Auf den Spuren des Oswald von Wolkenstein

Sanft streichelt die Sonne die saftig grünen Almen, auf denen kleine
Dörfer, Schafherden und Waldgruppen wie die Szenerie einer
Spielzeugeisenbahn aussehen. Ich blicke in die Ferne, wo sich mächtig und
weiß glänzend die Dolomiten am Horizont erheben und lasse meinen Blick
schweifen über die tief-grünen Waldketten des Naturparks Schlern-
Rosengarten über die Seiseralm hin zum abendlich rot-leuchtenden Schlern.
Der Berg, der das Wahrzeichen der Region um den Ort Völs bei Bozen in
Südtirol bildet. Seine charakteristische Form der zwei vorgelagerten
Zacken, die wie eine Teufelsgabel gen Himmel ragen.

Oswald von Wolkenstein – Minnesänger, Haudegen, erfolgloser Ritter

Hier also lebte im 14. Jahrhundert der Dichter, Minnesänger, glücklose
Haudegen, Ritter und Gegenpart des Landesfürsten – Oswald von Wolkenstein.
Viel ist bisher gesagt und geschrieben worden über Oswald. Vieles ist
Legende, doch ebenso viel lässt sich heute noch in diesem Landstrich aktiv
erleben. So wandere ich am nächsten Tag von von der Talstation des Dorfes
Seis aus den Oswald-von-Wolkenstein-Weg entlang zu Burgruine Hauenstein.
Dieser familienfreundliche Wanderweg führt mich etwa eineinhalb Stunden
entlang an der Ruine Saleg vorbei, durch tiefe Wälder, auf denen mir keine
Menschenseele begegnet. Ruhe und innere Einkehr breiten sich erholsam aus
und lassen mich die Schönheiten der Natur wahrnehmen. Zuweilen trifft man
hier auch auf seltsame Wesen und märchenhafte Begebenheiten. So entdecke
ich einen Pferdekopf, der aus einer Baumwurzel geschnitzt wurde. Auf halbem
Weg ragt ein hölzerner Turm aus dem Wald und bietet dem Wanderer eine
erholsame Rast. Natürlich sind diese wunderlichen Vorkommnisse nicht
zufällig hier. Sie sollen anschaulich dem Wanderer und vor allem Kindern
lebensecht zeigen, wie im Mittelalter das Leben der Ritter in dieser Gegend
vor sich ging. Gut beschrieben mit Schautafeln wird dieser leichte
Wanderweg zu einem abwechlungsreichen Spaziergang hinauf zur Burgruine.
Drohend und mächtig, schier uneinnehmbar mutet die Burg und deren heutige
Reste an. Thronend auf einem Felsen mit atemberaubendem Fernblick lässt die
Ruine Hauenstein erahnen, wie stolz dieser dennoch recht kleine Rittersitz
einst gewesen sein muss.
Doch den Burgherrn Oswald hielt es hier selten lange. Immer zog es ihn in
die Ferne, von wo er jedes mal um eine Erfahrung reicher und ein Stück
Ritterstolz ärmer zurückkehrte, weil er meistens alle Schlachten verlor.
Erst spät im fortgeschrittenen Alter erlangte der Ritter und Minnedichter
den Ruhm, den er sein ganzes Leben anstrebte. Und noch heute erinnert viel
an ihn.

Der Oswald-von-Wolkenstein-Ritt

So erfand man in jüngerer Vergangenheit vor etwa 30 Jahren den Oswald-von-
Wolkenstein-Ritt. Ein Rittertunier, das aus einer Laune am Biertisch
entstand und zu einer echten Attraktion im Schlerngebiet geworden ist.
Jährlich wird – beginnend ab der Trostburg – in Kastelruth, Seis und Völs
am Schlern ein Reittunier ausgetragen, bei dem die streitenden vierer-
Mannschaften verschiedene Geschicklichkeitsproben zu Pferd erfüllen müssen.
Sei es Ringstechen, Labyrinthreiten oder Galopp mit Hindernissen – Spannung
und Unterhaltung, Volksfest und Wettkampf stehen hier auf dem Programm. Und
just erfahre ich, dass ausgerechnet der Inhaber „meines“ Hotels, des
Romantik Hotels am Turm in Völs, Stefan Prammsthraler, einer derjenigen
war, der dieses jährliche Tunier besonders häufig gewonnen hat und damit
sogar Rekordhalter ist. In diesem Jahr ist das Ereignis am 3. Juni.
Ich kehre zurück in das Hotel, das nicht irgendeine Herberge ist. Denn das
Turmhotel in Völs stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist eine mächtige
Anlage mit zwei Türmen Kraiterhaus und Eulenturm – eigenem Gerichtshof und
Kerker. Die Chronik besagt, dass hier im Winter sich die Bauern und Knechte
beim Turmwirt einschneien ließen. Drei Tage und Nächte wurde dann gekartet,
getrunken, gestritten, gelacht und gerauft. Für kurze Schlafpausen legte
sich abwechselnd ein Spieler quer auf die Bank. Bei Aufbruch hatte jeder
das Recht auf ein stärkendes Mittagsmahl – auf Kosten des Wirtes natürlich.
Die heimelige Atmosphäre in Räumen mir fast meterdicken Wänden und
weitreichendem Ausblick über das Tal zeugen noch heute davon, welche
Bedeutung dieser Hof einst gehabt hat. Die Wohlfühlatmospähre wird heute
liebevoll durch individuell eingerichtete Zimmer weiter gepflegt. Eine
estaunliche Kunstsammlung mit Originalen von Paul Klee Joseph Beuys oder
Picasso, um nur einige Namen zu nennen, lassen das Herz jeden Kulturfreunds
höher schlagen.
Auch zu Oswald-von-Wolkensteins Zeiten gab es diese Hofanlage bereits, die
damals als Treffpunkt der Ritter war. Nach einigen Tagen in Völs und
zahlreichen Ausflügen in die Region und Natur blicke ich zurück auf eine
spannende Reise rund um den Dichter Oswald und seine Heimat, die weit mehr
als nur Berge und Seen zu bieten hat.

Was man sonst noch sehen kann

Von Völs aus lohnt sich ein Ausflug in die Landeshauptstadt Bozen. Die
Studentenstadt hat neben einer malerischen Altstadt, durch die sich ein
zwanglos-genussreicher Bummel lohnt, zahlreiche Kulturerlebnisse und Museen
zu bieten. So findet man dort das bedeutendste der Messener-Mountain-
Museen, die die Geschichte der Bergvölker behandelt. Das Archäologiemusem
birgt den wohl erstaunlichsten „Schatz“ der Region – den 5.000 Jahre alten
„Ötzi“.

Ebenfalls einen Besuch Wert ist die Bischofsstadt Brixen. Die etwas
kleinere Stadt im Eisacktal überzeugt mit malerischen Gässchen, einer
imposanten Bischofskirche und zahlreichen, klerikalen Museen.
Philip Duckwit

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