1500 Münchner bei der Aktion Teller statt Tonne

1500 Verbraucherinnen und Verbraucher haben am Samstag auf dem Münchner Odeonsplatz am Aktionstag „Teller statt Tonne“ gegen Lebensmittelverschwendung teilgenommen. Sie protestierten gegen die Entwertung unserer Nahrung und die damit zusammenhängende Verschärfung der Ernährungskrise in den Entwicklungsländern.

Slow Food Deutschland hatte gemeinsam mit dem Evangelischen Entwicklungsdienst, dem Bund Naturschutz in Bayern, der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der Mission EineWelt und derKampagne Meine Landwirtschaft zu dieser Aktion aufgerufen. Die Veranstaltung – eröffnet vom Münchner Dekan Volker Herbert – war der erfolgreiche Auftakt zum Good Food March, einer dreiwöchigen Rad- und Treckertour nach Brüssel für eine zukunftsfähige Lebensmittelwirtschaft und eine bäuerliche, sozial- und umweltgerechte Landwirtschaftspolitik.

400 Kilogramm nicht-marktkonformes Gemüse von kleinbäuerlichen Öko-Betrieben aus dem Münchner Umland wurden von Helfern und Food-Aktivisten öffentlich geschnippelt und an einer langen Tafel verspeist – als Akt kulinarischen Ungehorsams. In die Protest-Suppe kamen zum Beispiel biologisch erzeugte Kartoffeln vom Hatzlhof in Olching, die alleine aufgrund optischer Mängel wie kleiner Beschädigungen bei der Ernte oder Herzchen-Wuchsformen nicht mehr als Handelsware, sondern nur noch zur Stärkegewinnung und als Tierfutter verkauft werden können – mit bis zu 90 Prozent Preisabschlag.

Während des Essens erörterten die einladenden Organisationen mit Vertretern aus Politik und Wirtschaft sowie mit Erzeugern und Köchen in verschiedenen Podiumsgesprächen die Problematik der Lebensmittelverschwendung als Symptom einer verfehlten Verbraucher- und Landwirtschaftspolitik. So wies Francisco J. Marí, Projektreferent Agrarhandel und Fischerei beim Evangelischen Entwicklungsdienst, eindringlich auf die paradoxe Situation hin, dass „die gleiche Produktions- und Verteilungsstruktur, die zum Wegwerfen animiert auch billige Nahrungsmittel nach Afrika exportiert: etwa Fleischreste, Tomatendosen oder billiges Milchpulver.“ Damit würden lokale Kleinbauern aus dem Markt gedrängt, so der Autor des Buches „Das globale Huhn“. Auch gelte: „Wenn fast die Hälfte der Bananen aus Kamerun oder ein Drittel der Schokolade aus der Elfenbeinküste weggeworfen wird, dann haben wir in diesen Ländern für den Anbau Land verbraucht und Wasser verschwendet. Die Menschen haben umsonst Pestizide eingeatmet und sind krank geworden für Lebensmittel, die weggeworfen werden.“

Für den Schutz regional wertvoller Lebensmittel, Nutztierarten und Kulturpflanzen
Dr. Rupert Ebner, Mitglied im Vorstand von Slow Food Deutschland, betonte den Zusammenhang von Normierungsdruck und Lebensmittelverschwendung in der Nahrungsindustrie. „Die Monokultur im Supermarkt-Regal bedient optimal die Bedürfnisse einer Lebensmittelindustrie nach normierten Waren und schnellem Umsatz, spielt dabei nachhaltig wirtschaftende bäuerliche Erzeuger ins Abseits, missachtet das Recht auf Ernährungssouveränität des Verbrauchers und beraubt die Gesellschaft des Reichtums an Arten- und Geschmacksvielfalt“, erläuterte der Agrarexperte. Slow Food engagiere sich deshalb mit Projekten wie der Arche des Geschmacks zum Schutz regional wertvoller Lebensmittel, Nutztierarten und Kulturpflanzen sowie Geschmacksbildungsprojekten für Kinder und Erwachsene und fordere eine neue, zukunftsfähige Lebensmittelwirtschaft mit regionalen Wirtschaftskreisläufen und bäuerlichen Strukturen. „Die Weichen dazu müssen von der Politik gestellt werden, die dieses Jahr in Brüssel neu verhandelt wird, deshalb schließen wir uns dem breiten gesellschaftlichen Bündnis aus Verbrauchern, Umweltschützern und Erzeugern an, das auf Mitbestimmung drängt“, erklärte Ebner.

Dies betonte auch Prof. Dr. Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern und des BUND: „Wir brauchen eine neue Agrarpolitik, die weg von Überschüssen und Entwertung unserer Lebensmittel führt und den Tieren, die als Nahrung dienen, ein würdiges Leben ermöglicht. Die Agrarpolitik muss grüner und gerechter werden,“ so Weiger, „wie es Agrarkommissar Dacian Ciolos auch vorgeschlagen hat.“

Jochen Fritz von der Kampagne Meine Landwirtschaft betonte zum Abschluss noch einmal die aktuelle Brisanz des Themas: „Die Ernteausfälle in den USA sollten ein Signal sein, die Förderung der industriellen Landwirtschaft zu beenden. Tierfabriken, Sojaimporte und Mais-Monokulturen müssen wieder von Bauernhöfen, die vielfältiges und gesundes Essen produzieren, abgelöst werden. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die Reform der EU-Agrarpolitik diese Kehrtwende einleitet. Deswegen setzen wir mit dem Good Food March nach Brüssel der Politik ein Zeichen.“

Gemeinsames Engagement für eine Wende in der Europäischen Agrarpolitik
Hauptforderung des Bündnisses aus über 40 Organisationen, die die Kampagne Meine Landwirtschaft unterstützen, ist: Die EU darf nicht weiter eine Politik betreiben, die bäuerliche Strukturen zerstört und der Agrarindustrie Tür und Tor öffnet, die Umwelt massiv belastet, Tierleid vergrößert und die Pflanzenvielfalt vernichtet.

Die Aktion „Teller statt Tonne“ bildet den Auftakt zum Good Food March, einem Protestzug auf Rädern und Treckern für eine bessere EU-Agrarpoltik. Um 15.00 Uhr startete der dreiwöchige Demonstrationszug von München über Süddeutschland und Frankreich nach Brüssel. Er endet am 19. September mit einer Konferenz im europäischen Parlament, an der auch der EU-Kommissar für Landwirtschaft Dacian Ciolos, der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz und der Präsident von Slow Food Carlo Petrini teilnehmen. Nach der Konferenz, organisiert von Slow Food und ARC2020, sollen die Forderungen der Zivilgesellschaft den Entscheidungsträgern in Brüssel vorgelegt werden.

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