Calvados ist das Gold der Normandie

Es duftet nach frischen Äpfeln, die Luft ist erfüllt von einem
berauschenden Geruch, als ich vor den riesigen Bergen aufgehäufter Früchte
stehe, die rot und grün in der Morgensonne glänzen. Hier auf dem Anwesen
des Chateau du Breuil unweit des kleinen französischen Seebads Deauville
mitten in der Normandie.  Hier in der Region dreht sich alles um den Apfel
und seine Verarbeitung zu flüssigen Genüssen. Seit 1954 produziert die
Familie Bizouard hier Calvados auf dem Chateau du Breuil, das als Schloss
aus dem 16. Jahrhundert mitten im Pays d`Auge französischer und typischer
nicht sein könnte. Das markante Adels-Anwesen in normannischer Fachwerk-
Bauweise mit riesigem Schlosspark liegt beschaulich in einer frischen, von
Flüssen und Bächen durchzogenen Hochebene. Satte, grüne Wiesen, kleine,
malerische Dörfer und weite Apfelplantagen durchziehen die Gegend. 42
Hektar Anbaufläche gehören zum Chateau, das mild-feuchte Klima und  der
nährstoffreiche Boden sind die ideale Umgebung für den Anbau der fünf
Apfelfamilien, aus denen der Calvados erzeugt wird. Die bitteren, süßen,
sauren, säuerlichen und die bitter-süßen Äpfel sind es, die später für die
unterschiedlichen Qualitäten des Cidre und des Calvados aus dieser Gegend
verantwortlich sind erklärt mir Monsieur Bèdu , der Direktor der Calvados-
Produktion des Chateau du Breuil. Seine Begeisterung für die kleine runde
Frucht und deren vielfältige Verarbeitung spingt auf uns über, die kleine
Gruppe von Medienfüchsen, die sich aufmachte, um zu sehen, wie aus Obst
Gold gemacht wird in der Normandie.

Vom Baum in die Flasche – Wege eines Apfels in der Normandie
Und so stehe ich staunend vor dem riesigen Berg frisch geernteter Äpfel,
die mit schweren Maschinen von  den Bäumen geschüttelt und anschließend
eingesammelt und hierher zum Chateau zur Verarbeitung gebracht werden. Reif
zur Ernte sind die Äpfel, wenn sie beginnen zu Boden zu fallen.
Gewaschen, gemaischt  und vom Fruchtfleisch getrennt ergibt sich ein
Maischesaft, der nach Gärzeit von sechs Wochen bereits 4,5% Alkoholgehalt
enthält. Das Fruchtfleisch selbst wird als Viehfutter verwendet. Nur der
reine Saft  ist Grundstoff für den hier produzierten Calvados, denn würde
man Zucker hinzugeben, verlöre der Saft an Bukett. Mit viel Geduld, genauer
Überwachung des Gärungsprozesses und einer gehörigen Portion Erfahrung des
Kellermeisters wird zunächst Cidre aus dem Saft. Erst jetzt, so lerne ich,
beginnt die Destillation, die zweimal vollzogen wird, bevor aus 27 Kilo
Äpfeln schließlich 20 Liter zur Reife bereitstehender Calvados entsteht. In
Eichenfässern, deren Auswahl, Maße und Qualität von besonderer Bedeutung
sind, lagert der Calvados nun bis zu 20 Jahre. Je jünger und kleiner das
Fass ist, desto schneller verläuft der Reifeprozess, denn desto mehr
Branntwein tritt in Verbindung mit dem Holz.  Junge Calvados-Sorten werden
daher vom Kellermeister oft in neue Fässer gefüllt, bevor sie später in
alten Fässern zu Ende reifen können, sie „wandern“ also regelmäßig von
einem Fass zu anderen.
Bereits berauscht von den Erläuterungen des Monsieur Bédu wandle ich durch
die düsteren Lagerhallen, in denen mir der moderig-ehrwürdige Duft alter
Eichenfässer entgegenschlägt. Fässer, so weit das Auge reicht, gefüllt mit
flüssigem Gold in verschiedenen Stadien denke ich bei mir. Und   ein Duft
reifen Calvados strömt in meine Nase, als der Monsieur eines der Fässer
öffnet um ein Stück Lebensgefühl in die Luft entweichen zu lassen. Holz,
Luft und Alkohol verbinden sich hier zu einer wunderbaren Mischung, die mit
Geduld und Leidenschaft des Kellermeisters zu einem flüssigen, geistreichen
Elixier werden. Vermählung nennt man es hier, wenn der Meister junge und
alte Branntweine wie bei einer Hochzeit zu einer erlesenen Sorte Calvados
verbindet.

Ist das geistreiche Getränk der Normandie dann endlich zur Abfüllung
bereit, wird es in handversiegelten Flaschen ausgeliefert. Ich schaue zu,
wie der Korken dabei geschickt um die Flasche gebunden und in die
Versieglung integriert wird, damit er nicht verloren geht.

Probieren geht über studieren – eine Verkostung ist mehr als tausend Worte
Je älter ein Calvados ist, desto vollmundiger, abgerundeter und weniger
nach Alkohol schmeckend wird er. Und wieder treffe ich auf die Zahl fünf,
denn fünf Reifegrade werden im Chateau du Breuil in Flaschen abgegeben. Der
einjährige Calvados ist nicht trinkbar und fast reiner Schnaps. Aber der
acht-, zwölf-,  fünfzehn- und zwanzigjährige Calvados sind ein Hochgenuss
mit Steigerung nach Altersklasse. Charakterisiert sich der 8-jährige noch
als eine Komposition aus kräftigen Parfums der Normandie und komplexen
Aromen, aus Haselnuss und Mandeln mit Vanille-Abrundung, so kennzeichnet
den 12-jährigen als guten Kompromiss zwischen 8 und 15 Jahren ein weiches
voll-fruchtiges Tannin, das ihm eleganz verleiht. Angekommen beim 15-
jährigen Calvados erkennt man den subtilen Geschmack nach Apfel wieder, der
erst in seinem Abgang von holzigen Aromen der Eichenfässer dominiert wird.
Der 20 jährige Calvados schließlich eröffnet sich mir wie ein Tor zum
Himmel. Die angenehme Bernsteinfarbe verspricht bereits den Genuss
reichhaltiger und ausgewogener Aromen, deren Fruchtigkeit und Eleganz bei
mir auf der Zunge ein wahres Wohlgefühl auslöst. Keine Spur von erkennbarem
Alkoholgehalt hinterlässt diese Krönung der Calvados-Produktion trotz
seiner 41% bei mir. Wohlig ist derAbgang, ein Getränk für warme Kaminabende
im Winter, wenn man den Sommer in der Normandie Revue passieren lassen
möchte.

Ja und natürlich gibt es noch verschiedene Sorten, die veredelt wurden, mit
Schokolade als exzellente Komposition, mit Whiskey als Zugeständnis an alle
Unentschlossenen zwischen Schottland und Frankreich, oder solche Calvados-
Sorten, die als Mixgrundlage für Cocktails gut geeignet sind. Nicht zuletzt
ist der Pommeau, ein aus vergorenem Apfelsaft und Calvados kreiertes
Getränk ein hervorragender Aperitif.

Die Umgebung – Honfleur und Deauville als malerische Seebäder der Normandie
Nach so vielen Freuden flüssigen Goldes zieht es mich zur Erkundung der
Gegend rund um das Chateau du Breuil. So besuche ich am Nachmittag das
kleine und beliebte Städtchen Honfleur mit seinem malerischen Yachthafen,
umrahmt von dicht zusammengedrängten Häuschen, die bunt und anmutig
daherkommen. Enge, verwinkelte Gassen, in denen sich Galerien und
Kunsthäuser jeder Ausrichtung finden, gepaart mit Angeboten süßester und
geistreichster Leckereien aus der normannischen Gastronomie und zahlreiche
größere und kleinere Cafès und Restaurants prägen das Stadtbild dieser
Hafenstadt, von der ausgehend einst die Seeleute zur Entdeckung des
kanadischen Quebecs aufbrachen. In der Sonne dieses spätherbstlichen
Nachmittags flanieren Besucher entspannt an den Ufern des Hafens, genießen
das Flair des Seebads, das auch zu dieser Jahreszeit zu einem erholsamen
Spaziergang an seinen Ufern einlädt.
Auch mein nächstes Ziel, Deauville, zeigt sich in der Abendsonne des
Oktobers von seiner besten Seite. Weiß glänzend erhebt sich das Städtchen
über seinem prachtvollen Yachthafen. Das Flüsschen Toques ist zu dieser
Zeit gerade
ob seiner Nähe zum Ärmelkanal auf Ebbe und die Gezeiten rufen
ein lustiges Bild des Flusses hervor, denn alle Schiffe liegen nun
buchstäblich auf dem Trockenen. Bemerkenswert ist auch die breite Promenade
am Strand, die zu einem ausgedehnten Flanieren am Meer einlädt. Dabei fällt
mir als interessantes Detail des Badestrandes auf, dass die
Umkleidehäuschen nach berühmten Film-Schauspielern aus aller Welt benannte
sind. Gesäumt von kleinen Bars und Cafès bietet das Stadtufer mir als
Reisendem einen erholsamen Abschluss des Tages im goldgelben Sonnenlicht
des Abends, golden wie der Calvados, den ich am Morgen genossen habe, denke
ich bei mir, bevor ich diesen eindrucksvollen Aufenthalt in der Normandie
beende. Philip Duckwitz

Tipps und Nützliches:

Wie kommt man hin?
Empfehlenswert für eine entspannte Anreise ist eine Anfahrt über Paris mit
dem Thalys (ab Köln oder München) und eine Weiterfahrt mit dem TGV direkt
nach Deauville. Hier empfiehlt es sich, ein Auto zu mieten, um die Gegend
zu erkunden, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwer zu erobern ist.
Nicht empfehlenswert ist eine Anreise von Deutschland mit dem eigenen Auto,
da so neben den in Frankreich hohen Kraftstoffkosten auch die extrem teuren
Autobahngebühren anfallen.

Essen und Trinken
Ein wahrhaftiger Restaurant-Tipp ist das familiengeführte Haus „le Comptoir
la Table“. Hier erlebt der Gast nicht nur original französisches Flair
gepaart mit echter Gastfreundschaft und Offenherzigkeit. Nicht zuletzt
sorgt auch der quirlige Küchenchef, der sehr an einen bekannten,
französischen Schauspieler der 70er Jahre erinnert, für eine positive
Stimmung unter den Gästen.
Die frische Küche des Restaurants bietet vor allem Muschel- und
Fischprodukte aus der Region, wie Jakobsmuscheln oder Hummer. Die
Wohnzimmer-artige Einrichtung der Speisedestination sorgt zudem für eine
heimelich-wohlige Atmosphäre.
http://tinyurl.com/8qsqp8s  

Unterkunft rund um Deauville
da man im Chateau du Breuil leider nur auf Einladung nächtigen kann,
empfiehlt es sich ein Hotel im nahegelegenen Ort Pont L´Eveque zu suchen.
Hier bietet sich das Hotel „Lion d òr“ an, das mit seine warmen Atmosphäre
und seinem traditionell-warmen Flair der Region für ein zufriedenes
Übernachtungs-Erlebnis beim Gast sorgt.
www.leliondorhotel.com

Das Chateau du Breuil en Auge
Das Cahteau du Breuil und die Calvados-Produktion können täglich eingehend
und in vollem Umfang besichtigt werden. Täglich geöffnet von 9-12 und 14-18
Uhr ist das Schloss ganzjährig (außer an Weihnachten) geöffnet.
www.chateau-breuil.fr

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