450-1560, wo das Pastel als „blaues Gold“ gehandelt wurde und großen Kaufherren wie Pierre d’Assézat in Toulouse sich beachtliche Vermögen verschafften. Erkennen kann man dies heute noch an den überreichen Kaufmannshäusern, die durch ihre markanten Türme hervortreten. Erfreut erfahre ich, dass die Kunst der Pastel-Färberei noch nicht vorbei ist. Tatsächlich gibt es unweit von Toulouse im Sommer die sogenannten „Färber-Tage“, bei denen Laien sich mit der technik des Blaufärbens vertraut machen können.
Französische Küche in Toulouse – deftig und bodenständig
Nach soviel farblichen Nuancen und Sinneseindrücken zieht es mich in die Küche der Stadt. Und Toulouse hat einiges zu bieten. Grundsätzlich gilt hier wie fast überall in Frankreich: Schlecht essen kann man woanders, aber nicht hierzulande. Alles wird selbst im kleinsten Bistro frisch und schmackhaft zubereitet. Man gibt sich Mühe, denn das Essen, kochen und jegliche Verarbeitung von Lebensmitteln ist allen Bestrebungen der Fastfood-Industrie zum trotz, auch dieses Land zu erobern, noch immer die größte Leidenschaft des Franzosen. Und die lässt er sich sich nicht nehmen. So wird jede Mahlzeit zu einem Erlebnis für einen Reisenden, der diese kontinuierliche Art der frischen Zubereitung nicht gewohnt ist aus seiner Heimat.
Zu Toulouse und seiner Umgebung muss man wissen: Mit 120 Lebensmitteln, die allesamt mit einem Qualitäts- oder Herkunftslabel ausgezeichnet wurden, sind die Midi-Pyrenäen die Region Frankreichs, in der die meisten regionalen Küchenspezialitäten angeboten werden. Obligatorisch ist der Genuss einer gut zubereiteten Cassoulet, einem Eintopf auf weißen Bohnen, Enten- und Rindfleisch sowie einem Stück der berühmten Toulouser Bratwurst. Die Zubereitung dauert 24 Stunden, denn das Gericht muss ziehen, köcheln und wird in mehreren Schichten gebacken, bis sich eine deftig gewürzte, schwere und unverwechselbare Mischung ergibt, die in einem flachen Tontopf serviert wird, der das Gericht seinen Namen verdankt.
Zum Dessert steht eine Auswahl an Käsen auf dem Programm, denn die Region verfügt über ausgezeichnete und sehr markante Sorten. Roquefort aus Schafsmilch, der Bleu de Causses und Laguiole aus Kuhmilch oder der Rocamadour aus Ziegenmilch – hier bleibt kein Wunsch offen. Aber auch Süßes kommt gerne auf den Tisch, wie ich in zahlreichen Restaurants feststellen darf.
Die von den Toulousern erfundenen Köstlichkeiten sind ein wahrer Gaumenschmaus. Der „fénétra“, ein Kuchen aus Mandelteig mit Baiser, oval oder rund, mit Zitronenkonfit und einem Überzug aus Aprikosenmarmelade. Oder doch lieber ein „Pavé du Capitole“, eine Praline aus dunkler Schokolade, einer „Caraque“, dem kleiner Sandteigkuchen mit einer Füllung aus Crème fraîche und zerlassener Schokolade und einem grünen Fondant, oder am Ende der berühmte „Cachou Lajaunie“, eine Leckerei aus natürlichen Produkten, die von einem Apotheker aus Toulouse erfunden wurde und deren Rezept streng geheim gehalten wird. Da wird die Wahl schnell zu Qual und an Pfunde darf man hierzulande schon gar nicht denken, will man sich dem Genuss hingeben.
Wein – aber welcher?
Und dann ist da noch die Frage nach den Weinen zum Essen. Auch hier gibt es zahlreiche Möglichkeiten, je nach Gericht und Vorliebe. Der französische Südwesten ist eine Weinregion mit 16 Appellationen. Die Rotweine, Weißweine und Rosés werden beim Aperitif verkostet oder begleiten die regionalen Gerichte, die in Toulouse aufgetischt werden. Fronton, Cahors oder Gaillac sind die bekanntesten Weinlagen der Region. Ich folge dem Tipp eines Gastons und bevorzuge in diesen Tagen meines Aufenthalts einen Rotwein aus der Region Saint Mont, deren Winzer sich zu den „Plaimont Producteurs“ zusammengeschlossen haben. Diese Weine aus der Gegend am Fuße der Pyrenäen sind außerhalb Frankreichs noch schwer erhältlich, genießen quasi ein Schattendasein. Und genau das macht diese Weine zu einem echten Geheimtipp. Die kieseligen Böden dieser Region um Saint Mont bringen runde und leichte Weine hervor. Die tonhaltigeren, höheren Lagen hingegen begünstigen elegante Weine mit Alterungspotential. Die Weißweine befinden sich an den westlich ausgerichteten, steileren Hängen mit kalkhaltigen Böden. In einem der zahlreichen Weingeschäfte von Toulouse erfahre ich, dass die Winzer unter die Rebstöcke der roten Sorten Gräser pflanzen , damit die Rebstöcke schön tief auf der Suche nach Wasser wurzeln. Dadurch bekommen die Weine noch mehr Struktur und Charakter.
Toulouse – die schillernde Stadt
Satt und zufrieden, farbenfroh im wahrsten Sinne des Wortes und kulturell durchtränkt – so verlasse ich nach 3 spannenden aber nicht weniger erholsamen Tagen Toulouse. Diese Stadt macht Lust auf sein Umland, liefert beispielhaft eine Fülle von Kultur, Farben, Leben und Lebendigkeit. Aber anders als man es aus Südfrankreich kennt. Geordnete Lebensfülle gepaart mit französischem Flair. Eine Prise von allem. Das ist Toulouse. Da gibt es Stadtteile, die sich geordnet geben, wie ein nordfranzösisches Departement. Südlich der Innenstadt in Richtung des Hauptbahnhofs Matabiau wiederum ist es bunt, die Menschen lebendig, oft aus Nordafrika, bereichern sie das Straßenbild und die Kultur der Stadt. Und allerorts treffe ich Menschen mit einem oder mehreren Baguettes unter dem Arm. Dann stimmt es also doch, das Klischee mit dem Franzosen und dem Baguette? Nun, zumindest tragen die wenigsten noch ein Barett. Nur ältere Menschen sieht man mit dieser markanten Kopfbedeckung. Dagegen ist die Schiebermütze das Kleidungsstück, welches hier zur obligatorischen Grundausstattung der Gegenwart zu gehören scheint. Und der Verkehr in Toulouse ist auch so gar nicht französisch. Die Autos halten bei rot, parken geordnet und entsprechen in ihrem Aussehen gar nicht dem französischen Klischee. Viel lässt sich hier lernen in Toulouse, von den Menschen, der Lebensweise und der Kultur der Stadt. Eines vor allem: Sich Zeit zu nehmen zu Beobachten. Denn nur so erfasse ich die Eindrücke der Pyrenäen-Metropole und kann sie mitnehmen.
Kurz notiert
Wie kommt man hin:
Am schnellsten und einfachsten erreicht man Toulouse von Deutschland aus mit dem Flugzeug in nur 1,5 Stunden. Linienflüge bietet die Lufthansa, als Billigflieger verkehrt hier auch Easyjet.
Flughafentransfer und Pass Tourisme:
Der Flughafen Blagnac liegt etwa 8 Kilometer vor der Stadt und ist mit einem Shuttle-Bus in 20 Minuten gut zu erreichen. Die Linie 66 Aeroporte hält direkt in der Innenstadt am Plac d Arc´ und am Hauptbahnhof Matabiou.
Es empfiehlt sich, einen „Pass Tourisme“ direkt am Flughafen zu erwerben, der für 1, 2 oder 3 Tage gültig ist. Dieser kostet für 72 Stunden 32 Euro und berechtigt zu allen Fahrten mit Bussen und Bahnen sowie zu zahlreichen Museumsbesuchen. Erhältlich ist der Pass im Büro der Busgesellschaft „Tisseo“ an der Außenseite des Flughafengebäudes am Busbahnhof.
In der Innenstadt gibt es zahlreiche, kleine Hotels, die preislich um die 50 Euro pro Nacht zzgl. Frühstück liegen. Es empfiehlt sich, ein Hotel rund um den Plac d Arc zu suchen. Dieser ist fußläufig, etwa 500 Meter vom Capitol, entfernt und bietet preislich deutlich günstigere Unterkünfte als direkt im Zentrum.
Stadtrundfahrt:
Im Pass Tourisme kostenlos enthalten ist eine Tour mit dem „Petit traine“, einem kleinen Bummelzug, der Mi., Sa. und So. täglich mehrmals vom Platz vor dem Platz am Capitol abfährt und eine 35-minütige Tour mit Audioguide offeriert.
Etwas umfangreicher und 80 Minuten dauernd ist eine Tour mit der „City Tour Toulouse“. Der rote Bus mit öffnenbarem Dach verkehrt täglich um 10:30 und 14:30 Uhr ab dem Platz d`Arménie, Allée Jean Jaurès. Die Audioguide-gestützte Fahrt kostet 14 Euro, reduziert mit dem Pass Tourisme 10 Euro pro Person.
Fahrradverleih:
Wer sportlich die Stadt erkunden will, kann sich an einer der zahlreichen Bike-Stationen ein Fahrrad für 20 Euro pro Tag mieten, dass an jeder Station wieder zur Rückgabe angedockt werden kann.
Umgebung und Auswärts: Fahrten nach Andorra
Wer von Toulouse ins nahe gelegene Andorra fahren will, kann dies mit einem Shuttle-Bus tun, der täglich vom Flughafen abfährt: www.andorrabybus.com/
Restaurants:
Zahlreiche Restaurants in der Innenstadt bieten Spezialitäten der Region des französischen Südwestens an, bzw. haben sich darauf spezialisiert. Oft werden Menüs angeboten, die meist zwischen 15 und 22 Euro inkl. Vor- Haupt- und Nachspeise liegen.
Die „Maison de cassoulet“ ist ein Restaurant unweit des Capitols, mit annehmbaren Preisen, in dem es vor allem die berühmte Cassoulet als Spezialität gibt. www.maisonducassoulet.com
Excellent, aber ohne vorherige Reservierung nicht zu besuchen ist das Restaurant l´Entrecote im Boulevard d`Strassbourg unweit des Capitals. www.entrecote.fr/
Shopping:
Unbedingt besuchen sollte man die Markthallen am Place Victor Hugo. Der hier stattfindende, tägliche Markt (auch sonntags) ist nicht nur ein Fest für die Sinne, sondern auch eine gute Gelegenheit, die Spezialitäten und Lebensmittel der Region kennenlernen.
Toulouse bietet zahlreiche, ausgefallene Boutiquen und Geschäften. Rund um den Platz des Capitols gehen zahlreiche Einkaufsstraßen ab.
Wer Souvenirs aus Toulouse sucht, ist gut beraten, den Laden Violettes & Pastels aufzusuchen, in der Innenstadt. www.violettesetpastels.fr
In der Rue Peyrolieres im Zentrum befindet sich das Geschäft „Groucho“, in dem Requisiten aus Film und Theater verkauft werden, sehenswert ist der Laden, auch wenn man dort nichts kaufen will.
An jedem Wochenende findet rund um die Basilika St. Sermene ein Trödel- und Antikmarkt statt, der kurioses und Ausgefallenes bietet.
Museen & Kultur:
Wer selbst zum Blaufärber werden will, kann an mehreren Terminen im Jahr in der Region um Toulouse im Pays de Cocagne an einem Workshop teilnehmen: www.teindreaveclepastel.com/–1/werden-sie-f%C3%BCr-einen-tag-blauf%C3%A4rber/
Einen Überblick über alle Tooulouser Mussen und Kulturveranstaltungen bietet das Tourismusamt Tourlouse www.toulouse-tourismus.de/ , das sich auf der Rückseite des Capitols befindet.