Neue Übergewichtsgene identifiziert, welche die Fettspeicherung im Bauchraum fördern

Wissenschaftler des Deutschen Instituts für
Ernährungsforschung (DIfE) und des Universitätsklinikums Leipzig
haben im Rahmen einer neuen Studie zwei Gene identifiziert, die im
Fettgewebe krankhaft übergewichtiger Menschen verstärkt aktiv sind. Sie
begünstigen die Fetteinlagerung im viszeralen Fettgewebe*, dem so
genannten Eingeweidefett im Bauchraum. Wie weitere Ergebnisse der Studie
annehmen lassen, fördert eine erhöhte Aktivität der beiden Gene die
Freisetzung eines Enzyms im Fettgewebe, das für die Bildung von Cortisol
verantwortlich ist. Cortisol ist als Stresshormon bekannt, spielt aber
auch eine Rolle für die Regulation des Energiehaushalts.

Das Wissenschaftlerteam um Annette Schürmann, Heike Vogel und
Hans-Georg Joost vom DIfE veröffentlichte nun seine Daten in der
Fachzeitschrift Human Molecular Genetics (Vogel et al., 2012; doi:
10.1093/hmg/dds213).

Krankhaftes Übergewicht (Adipositas) gehört zu den komplexen
Erkrankungen, an deren Entstehung zahlreiche Gene im Zusammenspiel mit
Umweltfaktoren beteiligt sind. Ein Ziel der Wissenschaftler ist es,
durch die Kenntnis der Gene und deren Funktion mehr über die molekularen
Mechanismen zu erfahren, die zur Krankheitsentstehung beitragen, um so
neue Ansätze für wirksamere Medikamententherapien zu entwickeln.

Da Mensch und Maus genetisch sehr ähnlich sind, nutzen die Forscher am
DIfE zunächst Mausmodelle, um Gene zu identifizieren, die an der
Entstehung von Übergewicht beteiligt sind. In der aktuellen Studie
führten sie – ähnlich wie Gregor Mendel dies mit Erbsen tat –
Kreuzungsexperimente mit Mäusen durch. Hierbei verpaarten sie Mäuse
eines zu Übergewicht neigenden und Mäuse eines normalgewichtigen
Mausstamms** miteinander. Durch einen Vergleich der übertragenen äußeren
Merkmale auf die Nachkommen mit den übertragenen Erbgutfragmenten,
konnten sie auf einem Chromosom einen Bereich eingrenzen, der stark mit
Übergewicht assoziiert ist. Weiterführende Analysen dieses Bereichs
identifizierten letztendlich das Ifi202b-Gen, das zur Ifi200-Genfamilie
gehört, als Übergewichtsgen.

Mäuse, die das intakte Gen von ihren Eltern geerbt hatten, wurden
schnell übergewichtig. Dagegen blieben die Nachkommen normalgewichtig,
wenn sie von ihren Eltern eine durch eine natürliche Mutation
funktionslos gewordene Variante des Gens vererbt bekommen hatten. Wie
anschließende Untersuchungen des Fettgewebes und in Kultur gehaltener
Zellen zeigten, reguliert das vom intakten Ifi202b-Gen abgeleitete
Protein ein bestimmtes Enzym im Fettgewebe. Dieses wandelt das
biologisch inaktive Cortison in das aktive Hormon Cortisol um. Je
stärker das Ifi202b-Gen aktiviert war, desto mehr Enzym konnten die
Forscher im Fettgewebe nachweisen. Ein wichtiger Hinweis darauf, dass
auch das im Gewebe produzierte Cortisol bei der Entstehung von
Übergewicht eine Rolle spielt.

„Nachdem wir die entscheidende Genfamilie identifiziert hatten,
untersuchten wir nun zielgerichtet die entsprechenden Gene bei 53
normalgewichtigen und 221 krankhaft übergewichtigen Personen und wurden
fündig“, sagt Erstautorin Vogel. Zwei Gene der menschlichen
Ifi-Genfamilie, IFI16 und MNDA, sind ebenfalls mit Übergewicht
assoziiert. Sie sind im viszeralen Fettgewebe übergewichtiger Menschen
sehr viel stärker aktiv, wobei die Größe der Fettzellen mit steigender
IFI16- und MNDA-Genaktivität zunimmt.

„Dass die identifizierte Genfamilie sowohl beim Menschen als auch bei
Mäusen eine Rolle spielt, ist von entscheidendem Vorteil“, erklärt
Studienleiterin Annette Schürmann. Denn so könne man die Genfunktionen
und die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen an Modellsystemen wie
der Maus oder bestimmten Zelllinien unter kontrollierten Bedingungen
erforschen. Am Menschen sind solche Studien oft aus ethischen sowie auch
aus praktischen Gründen nicht möglich. „Die weitere Aufklärung der
zellulären Funktion von Ifi202b wird uns auch zu neuen Strategien der
Diabetesprävention führen“, ergänzt Hans-Georg Joost,
wissenschaftlicher Direktor des DIfE. Denn viel viszerales Fett im
Bauchraum ist ein Risikofaktor für Typ-2-Diabetes.

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