"Urban Farming": Grüne Oasen in der Großstadt

Das Interesse der Verbraucher an der Landwirtschaft und der Lebensmittelproduktion wächst. Ein Anzeichen dafür ist die steigende Zahl landwirtschaftlicher Projekte in Städten. „Urban Farming“ heißt der Trend, dem immer mehr Großstädter rund um den Globus folgen und die Landwirtschaft neu für sich entdecken. „Auf Dächern, in Hinterhöfen oder Parks – in vielen Großstädten werden auch auf den kleinsten und ungewöhnlichsten Freiflächen Obst und Gemüse angebaut.

Immer mehr Menschen entdecken mitten in der Stadt die Lust am Landleben und bekommen dadurch einen neuen Bezug zur Produktion von Lebensmitteln“, so Ilse Aigner, Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Sie besuchte am Dienstag in Berlin zwei engagierte landwirtschaftliche Projekte, um sich ein Bild von der neuen Bewegung und neuen Innovationen zu machen.

Das „Allmende Kontor“ ist ein Gartenprojekt auf dem ehemaligen Flugfeld Tempelhof. In einem Gemeinschaftsgarten ziehen mehr als 700 Freizeitgärtner in über 300 Beeten Obst, Gemüse und Blumen. Noch im Aufbau befindet sich eine „Berliner Saatgutbank“, die sich aus den Gemeinschaftsgärten speisen soll. Darüber hinaus versteht sich das Allmende Kontor als Anlauf- und Vernetzungsstelle für bestehende und neue Initiativen des gemeinschaftlichen Gärtnerns und der urbanen Landwirtschaft in Berlin. „Wo früher Flugzeuge landeten, wachsen heute Tomaten, Gurken und Zucchini. Das Allmende Kontor ist ein gutes Beispiel dafür, wie man Brachflächen in der Stadt wieder sinnvoll nutzen kann – und das Projekt macht Lust aufs Gärtnern“, sagte Aigner.

Während das Allmende Kontor in Berlin-Tempelhof auf kleine Einheiten und Selbstversorger setzt, plant das junge Start-Up-Unternehmen „Efficient City Farming (ECF)“ urbane Landwirtschaft im großen Stil: Auf dem Gelände der alten Malzfabrik in Berlin-Schöneberg sollen bald große Mengen Fisch und Gemüse weitestgehend CO2-neutral in einer Kreislaufwirtschaft produziert werden. Beim sogenannten Aquaponic-Verfahren werden Aquakulturen mit Pflanzenzucht im Wasser kombiniert. Die Stoffwechselprodukte der Fische werden dabei in Nitrat umgewandelt, das wiederum als Dünger für die Pflanzen dient. Was derzeit noch auf einen Schaucontainer mit 200 Buntbarschen und 100 Gemüsepflanzen begrenzt ist, soll bald in einer rund 1000 Quadratmeter großen Stadtfarm umgesetzt werden. Darüber hinaus haben die Gründer Nicolas Leschke, Karoline vom Böckel und Christian Echternacht ein Konzept erarbeitet, wonach die Malzfabrik die alten Brauereibecken und eines der Dächer der Fabrik in eine 7000 Quadratmeter große Dachfarm umwandeln könnte. Das in allen ECF-Farmen zum Einsatz kommende Aquaponic-Verfahren „ASTAFpro“ ist eine patentierte Entwicklung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin. „Konzepte wie die Dachfarm sind interessant, denn hier werden nicht nur bestehende Ressourcen genutzt, sondern auch neue Ansätze für Landwirtschaft in der Stadt erarbeitet, bei denen Ökologie und Wirtschaftlichkeit mitgedacht werden“, sagte Aigner.

„Urban Farming“-Projekte sind weltweit auf dem Vormarsch. Die Ausprägungen reichen vom gemeinschaftlichen Gärtnern auf entsiegelten Flächen bis hin zur Entwicklung revolutionärer Modelle zur Selbstversorgung großer Metropolen in Industrie- oder Schwellenländern. „Urban Farming ist eine beeindruckende Idee. Die Menschen bekommen wieder einen Bezug zur Landwirtschaft – sie sehen, wo ihre Lebensmittel herkommen und wie viel Arbeit und Energie darin steckt“, sagte Aigner. Nach aktuellen Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO muss die Agrarproduktion in den nächsten 40 Jahren um 60 Prozent gesteigert werden, um die wachsende Weltbevölkerung versorgen zu können. „Dazu ist es einerseits wichtig, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Gleichzeitig muss aber andererseits gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern jeder Hektar Land genutzt werden. Deshalb sind innovative Lösungen besonders zur Versorgung von Großstädten wichtig“, sagte Aigner. „Auch wenn Hochhausgärten nicht die Welt ernähren können, tragen sie zu einem Bewusstseinswandel und einem verantwortungsvolleren Umgang mit Lebensmitteln und Ressourcen bei.“

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