Im Supermarkt schlägt der Preis die Qualität, weil Verbraucher Qualität nicht bewerten, vergleichen und überprüfen können. Hersteller und Gesetzgeber sind gefordert, Bedingungen für einen funktionierenden Qualitätswettbewerb zu schaffen. Das ist das Ergebnis der Studie „Trends in der Lebensmittelvermarktung“, die die Agrifood Consulting GmbH im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) erstellt hat. Sie ist Teil der begleitenden Verbraucherforschung des vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geförderten Portals www.lebensmittelklarheit.de .
„Im Lebensmittelmarkt läuft etwas grundlegend schief. Zwischen Werbe- und Produktrealität klafft oft eine große Lücke, die Politik und Hersteller schließen müssen“, fordert Vorstand Gerd Billen. Die Trendstudie diagnostiziert ein folgenschweres Marktversagen: Verbraucher interessieren sich zunehmend dafür, ob ein Produkt biologisch und regional hergestellt wurde oder Hersteller den Tierschutz achten. Doch solche Qualitätsmerkmale sind am fertigen Produkt schwer überprüfbar, denn die Regeln für die Kennzeichnung und Aufmachungen sind unklar. Und es mangelt an verlässlichen Siegeln. Diese Lücke füllen Hersteller mit plakativen Werbeaussagen, die einem Realitätscheck häufig nicht standhalten, wie zahlreiche auf dem Portal www.lebensmittelklarheit.de dokumentierte Fälle belegen.
Funktionieren ausgelobte Qualitätsmerkmale nicht als Orientierungshilfe, wird der Preis zum einzig relevanten Merkmal für die Kaufentscheidung. Die Folge: Qualitätshersteller werden aus dem Markt gedrängt, es droht ein ruinöses Preis- und schlussendlich Qualitätsdumping. „Klare Regeln und Standards sind deshalb im Interesse von Verbrauchern und Anbietern“, sagt Billen. Damit Verbraucher unter über 100.000 Lebensmittelprodukten bewusst entscheiden können, sei ein verlässliches „zweites Preisschild“ erforderlich, das Produkt- und Prozessqualität sichtbar macht.
Auf Grundlage der Studienergebnisse sind aus Sicht des vzbv und der Verbraucherzentralen folgende Maßnahmen notwendig:
Mehr Orientierung durch verlässliche Labels: Wenn sich die Wirtschaft nicht eigenständig auf verbindliche Kriterien für wichtige Vertrauenseigenschaften von Produkten einigen kann, muss der Staat analog zum Biolabel unabhängige Siegel einführen. Sie müssen Standards für die sozialen und ökologischen Produkt- und Herstellungsbedingungen definieren und deren Einhaltung garantieren.
Mehr Klarheit und Wahrheit: Lebensmittelhersteller müssen Qualitätseigenschaften auf der Produktvorderseite klar kennzeichnen. Auf der Hauptschauseite ausgelobte Zutaten, ob negativ oder positiv, müssen den Verbrauchererwartungen entsprechen, die sie wecken. Dies ist von den Herstellern zu belegen.
Mehr Gewicht für Verbraucherinteressen: Dies betrifft insbesondere die Deutsche Lebensmittelbuchkommission (DLBK), die in ihren Leitsätzen Herstellung, Beschaffenheit und sonstige Merkmale von Lebensmitteln beschreiben, die für ihre Verkehrsfähigkeit von Bedeutung sind. Insbesondere fordert der vzbv eine Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) und der Geschäftsordnung der DLBK. Derzeit können Wirtschaftsvertreter unliebsame Reformen blocken, soweit sie geschlossen abstimmen.
Mehr Unabhängigkeit: Der Gesetzgeber muss der Lebensmittelbuchkommission ein angemessenes Budget für eigene Marktrecherchen bereitstellen, damit diese unabhängige Expertisen über Verbrauchererwartungen einholen kann.
Mehr Verbraucher fragen: Lebensmittelhersteller sollten dazu verpflichtet werden, Produkte vor der Markteinführung empirisch daraufhin zu prüfen, ob sie von den Verbrauchern verstanden werden. Dadurch würden irreführende Produktnamen und eine unverständliche Aufmachung und Kennzeichnung frühzeitig verhindert.